Bühne frei
Schauspieler Philipp Hochmair schlüpft in Franz Kafkas „Der Prozess“ in sämtliche Rollen; Foto: Krafft Angerer; Titelbild: Das Staatsschauspiel Dresden bringt Christa Wolfs Mauerbau-Klassiker „Der geteilte Himmel“ auf die Bühne; Foto: David Baltzer

Verliebt, verklagt, verwitwet

Publiziert in 30 / 2013 - Erschienen am 4. September 2013
Die neue Theatersaison des Südtiroler Kulturinstituts Schlanders - Zu einer Theatertour nach Kassel, Hamburg, Dresden und Mannheim lädt das Südtiroler Kulturinstitut in der neuen Spielzeit. Die Koffer packen braucht man dafür nicht, denn die großen Bühnen dieser Städte sind im Kulturhaus „Karl Schönherr“ in Schlanders zu Gast. Zwischen Karriere und Meditation, Cellulite-Vorsorge und Fruchtbarkeits-App suchen zwei Paare nach dem Glück. Der junge Theaterautor Moritz Rinke erzählt in seiner Komödie „Wir lieben und wissen nichts“ von der Liebe in Zeiten globaler Hektik: Sebastian, Kulturhistoriker mit prekärer Auftragslage, sitzt in seinem „Bewusstseinszimmer“ und liest. Freundin Hannah ist entsetzt: In einer Stunde kommen die Wohnungstauschpartner und Sebastian hat nichts gepackt. Hannah gibt Bankern Kurse in Atemtechnik und Meditation und muss viel reisen. Für Sebastian ist das ein Alptraum. Früher als vereinbart stehen die Wohnungstauschpartner Roman und Magdalena vor der Tür. Roman hat es eilig. Bald startet die Rakete mit dem Satelliten, für den er die Beschichtung der Atombatterie entwickelt hat. Er möchte per Internet live zuschauen. Es kommt zum Schlagabtausch, der mehr zutage fördert als allen lieb ist. Das Staatstheater Kassel zeigt das tragikomische Stück am 17. Oktober in Schlanders. Nur verhaftet, weiter nichts „Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ – So beginnt der alptraumhafte Roman „Der Prozess“ von Franz Kafka. „Sie sind nur verhaftet, weiter nichts“, heißt die Begründung. Josef K. verliert sich in Affären und Ablenkungen, anstatt der Aufforderung nachzugehen, mehr an sich zu denken und sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Der Schauspieler Philipp Hochmair bringt Kafkas Text als vielstimmigen Monolog auf die Bühne. Mit Lichtbildern und Musik angereichert wird der Vortrag zum Psychokrimi. Der 1973 in Wien geborene Schauspieler war bis 2009 Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters und ist nun am Hamburger Thalia Theater engagiert, aber auch an anderen Bühnen und in Filmen gefragter Darsteller. In dem preisgekrönten Film „Der Glanz des Tages“ der Südtirolerin Tizza Covi spielt Philipp Hochmair sich selbst. Am 29. November wird das Thalia Theater Hamburg Hochmairs Kafka-Interpretation in Schlanders zeigen. Liebe an der Mauer Ebenfalls ein Klassiker ist Christa Wolfs Erzählung „Der geteilte Himmel“. Die 1963, zwei Jahre nach dem Bau der Mauer, entstandene Erzählung gilt als DAS Buch über die Teilung Deutschlands. Christa Wolf spiegelt darin den Prozess, der zu diesem Schritt führte, im Scheitern einer Liebe. Regisseur Tilmann Köhler adaptierte den Text für das Staatsschauspiel Dresden und inszenierte ein Stück deutscher Geschichte, das knapp 25 Jahre nach dem Ende der DDR noch genauso berührt: Es spielt im Herbst 1961 in der DDR. Rita Seidel erwacht in einem Sanatorium. Langsam fällt ihr alles wieder ein: der Unfall, das Waggonbau-Werk, in dem sie während der Sommerferien gearbeitet hat, das Lehrerseminar und vor allem Manfred. Manfred ist weggegangen. Der Chemiker konnte die Zurücksetzungen durch Parteifunktionäre, Vetternwirtschaft und Behinderung seiner Forschung nicht länger ertragen und kehrte von einem Kongress in West-Berlin nicht zurück. „Ich gebe dir Nachricht, wann du kommen sollst“, schreibt er Rita. Doch Rita will nicht gehen. Das berührende Stück ist am 30. Jänner in Schlanders zu sehen. In Stöckelschuhen über Leichen Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine Frau. Hinter jedem Diktator eine First Lady, deren Glanz die Gräueltaten schönt. Das weiß auch die Dramatikerin Theresia Walser, die drei Diktatorengattinnen in den Mittelpunkt ihres Stückes „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ stellt. Die drei haben sich zu einer Pressekonferenz versammelt. Anlass ist die geplante Verfilmung ihres Lebens. Ein Dolmetscher versucht, zwischen den Frauen zu vermitteln, und befördert wider Willen einen Wettstreit des Monströsen. Die drei Damen sind nicht mehr im Amt. Die Männer von Margot und Imelda sind unfriedlich verstorben und der von Leila steht „vor so einem grotesken holländischen Gericht“. Als handele es sich um die netten Leute von nebenan, plaudern sie über Partys bei Stalin, Handküsse von Mao und Geschenke von Castro. Selbst Mordanschläge oder Aufstände werden wie notwendige Übel abgehandelt: „Zu jedem bedeutenden Leben gehört auch ein Attentat.“ Die Uraufführung des Stückes durch das Nationaltheater Mannheim wird am 28. März in Schlanders gezeigt. Neben dem Abendprogramm bietet das Südtiroler Kulturinstitut im Vinschgau auch drei Aufführungen im Bereich Kinder- und Jugendtheater an, vom Musical „Die kleine Meerjungfrau“ bis zum Suizid-Drama „Norway.Today“. Das umfangreiche Programm wird von der Südtiroler Landesregierung, Abteilung Deutsche Kultur, der Stiftung Südtiroler Sparkasse sowie zahlreichen privaten Sponsoren unterstützt. red Infos Das Programm Donnerstag, 17. Oktober 2013 Moritz Rinke: „Wir lieben und wissen nichts“ Staatstheater Kassel Freitag, 29. November 2013 Franz Kafka: „Der Prozess“ Thalia Theater Hamburg Donnerstag, 30. Jänner 2014 Christa Wolf: „Der geteilte Himmel“ Staatsschauspiel Dresden Freitag, 28. März 2014 Theresia Walser: „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ Nationaltheater Mannheim Alle Aufführungen finden um 20 Uhr im Kulturhaus „Karl Schönherr“ in ­Schlanders statt. Der „Kulturbus ­Obervinschgau“ fährt kostenlos vom Reschen nach Schlanders und zurück. (Anmeldungen: 0473 831 190) Abonnementverkauf: am 13. September von 9.30 bis 12 Uhr im Büro der ­Ferienregion Obervinschgau in Mals und von 14 bis 17 Uhr im Kulturhaus „Karl Schönherr“ in Schlanders; sowie vom 10. bis 20. September direkt im Südtiroler Kulturinstitut Einzelkarten: ab dem 24. September bei Athesia-Ticket oder www.kulturinstitut.org Informationen: Südtiroler Kulturinstitut, Schlernstraße 1 (Waltherhaus), Bozen Tel: 0471 313 800; info@kulturinstitut.org; www.kulturinstitut.org
Redaktion
Vinschger Sonderausgabe

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