Über Schleichwege zur Straße
Publiziert in 22 / 2002 - Erschienen am 21. November 2002
[K] Teurer Marmor ist reichlich vorhanden. Nur - wie bringt man den edlen Stein ins Tal und macht ihn zu Geld? Da die Gemeinde Schlanders den Pachtvertrag mit der Lasa Marmo SpA auflöste, kann das weiße Gold aus dem Göflaner Wantl-Bruch nicht mehr abtransportiert werden. Die Verwalter suchen eifrig nach Auswegen: „Schleichwege“ sollen zur Straße führen.
von Hansjörg Telfser [/K]
Noch einmal wird verhandelt. Deshalb vertagte der Schlanderser Gemeinderat am vergangenen Donnerstag den brisantesten Punkt seiner Tagesordnung: Die Wettbewerbsausschreibung für die Konzessionsvergabe zum Marmorabbau im „Göflaner Wantl“.
Dass man vertagte, war das Ergebnis einer Aussprache drei Tage vorher zwischen Schlanderser Gemeinde, Göflaner Fraktionsvorstehung und Laaser Separatverwaltung. Die Schlanderser und Göflaner Seite forderte dabei in erster Linie den Abtransport ihres Marmors über den Laaser Weiler Tarnell.
Warum die Schlanderser darauf drängten, hängt mit der veränderten Situation an der Vinschger Marmorfront zusammen: Seit Jahrzehnten baute den Marmor im Laaser Weißwasserbruch und am Göflaner Wantl die „Lasa Marmo“ ab. Zum Abtransport nutzten die Sanzognos, als Mehrheitseigner der Aktiengesellschaft, ihre Schrägbahn. Auch die Göflaner Blöcke brachte man auf einer betriebseigenen Straße vom Wantl auf die Laaser Seite. Von dort beförderten sie den Marmor - wie das Material aus dem Weißwasserbruch - über den Bremsberg zu Tale.
Nachdem die Schlanderser den im Jahre 2000 ausgelaufenen Abbauvertrag im Wantl mit der „Lasa“ aufkündigten, musste gehandelt werden. Will man den aus dem Triestiner Raum stammenden Sanzognos ihr Monopol wirklich brechen, braucht es eine LKW-taugliche Straße ins Tal. Zur Lösung des Problems schwebte den Schlandersern eine simple aber gleichzeitig geniale Idee vor. Mit einem Walderschließungsweg, der für Marmortransporte ausbaufähig war, wollte man die erste Hürde, den Nationalpark nehmen.
Dass hinter der ganzen Aktion „Lasa-Abschuss“ Strategie steckt, beweisen allein schon die Gesuchsteller für den Walderschließungsweg. Da der Weg größtenteils durch Kortscher Wald führt, mussen die dortige Separatverwaltung und mehrere Bauern vom Schlanderser Nördersberg, - die mit dem Marmor gleich viel am Hut haben, wie die Sanzognos mit einem Stall voll Vieh -, ansuchen. Die Gemeinde stellte umgehend die Baukonzession aus. Der Nationalpark hätte innerhalb von 60 Tagen ein Gutachten abgeben müssen. Diese Frist verstrich. Einige Wochen später ließ Wolfgang Platter, Chef im Südtiroler Bereich des Nationalparks und Bürgermeister von Laas, über die „Dolomiten“ verlauten, dass die Gremien des Stilfserjoch Nationalparks gegen den Walderschließungsweg der Kortscher und der Bergbauern wären.
Im ersten Moment sah es aus, als ob man die „Manager“ in der Schlanderser Gemeinde gewatscht hätte. Wie gesagt - nur im ersten Moment. Bei genauerem Hinsehen eröffnen sich neue Perspektiven, um den in den Dreck gefahrenen Marmorkarren wieder flott zu kriegen.
Im Falle eines Rekurses der Schlanderser Gemeinde gegen die Verfügung der Nationalparkverwaltung hat die Kommune eindeutig die besseren Karten in der Hand. Und wenn erst einmal Tatsachen geschaffen sind, tut sich auch der Nationalpark schwer, wieder für Recht und Ordnung zu sorgen. Bestes Beispiel dafür sind die widerrechtlich erbauten Ferienhäuser im Laaser Tal.
Außerdem dürften die Schlanderser auch Unterstützung von höchster politischer Stelle im Lande haben. Denn bereits 1979 fasste die Landesregierung einen Beschluss, dass man Steuergelder bereitstellt, um die Marmorindustrie anzukurbeln. Hinterge- danken: Die „Lasa“ loswerden. Ihr attestierte man zu wenig aus dem Marmor zu machen.
Die „Marmi Vicentini“ legten damals eine Studie vor, mit einem Investitionsvolumen von 15 bis 20 Milliarden Lire kräftig unterstützt durch das Land. Größtes Problem war schon damals die Frage des Abtransports.
Interessanter ist aber, dass sich der Laaser Unidozent und Gutachter für alles Mögliche in Sachen Land, Gottfried Tappeiner, als Konzeptersteller für die Tiroler Marmorwerke GmbH immer wieder auf dieses „Marmi-Vicentini-Papier“ beruft. Hinter den „Tirolern“ stehen der Durnwalder-Spezi, der Meraner Ingenieur, Kunstmäzen und Hobbybauer Siegfried Unterberger, der Latscher Immobilienmakler Peter Paul Pohl und der aus dem Veneto stammende Marmorunternehmer Giuseppe Dalle Nogare. Diese Gruppe will sich auf alle Fälle um den Göflaner Marmorbruch bewerben (siehe Interview im Kasten).
Und auch hier: Ohne Straße kann das Monopol der „Lasa“ nicht gebrochen werden.
Daher macht das Vorgehen des Südtiroler Nationalparkpräsidenten und Laaser Bürgermeisters Wolfgang Platter auch Sinn. Er, der von der Laaser Seperatverwaltung bei der Neuvergabe des Weißwasserbruches ausgebremst wurde und mit ihm die Tiroler Marmorwerke GmbH, weil diese nur ihn als Ansprechpartner nutzten, kann nach außen das Gesicht wahren. Der Nationalpark ist dagegen. Den Schlandersern wird mit dem „Verglaggeln“ der Einspruchsfrist durch den Park ein Fuß breit die Tür für eine Straße geöffnet. Zudem haben die Schlanderser in den Wettbewerbsbedingungen für die Ausschreibung des Göflaner Bruches einen Artikel eingebaut, dass der neue Konzessionär „die Marmorverarbeitung vorrangig im Gemeindegebiet von Schlanders durch die Errichtung einer eigenen Verarbeitungsstätte“ durchführen muss.
Dieser Passus ist eindeutig. Bekommt die „Lasa Marmo“ einen Konkurrenten, wird es noch schwerer für sie. Ein kräftiger Gegenwind bläst ihr heute schon ins Gesicht. Seit der Erneuerung des Vertrages für den Weißwasserbruch ist kein öffentlicher Großauftrag mehr eingegangen. Und die Seperatverwaltung Laas wird sich auch nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen. Dass sie verantworlich sei, wenn der Marmorstandort Laas verloren geht. Daher scheint das Szenario schon vorgezeichnet: Im Gegenzug, dass auf eine Produktion in Schlanders verzichtet wird, lässt Laas über Tarnell den Göflaner Marmor abtransportieren. Wenn 2009 der Vertrag mit der Lasa verfällt, könnten beide Brüche wieder gemeinsam genutzt werden.
Haken an der ganzen Sache: Bringen die derzeitigen Verhandlungen zwischen Lasa Marmo und den Schweizer Investoren bei der Lechner Marmor AG eine Einigung, braucht es weder eine Straße und noch wäre der Standort Laas in Gefahr.
Neue Produktschiene „Göflaner Marmor“
„Der Vinschger“: Ihre Gesellschaft stellte eine Bedingung: Sie will beide Brüche.
Peter Paul Pohl: Das war in der Studie von 1999 enthalten, damit sich nicht zwei Betriebe gegenseitig das Leben schwer machen. Dieses Konzept haben wir bei den Gemeinden in Laas und Schlanders hinterlegt.
Nur Besitzer der Brüche sind die Fraktionen Göflan und Laas.
In Schlanders haben wir mit der Gemeinde verhandelt, die ein Mandat von der Fraktion hatte. In Laas gingen wir den gleichen Weg. Nur dort hat die Fraktionsverwaltung gesagt: Verhandlungspartner sind wir. Das hing mit der politischen Situation vor den Gemeinderatswahlen zusammen.
Druck wurde auf die Laaser Fraktion ausgeübt: Ihr Partner Unterberger habe sich „gemeldet“ und die Verwalter zitierte man nach Bozen.
Ich habe vor der Vertragsunterzeichnung zwischen der Fraktion Laas und der Lasa Marmo interveniert.
Unabhängig wer die Konzession für die Laaser Brüche bekommt, man hat eine einmalige Chance verspielt. Wenn wir schon nicht zum Zug kommen, hätte man uns zumindest verwenden können, um mehr herauszuholen.
Ihre Gruppe scheint aber eine besondere politische Protektion zu genießen?
Das wirft man uns vor. Ich kann und will das nicht beurteilen. Aber in erster Linie geht es den lokalen Politikern darum, dass investiert wird und neue Impulse gesetzt werden, aber nicht weil es ein Unterberger oder ein Pohl ist.
Aus den zwei Brüchen wird aber nichts?
Wir sind mittlerweile von dieser Initiative und dem Produkt derart fasziniert, dass wir jetzt nicht sagen: Aus, Schluss, wir lassen es. Jetzt muss man halt aus der Hälfte etwas machen.
Die Infrastrukturen um den Bruch gehören der „Lasa Marmo“. Da steht auf Jahre alles still.
Weshalb? Es gibt rechtliche Mittel, dies zu verhindern.
... aber es rührt sich schon seit zwei Jahren nichts mehr und dann braucht man noch den Weg.
Sobald die Ausschreibung gemacht ist und sich eine Möglichkeit für den Abtransport ergibt, wird es weitergehen.
Die Marke Laaser Marmor ist damit aber kaputt.
Kaputt ist sicherlich zu hart formuliert, aber der Laaser Marmor ist auf dem Markt unterrepräsentiert. Wenn wir zum Zug kommen, starten wir mit einer neuen Produktschiene, mit einem neuen Werbekonzept, mit einer neuen Marke - Göflaner Marmor. Die Konzepte liegen schon in der Schublade.
Interview: Hansjörg Telfser
Hansjörg Telfser