Wird 2011 zum Jahr der Wende?
In den Bereichen Tourismus, Energie und Nationalpark dürfte das neue Jahr einschneidende Änderungen mit sich bringen.

Viele Weichen werden neu gestellt

Publiziert in 1 / 2011 - Erschienen am 12. Januar 2011
Rückschau halten ist nicht schwer, in die Zukunft schauen hingegen sehr. Was das neue Jahr dem Vinschgau bringen wird, kann niemand genau vorhersagen. Eines zeichnet sich aber ziemlich deutlich ab: das Jahr 2011 dürfte in mehrfacher Hinsicht zu einem Jahr der Weichenstellungen werden. Gleich an mehreren Fronten zeichnet sich eine Wende ab: Energie, Tourismus, ­Nationalpark Stilfserjoch. Zum „autonomiepolitischen Durchbruch“ beim Nationalpark war es bereits kurz vor Weihnachten gekommen: Der Ministerrat in Rom stimmte einer Durchführungsbestimmung zu, wonach der Nationalpark in Zukunft von den Ländern Südtirol und Trentino sowie der Region Lombardei autonom verwaltet wird. Den Vorwurf, die SVP-Parlamentarier seien damit für ihre Stimmenthaltung bei Vertrauensabstimmungen „belohnt“ worden, wies SVP-Obmann Richard Theiner zurück: „Es gibt keinen Grund, uns einen Kuhhandel vorzuwerfen.“ Wie dem auch sei: die Verwaltung des Südtiroler Parkanteils geht an das Land über. Laut Theiner ein historischer Schritt: „Der Erfolg hat viele Väter. Bereits Altlandeshauptmann Silvius Magnago und sein Stellvertreter Alfons Benedikter hatten über Jahre dafür gekämpft, dass der Park, der den Südtirolern unter dem Faschismus aufgedrängt worden war, in heimische Hände zurückgegeben wird. Unter gemeinsamen Anstrengungen haben nun die Parlamentarier, insbesondere die Mitglieder der Zwölferkommission Siegfried Brugger und Karl Zeller, Landeshauptmann Luis Durnwalder und Landesrat Michl Laimer letztendlich etwas erreicht, was viele für schier unmöglich gehalten hatten.“ Das Land habe bereits durch die erfolgreiche Verwaltung seiner Naturparke bewiesen, dass es Schutzgebiete umsichtig verwalten und gestalten kann. Die SVP Vinschgau schrieb: „Ein lang ersehnter Wunsch des SVP-Bezirks Vinschgau ging endlich in Erfüllung.“ Südtirol werde in seinem Parkanteil mit Sicherheit eine nachhaltige und umweltfreundliche Entwicklung des Nationalparks gewährleisten, sagte Bezirksobfrau Roselinde Gunsch Koch. Ihr Stellvertreter Senator Manfred Pinzger erinnerte daran, dass im Sommer 2010 eine Halbierung der staat­lichen Zuschüsse an die Nationalparks vorgenommen worden war. Nun werde das Land Südtirol seinen Teil des Nationalparks finanzieren und autonom verwalten können. „Seit ich im Senat die Anliegen Südtirols vertrete, ist eines meiner Hauptziele, den Stilfserjoch-Nationalpark endlich unserer Bevölkerung näher zu bringen und die Arbeitsverhältnisse des im Dienste des Nationalparks stehenden Personals sicherzustellen,“ so Pinzger. Hand in Hand mit der neuen Zuständigkeit kommt aber auch die Pflicht zum Zahlen nach Südtirol. Die Finanzierung des Nationalparks erfolgt im Rahmen des so genannten Mailänder Abkommens. Die Geldmittel werden dem 100-Millionen-Euro­-Topf entnommen, den das Land jährlich zur Übernahme von Aufgaben des Staates zur Verfügung stellt. 40 der genannten 100 Mio. Euro sind für Projekte und Initiativen in Gemeinden vorgesehen, die an Südtirol angrenzen. In diesem Sinne wird Südtirol auch für den lombardischen Nationalpark-Anteil Geldmittel locker machen müssen. Trotz Dreiteilung des Nationalparks ist noch vieles auf hoher See Wer geglaubt oder gehofft hat, dass mit der Dreiteilung des Nationalparks eine Zulassung der Jagd einhergeht oder dass sich jetzt andere Türen problemlos aufstoßen lassen, wie etwa jene der Nutzung der Wasserkraft im Parkgebiet, hat sich geirrt: Der Nationalpark bleibt weiterhin Nationalpark. Der neue Präsident der Bezirksgemeinschaft Vinschgau, Andreas Tappeiner, sprach bei der Bezirksratssitzung am 23. Dezember zwar von einer „autonomiepolitischen Errungenschaft“, nannte die Dreiteilung aber zugleich „nur“ als „weiteren Schritt der Dezentralisierung“. Tappeiner hofft, dass der Park nun dank der Ablage des „Mantels des faschistischen Einflusses“ mehr Akzeptanz bei den im Park lebenden Menschen findet und der Weg für neue Entwicklungen geebnet wird. Ängste und Befürchtungen - wie sie unter anderem Parkdirektor Wolfgang Platter öffentlich geäußert hat -, wonach der Naturschutzgedanke auf der Strecke bleiben könnte, wertet Tappeiner als nicht gerechtfertigt: „Es gibt viele Natura 2000-Gebiete im Park, die auf EU-Ebene geschützt sind. Niemand braucht Angst zu haben.“ Wichtig für die weitere Entwicklung wird es unter anderem sein, mit wem und wie stark das Land Südtirol bzw. die Parkgemeinden im noch einzusetzenden, 7-köpfigen Koordinierungsgremium vertreten sein werden. Den Präsidenten soll das Gremium selbst wählen. Zur Frage der Wassernutzung gab es laut Tappeiner bereits ein erstes inoffizielles Gespräch mit Landesrat Michl Laimer. Der Landesrat habe erklärt, dass auch in Naturparken des Landes neue Ableitungen für die Stromgewinnung grundsätzlich nicht gestattet sind. Möglich sei dies nur in Ausnahmefällen und Hand in Hand mit Ausgleichmaßnahmen im Umweltbereich. „Zurzeit ist zwar noch alles auf hoher See, die Möglichkeiten aber, auch im Parkgebiet zu umweltverträglichen Wasserableitungen bzw. zur Potenzierung bestehender Ableitungen zu kommen, möchten wir auf jeden Fall ausloten.“ Vorhaben und zum Teil bereits Projekte dazu gibt es mehrere, in Martell etwa, aber auch in den Gemeinden Laas (Tschengls) und Stilfs (Sulden). Diese genannten Parkgemeinden erhoffen sich von einer Wasserkraftnutzung eine dauerhafte Einnahmequelle für die zum Teil recht mageren Gemeindehaushalte. Wie kann das Strom-Verteilernetz übernommen werden? Zu einschneidenden Weichenstellungen dürfte es in absehbarer Zeit auch im Bereich Energie kommen. Konkrete Vorschläge dazu beinhaltet ein Energie-Modell, das in absehbarer Zeit vorgestellt werden soll. „Das Thema Energie beschäftigt uns zurzeit sehr intensiv“, teilte Andreas Tappeiner dem Bezirksrat mit. An der Absicht, nicht mit finanziellen Vergütungen, sondern mit einem direkten Strombezugsrecht, also mit Naturalien, an der Stromproduktion beteiligt zu werden, halten die Vinschger Gemeinden nach wie vor fest. Zumindest der Bedarf müsse mit Strom in natura gedeckt werden können. Die Übernahme des Verteilernetz seitens der Gemeinden bzw. des Vinschgauer Elektrizitätskonsortiums (VEK) sei gewollt und gewünscht, „sinnvoll aber ist eine Verteilung nur dann, wenn wir auch angemessen an der Produktion beteiligt sind und wenn wir den Strom über eine Genossenschaftsmodell verteilen können.“ Nur auf diese Weise könne es gelingen, „die Energiekosten langfristig in den Griff zu bekommen.“ Die Entscheidung über den Rekurs, den die drei Gemeinden Martell, Laas und Latsch über das VEK gegen die Vergabe der Marteller Stauseekonzession an die Hydros GmbH (60 % SEL AG, 40 % Edison) eingebracht haben, dürfte ebenfalls in wenigen Monaten fallen. Ob es im Vorfeld zu einem Kompromiss kommt, mit dem die Vinschger Gemeinden leben können und wollen, bleibt abzuwarten. Im Tourismus liegt noch sehr viel Potential Ein Bereich, den es im Vinschgau - speziell im Obervinschgau - noch stark zu beackern gilt, ist der Fremdenverkehr. Eine eigens eingesetzte Arbeitsgruppe hat in den vergangenen Monaten unter der Federführung des Malser Bürgermeisters Ulrich Veith, seines Zeichens auch Tourismus-Referent im Bezirksausschuss, ein Konzept erarbeitet. „Die darin enthaltenen Vorschläge werden zunächst dem Landesrat Hans Berger und anschließend den Touristikern im Tal und der Öffentlichkeit vorgestellt“, kündigte Veith Ende Dezember 2010 an. Für die Umsetzung des Konzeptes brauche es die Unterstützung der Gemeinden und der Bezirksgemeinschaft. Ohne Anschubfinanzierungen werde sich kaum etwa bewegen lassen. Wie das Konzept im Detail aussieht, ist noch nicht bekannt. Dem derzeitigen Präsidenten des Tourismusverbandes Vinschgau, Karl Pfitscher, war lediglich zu entlocken, dass das Konzept nicht auf einen Zusammenschluss mit dem Bezirk Meran ausgelegt sei. Seine Absicht, im Anschluss an die Vorstellung der Ergebnisse der Arbeitsgruppe als Präsident zurückzutreten, bestätigte Pfitscher dem „Vinschger“ gegenüber. Er hoffe aber, „dass - wenn ich schon gehe - auch andere einsehen, dass es an der Zeit ist, den Hut zu nehmen.“
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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