Tarscher Alm - das Glück, das aus dem Westen kam

Publiziert in 21 / 2008 - Erschienen am 5. Juni 2008
Eine sonderbare Presse­konferenz war am Donnerstag, 29. Mai an der Talstation des außer Betrieb gesetzten Sessellifts zur Tarscher Alm anberaumt worden. Ein erfolgreicher Unternehmer aus Madrid, ein Ingenieur aus Andorra, ein ehemaliger Skirennläufer und Landestrainer aus Prad und ein bekannter Latscher hatten sich der Presse gestellt. Gestellt im Sinne des Wortes, denn das Treffen mit der schreibenden Zunft fand bei untergehender Sonne im Stehen statt. Dabei ging es nicht nur um „Standpunkte“, sondern um das wirtschaftliche Schicksal einer ganzen Tourismusregion. von Günther Schöpf Tatsächlich herrschte rege Betriebsamkeit in der seit fast zwei Jahren vereinsamten Gegend. Im Rücken der Gruppe surrten die Rollen der Aufstiegsanlage und die herunter gekommene Talstation wurde recht radikal ausgeräumt, nur die Liftsessel dämmerten still einer neuen Verwendung entgegen. Exakt 15 Tage vor der geplanten Eröffnung ging die Gesellschaft „Pure Nature Ski GmbH“ mit dem Hauptgesellschafter Jaime Lorenzo Blanco aus Madrid und dem Geschäftsführer Markus Ortler an die Öffentlichkeit, um mitzuteilen, dass die Tarscher Alm ab Samstag, 14. Juni wieder mit dem Lift erreicht werden kann. Nüchtern teilte Jaime Blanco in italienisiertem Spanisch mit, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Eröffnung mit Ersteigerung der Immobilien, Revision der An­lage und Einrichten der allernotwendigsten Infrastruktur 1,5 Millionen Euro ausgeben wird. Ebenso nüchtern erwähnte er Investitionen in der Höhe von 30 bis 40 Millionen Euro, die notwendig sein würden, um ein funktionierendes, attraktives Skigebiet zu errichten. Für einen Augenblick blieb den Presseleuten die Luft weg. Es wurde nachgefragt, ob man sich nicht verhört habe. ­Lorenzo Blanco wehrte ab und Markus Ortler dolmetschte und vermittelte: „Vorerst wird Latsch 1 in Betrieb genommen. Wir wollen sehen, wie sich das entwickelt. Dann sollen auch die Anlagen auf der Alm überprüft und vor der anstehenden großen Revision ein Probejahr im Winter eingeschoben werden. Bis dahin werden Studien erstellt und Möglichkeiten erörtert. Unser Fachmann wird mit den Informationen der Gemeinde, der Fraktionen Tarsch und Latsch und der Vertreter des Tourismus jene Zahlen errechnen, die zur rentablen Auslastung notwendig sind, und dann fällt die Entscheidung.“ Anlagenplaner aus Spanien „Eppur si muove“ (und sie bewegt sich doch), unterbrach Ferran Goya schmunzelnd die Ausführungen seiner Auftraggeber, indem er mit Galileo Galileis berühmtem Spruch auf den Probelauf des Sessellifts anspielte. Die Tatsache, dass Ferran Goya an der Talstation stand, verdeutlicht die Dimension, mit der Unternehmer Jaime Lorenzo Blanco an die „Neugestaltung“ des „winzigen und unbekannten Familienskigebietes“ herangehen will. Mit Ingenieur Goya hat der Unternehmer Jaime Lorenzo Blanco die höchste Autorität Spaniens im Planen und Ausrüsten von Wintersportanlagen ins Spiel gebracht oder - wie Markus Ortler es ausdrückte - „ins Boot geholt“. Mit seiner Firma SEMSA (Serveis i Equipaments de Muntanya, S. A.) soll Goya nach Möglichkeiten suchen, auch die Tarscher Alm zu einem attraktiven Wintersport- und Wandergebiet auszubauen. Auf die Frage, wie er in den Vinschgau gekommen sei, enthüllte Jaime Blanco kurz einen Abschnitt seines „früheren Lebens“. Als Direktor des chilenischen Skigebietes „Vale Nevada“, etwa 40 Kilometer von der Hauptstadt Santiago de Chile entfernt, habe er das Gebiet nicht nur aufgebaut, sondern alle Skigrößen dieser Erde kennen gelernt, darunter natürlich Alberto Tomba und Gustav Thöni, aber auch Markus Ortler. Nachdem Ortler, den er als Mann der Tat und als Skitrainer sehr schätze, versprochen habe, sich um das Skitraining seiner Tochter zu kümmern, sei er in den Vinschgau gekommen. Markus Ortler und Franz Rinner sei es zuzuschreiben, dass er schließlich in der Gemeinde Latsch gelandet und auf der Tarscher Alm angekommen sei. Franz Rinner bemühte sich im Hintergrund zu bleiben und meinte von seiner Person ablenkend: „Hätte er (Lorenzo Blanco) nicht auch Idealismus, er würde es nicht schaffen. Mit Geld allein…“ Wer seit langem mit Pioniergeist und Idealismus für das „Skicenter“ unterwegs ist, braucht an dieser Stelle nicht zusätzlich betont zu werden. Alle müssen zusammen stehen Zur Sprache kamen an der Talstation auch Detailpläne, darunter Verlängerung des Zubringers, neue Pistentrassen, die Geschäftsidee einer exklusiven Rennpiste, die Verkehrsproblematik für Tarsch und Latsch und deren Lösungsmöglichkeiten. Bevor aber nicht die Rückmeldungen aller Be­teiligten, vor allem des Bürgermeisters - in Spanien „alcalde“ und an der Talstation der Verständlichkeit halber „sinduco“ – eingetroffen seien, blieben sie Spekulation oder allenfalls Visionen, erklärten die Vertreter der Gesellschaft. Jaime Lorenzo Blanco verwies auf die erste offizielle Versammlung nach dem Erwerb der Konkursmasse; sie sollte am selben Abend im Rathaus von Latsch stattfinden (siehe unten). Auf die Frage, wann das Projekt tatsächlich in Angriff genommen werde, entgegnete man „unisono“: „Wenn sich herausstellt, dass alle an einem Strang ziehen und wenn alle, Verwalter und Wirtschafter, überzeugt sind, dass es das Wander- und Skigebiet zur wirtschaftlichen Entwicklung braucht.“ Offene Fragen zum Projekt „Tarscher Alm“ Am Abend des 29. Mai wurde dem Gemeindeausschuss, den Fraktionspräsidenten von Latsch und Tarsch und den Vertretern des Tourismusvereines ein Diskussionspapier der Verhandlungsgrundlage mit 18 Punkten übergeben. Dazu erwartet sich die Gesellschaft „Pure Nature Ski GmbH“ Vorschläge und Anregungen in den ersten Wochen nach der Eröffnung des Sommerbetriebes. In sieben Punkten ist die Gemeindeverwaltung angesprochen: Eröffnungstermin am 14. Juni, Vorbereitungen auf die Wintersaison 2008/2009, Situation Forststraße, öffentliche Verkehrsmittel im Sommer und Winter, Parkmöglichkeiten, Verbindung zu verschiedenen Sporteinrichtungen (Hallenbad Eisstadion usw.), Wasser- und Stromversorgung). Vier Punkte betreffen die Seperatverwaltung Tarsch: die Pachtverträge in der heutigen Situation und für das zukünftige Projekt, die Zur-Verfügung-Stellung des Grundes für ein zukünftiges Projekt, Problemfall Durchfahrt Tarsch, Pachtverträge Zirmruan-Hütte und ev. Tarscher Alm im Winter. Ebenfalls vier Punkte sind an die Seperatverwaltung Latsch gerichtet: die Wassersituation, Parkmöglichkeiten im zukünftigen Projekt, die Situation Forststraße, Mitarbeit am zukünftigen Projekt und Transportmöglichkeiten. Informationen zu drei Bereichen erwartet sich die Gesellschaft von den Touristikern in Tarsch und Latsch: den derzeitigen Bettenstand zwischen Schlanders und Naturns, die Bewerbung des Sommerbetriebes und Perspektiven in der kommenden Wintersituation, speziell über die Zusammenarbeit mit den Hotels.
Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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