St. Martin im Kofel: Keine Schule mehr im Dorf
Gras scheint über das neue Schulhaus in St.Martin zu Wachsen

Stellungnahmen zur Auflassung der Bergschule

Publiziert in 18 / 2005 - Erschienen am 21. September 2005
„Wenn demnächst die Kinder von Egg und Pardatsch ohnehin den Kindergarten in Latsch besuchen werden, hat die Schule hier in St. Martin ihren Sinn verloren. Sicher kann es vorkommen, dass die eine oder andere Feier ausfällt.“ Josef Ratschiller (Oberköben, Sprecher der Bergfraktion) „Wenn die Lehrerinnen des letzten Jahres hätten bleiben können, hätte man die Schule weiterführen sollen. Um sich in eine Klassengemeinschaft einzufügen, ist es besser, die Kinder nach Latsch zu schicken. Die Situation hat sich deutlich gebessert durch die moderne Bahn und die Zusicherung der Gemeindeverwalter, bei starkem Wind die Kinder mit einem Taxidienst nach Hause zu bringen.“ Peter Gruber (Zwei Kinder in der Grundschule, eines in der Mittelschule und eines in der Oberschule) „Ich wäre ruhiger, wenn die Kinder hier zur Schule gehen könnten. Den starken Verkehr, wie er in Latsch herrscht, den sind wir nicht gewohnt, und wie schnell ist etwas passiert.“ Alois Kaserer (Vater zweier mittelschulpflichtiger Kinder) „Mir kommt es ein bisschen schwach vor, wie sich die jetzige Verwaltung um uns und unsere Sorgen kümmert. Die vorher gehende hat sich sehr für die Erhaltung der Schule eingesetzt, hat eingerichtet und dazu gebaut. Ich sehe die Schließung als ersten Schritt zur Abwanderung. Die Mentalität des Bergbauerntums geht einfach verloren. Unten (im Tal, Red.) würden die Kinder in der Freizeit spielen, bei uns hier müssen sie arbeiten. Man hat es vielleicht versäumt, die Kinder von Luamtol (zwei Kinder besuchen die Grundschule in Kastelbell, Red.) mit einzubinden und nach St. Martin in die Schule zu schicken. Auf längere Sicht wird der Bergtourismus Schaden erleiden, wenn wir Bergbauern nicht mehr hier arbeiten.“ Werner Perkmann (Obmann der Bauernjugend, Ortsgruppe St. Martin) „Vom didaktischen und pädagogischen Standpunkt aus wird es schon positiv sein, dass die fünf Kinder aus St. Martin unter Gleichaltrigen aufwachsen und damit vielleicht weniger Integrationsschwierigkeiten haben, aber für die Dorfgemeinschaft... So bilden sich halt noch weniger Wurzeln in der Heimat.“ Andrea Kofler (Gemeindereferentin für Schule und Kindergärten in Latsch) „Die Schließung ist absolut ein Verlust für St. Martin. Nicht nur wegen der Dreiviertelstelle der Köchin, sondern weil der kulturelle Mittelpunkt der Dorfgemeinschaft weg bricht. Alle Familienfeiern im Jahreslauf spielen sich in oder über die Schule ab.“ Werner Hanni ( Lehrer für literarische Fächer an der Mittelschule Latsch). „Ich habe selbst Kinder aus St. Martin unterrichtet und ich kenne die Schwierigkeiten, sich an die Großgruppe anzupassen. Die Kinder haben einfach nicht dieselben Startmöglichkeiten wie die im Tal. Mit den Räumlichkeiten im Schulgebäude könnte man eine Menge machen, z.B. regelmäßig mit Klassen nach St. Martin fahren und sich wirklich mit Landwirtschaft und dem Bergbauernleben beschäftigen.“ Hansjörg Telfser (Lehrer für literarische Fächer an der Mittelschule Latsch) „Es ist ein Verlust für’s Dorf und für die Gemeinschaft. Die Schule war Mittelpunkt; in der Schule wurde gefeiert und dazu wurden die Familien der Schüler auch eingeladen. Besonders für die Jüngsten wird der Eintritt in das Schulleben nicht unbedingt erleichtert.“ Christine Laimer (Schulstellenleiterin in St. Martin von 2003 bis 2005) „Das ist von zwei Seiten zu sehen Einerseits gehört die Schule einfach zum Dorf, andrerseits ist es jedes Mal ein persönlicher Schock für die Kinder, wenn sie aus der kleinen Gruppe der Bergschule plötzlich in eine große Klasse kommen. Uns ist ähnliches passiert, wenn wir von der Volksschule in Schloss Goldrain an die Mittelschule von Schlanders gekommen sind.“ Roland Riedl (Umweltreferent und für St. Martin zuständig). „Auch bei uns ist 1992 eher überraschend die Schule geschlossen worden. Unter den 100 Einwohnern hat es kein größeres Bedauern gegeben. Zur Schulzeit meines Mannes gingen hier am Tomberg an die 30 Kinder zur Schule.“ Maria Wopfner (Lechenhof, Tomberg, Bergfraktion der Gemeinde Kastelbell-Tschars) „Ich bin in erster Linie Mutter und daher für die Zukunft meiner Kinder verantwortlich. Ich sehe bessere Startmöglichkeiten, wenn sie vom Kindergarten an unter einer Gruppe Gleichaltriger aufwachsen und dort schon mit der Situation konfrontiert werden, mit der sie dann spätestens in der Mittelschule ohnehin zurechtkommen müssen. Dass die Schule geschlossen wird, habe ich nie gewollt. Man hat mir mehrmals versichert, dass auch ohne mein Kinde die Schule weitergehen werde. Mir tut es leid, dass sich andere Eltern erst organisieren müssen. Mein Tobias hat als einziger in Latsch den Kindergarten besucht; das hat mir viel üble Nachrede eingebracht. Was würde es aber dem Kind jetzt nützen, wieder als Fremder an die Grundschule in St. Martin zurückkehren zu müssen? Ich habe auf Drängen der früheren Gemeindeverwaltung im März tatsächlich zugestimmt, mein Kind wieder hier oben einzuschreiben; es hat mich sofort gereut, als Tobias unter Tränen dagegen protestierte. Im Juli habe ich die Einschreibung zurückgezogen. Die Folge waren wieder massive Vorwürfe gegen meine Person.“ Denise Hörmann, Oberhaus-Hof (aus Eyrs stammend und als Krankenschwester berufstätig, seit 1995 in St. Martin am Kofel mit Erich Mair, Träger des Jungbergbauernpreises 2002, verheiratet, Mutter von Tobias, 6, und Julian, 4).
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