Der Klimaspiegel
„Es ist allerhöchste Zeit“
Georg Kaser, Glaziologe und Uni.Prof. in Innsbruck
Elisabeth Präauer vom Terra Institute
Ein ungewohnt junges Publikum im Kulturhaus von Schlanders
Am Podium (von links): Moderator und Gründer von skepTisch, Damian Eberhöfer, Marc Zebisch und Katharina Tschigg

skepTisch rüttelt auf

Zwei junge Vinschger gründeten skepTisch, eine Bühne für Experten und ein Sprachrohr für brisante Themen im Vinschgau. Erstes Thema: Der Klimawandel.

Publiziert in 8 / 2020 - Erschienen am 3. März 2020

Schlanders - Müssen wir uns, geschützt in unseren Bergen, überhaupt Sorgen machen, dass der Meeresspiegel steigt und das Wetter verrücktspielt? Dass die Zugvögel ihre Zugbahnen verändern und die Warmwasserkorallen zerstört sind? Vier namhafte Gäste haben die Jugendlichen Damian Eberhöfer und Valentin Zangerle, beide aus der Gemeinde Laas, eingeladen, um über die „hoaße Soch“ Klimawandel zu diskutieren. Für die Wissenschaft ist die Faktenlage eindeutig: Der menschengemachte Klimawandel findet statt, und er berührt alle Facetten des Lebens.

„Nettonull bis 2050“

Ein erstes Szenario zeichnete Univ. Prof. Georg Kaser, Glaziologe und Professor an der Universität Innsbruck und einer der einflussreichsten Klimaforscher weltweit auf. „Wir haben in den Jahren 1950 bis 2020 ca. 1 Jahr Sonneneinstrahlung zusätzlich an Energie auf unsere Erde geholt; das entspricht der Energie von ca. 1 Mio. Wasserstoffbomben. Wir haben allerhöchste Zeit, die Reißleine zu ziehen!“, so Georg Kaser. Ziel müsse eine Reduzierung der CO² Emissionen von 50 Prozent bis 2030 und Nettonull bis 2050 sein!

Auch in Südtirol messbar

Für Marc Zebisch, Klimaforscher und Leiter des Instituts für Erdbeobachtung an der EURAC Bozen, ist der Klimawandel auch in Südtirol messbar. Im Alpenraum sind die Temperaturen seit den 70er Jahren um 2° gestiegen. Ursache für die stärkere Erwärmung der Alpen ist ihre Lage in der Mitte Europas, da sich Kontinente stärker erwärmen als Ozeane. In der Natur sind folgende Beobachtungen zu machen: Rückgang des Permafrosts, geschrumpfte Gletscher, kürzere Schneebedeckung der Berge, neu eingewanderte Insektenarten, mehr Pilze und Parasiten, vorgezogene Blüte, längere Vegetationsperioden, mehr Massenbewegungen wie Muren, Steinschlag und Überflutungen u.a.m. Für die Gesellschaft bedeutet der Klimawandel häufige Hitzewellen, mehr Sommertourismus, mehr Kunstschnee, mehr Konflikte ums Wasser, Unterbrechungen von Straßen und Bahnlinien, mehr Krankheiten durch Zecken und Mücken, frühere Ernte usw.

Der Mensch als Hauptverursacher

Den Hauptgrund für den Klimawandel sieht Marc Zebisch in der vom Menschen verursachten Emission von Treibhausgasen, deren Konzentration in der Atmosphäre zunimmt. Der größte Anteil des Temperaturanstiegs ist durch die Freisetzung von Kohledioxid (CO²) verursacht, das bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen und bei industriellen Prozessen entsteht.  Methan-Emissionen aus der Landwirtschaft tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei. „Das Bewusstsein für den Klimaschutz ist da und auch das Engagement; aber so richtig Druck auf die Politik üben die Südtiroler nicht aus“, bedauerte Marc Zebisch. Aber auch jeder einzelne kann etwas zum Klimaschutz beitragen. „Wir haben täglich die Wahl: was ist gut für mein Haus? für meine Kinder? für meine Heimat? Unsere tägliche Ernährung beispielsweise wirke sich auf die Zukunft unserer Kinder aus, gab Zebisch zu bedenken. „Denke global, kooperiere regional und handle lokal“, war dann auch sein Leitspruch, den er den Zuhörern mitgab.

Plädoyer für Kreislaufwirtschaft

Elisabeth Präauer stellte das vom Schlanderser Günther Reifer mitgegründete Brixner Unternehmen Terra Institute vor. „Unternehmen dabei zu begleiten, einen nachhaltigen Weg zu gehen, gibt mir die Möglichkeit, meine große Leidenschaft, die Nachhaltigkeit, nicht nur privat zu leben, sondern auch in meiner beruflichen Karriere zu verfolgen. Nur gemeinsam können wir das System nachhaltig verändern und damit die Erde mit ihren endlichen Ressourcen schützen.“ Elisabeth Präauer hat strategisches Management mit Fokus auf Nachhaltigkeit studiert. Sie plädierte vor allem für die Kreislaufwirtschaft und die damit verbundene Systemveränderung. Katharina Tschigg, Junior Researcher am EURAC-Institut für Biomedizin rief auf, zwar keine Untergangsstimmung zu verbreiten, aber dennoch zu bedenken, dass der Klimawandel eine schleichende, langsame Bedrohung ist. Die junge Wissenschaftlerin versuchte, ein breites Spektrum aufzuzeigen, wie Menschen mit dem Klimawandel umgehen, wie  das Thema medial lanciert und wie es politisch zum Teil negiert wird.

Angeregte Podiumsdiskussion

Bei der Podiumsdiskussion wurden verschiedene Fragen aufgeworfen, so auch das Thema (Brauchbarkeit) der E-Mobiltät und der damit zusammenhängenden sozialen Ausbeutung in den Ländern mit hohem Lithium-Vorkommen, des Weiteren wurde über Möglichkeiten der Verringerung des CO² Ausstoßes, bzw. der C0²- Bindung durch Schaffung von Moorflächen gesprochen. Auch die technische CO²-Abscheidung werde bei CO² intensiver Industrie in Zukunft eine Rolle spielen, d.h., auch CO² muss in Zukunft ähnlich wie der Kraftstoff einer Steuer unterliegen. Zum Abschluss der interaktiven Podiumsdiskussion gab es ein köstliches regionales und vegetarisches Buffet mit Vinschger Getränken.  Die Besucher hatten  dabei noch Gelegenheit, sich untereinander und mit den Referenten auszutauschen. Musikalisch umrahmt wurde der Abschluss von Noah Thanei. Der Vortrag kann im Internet auf skepTisch Vinschgau angesehen werden.

Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Ingeborg Rainalter Rechenmacher

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