„Haben eine Watsche kassiert“
SVP Vinschgau analysiert „katastrophales Ergebnis“
SVP Vinschgau analysiert „katastrophales Ergebnis“
„Wenn man sich so einsetzt und es geht alles schief, dann tut das schon weh.“ Albrecht Plangger blickt auf die Wahlniederlage zurück.
Von 51 Prozent auf rund 35 Prozent im Vinschgau: die SVP musste im Tal herbe Verluste hinnehmen.

Wahl-Desaster, Rechts-Koalition

„Abi“ Plangger spricht Klartext.

Publiziert in 1 / 2024 - Erschienen am 16. Januar 2024

SCHLANDERS - Die Landtagswahlen sind Geschichte. Für die Südtiroler Volkspartei (SVP) verliefen diese alles andere als erfolgreich. Im Bezirk Vinschgau spricht man von einem Desaster. Lediglich Sepp Noggler schaffte – trotz größerer Verluste – den Sprung in den Landtag. David Frank und Verena Tröger scheiterten, ließen aber als Newcomer im Vinschgau und auch auf Landesebene aufhorchen. Mittlerweile steht die Regierungsmehrheit: Eine Koalition zwischen der SVP, den Fratelli d’Italia, der Lega, der Lista Civica und den Freiheitlichen. Hierfür gab es viel Kritik. Der Vinschger SVP-Bezirksobmann Albrecht „Abi“ Plangger verteidigt die Entscheidung. Zu Beginn des neuen Jahres stand er dem der Vinschger in einem ausführlichen Interview Rede und Antwort.

der Vinschger: Die Wahlanalyse ist gemacht. Wie blicken Sie mit einigen Wochen Abstand auf die Wahlen zurück?
Albrecht Plangger: Das Ergebnis ist enttäuschend und katastrophal. Wir „wünschten“ uns mindestens zwei Vertreter/innen im Landtag, um auch Anspruch auf einen Platz in der Landesregierung erheben zu können. Wir sind dagegen von 51 Prozent, die wir im Vinschgau 2018 noch hatten, auf 35 Prozent runter. Zumindest haben wir das Mindestwahlziel, sprich ein Mandat, mit Sepp Noggler noch mit Ach und Krach geschafft. Wir haben nun wiederum mit ihm den einzigen Vinschger im Landtag und mit 35 Prozent durchaus einen Wählerauftrag. Dies ist zumindest – gegenüber unserer Konkurrenz – ein kleiner Trost. Nun gilt es weiterzuarbeiten und nach vorne zu schauen.

Was war ausschlaggebend?
Wir in der Peripherie haben auch den Frust abbekommen, der sich gegenüber Bozen und die Landesregierung angesiedelt hat. Wir mussten die Streitereien, die in Bozen waren und die Skandale, in die wir nie involviert waren, mitausfressen. Wir haben eine Watsche kassiert. In Sachen Wahlkampf können wir uns nicht ganz viel vorwerfen. Wir haben einen guten Wahlkampf geführt und hatten durch die Unterstützung vieler Wirtschaftstreibender im Vinschgau auch etwas mehr Mittel für Werbung und sonstige Wahlinitiativen zur Verfügung. Als Bezirkspartei haben wir immer – in erster Linie zusammen mit unseren Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen – auf Sachpolitk gesetzt.  Wir waren in allen Gemeinden, haben Veranstaltungen gemacht, mit den Menschen gesprochen, flächendeckend. Aber es gibt sicherlich auch andere Gründe, die Einfluss hatten auf das Ergebnis: z.B. drei statt nur zwei Kandidaten/innen oder den Wahlkampf zu spät begonnen zu haben, sodass unsere zwei Neuen zu wenig bekannt wurden. Oder das Fehlen eines Spitzenkandidaten – oder einer Spitzenkandidatin, oder eines ganz besonderen  Vinschger Wahlkampfthemas, welches mehr Wähler hinter dieses Thema geschart hätte, wie bei anderen Wahlgängen das Thema Energie. Vielleicht hätte man aber bei der Kandidatenkür auf jeden Fall Vorwahlen unter allen Vinschgern machen sollen und diese somit in die Auswahl miteinbeziehen. Diese Fragen werden auch parteiintern unterschiedlich beurteilt, sollen aber für zukünftige Wahlen im Bezirk thematisiert werden.  

Haben die Vinschger diesmal auch die Vinschger Kandidaten gewählt?
An der Vinschger SVP-Wählerschaft lag es nicht. Die 7.000 SVP-Wählenden haben 2023 in etwa gleichviel Vorzugsstimmen (> 10.000) für unsere drei Bezirkskandidaten/innen generiert als im Jahr 2018 die damals 10.000 SVP-Wählenden und waren daher patriotischer. Über vier von zehn, bzw. fast 45 Prozent, haben einen Vinschger Kandidaten gewählt. Da konnten wir landesweit betrachtet nach dem Wipptaler Kandidaten Christian Egartner mit 67 Prozent und  Peter Brunner in Brixen mit 60 Prozent prozentuell die meisten Stimmen aus dem Bezirk bei unseren drei Kandidaten halten. Es fehlt einfach insgesamt an Stimmen. Wir haben rund 3.000 Stimmen verloren. Die Partei wurde abgestraft. Die Botschaft ist aber sehr wohl angekommen. Wir müssen diese Wähler/innen mit guter und konsequenter Sachpolitik unbedingt wieder zurückgewinnen und es nun vor allem in der Landespolitik besser machen. Unsere Bürgermeister/innen machen – aus meiner Sicht – eine sehr gute Arbeit. Somit besteht Hoffnung, dass auch die Arbeit der Bezirkspartei wieder an Vertrauen gewinnen kann.

Auch Sepp Noggler persönlich hat Stimmen verloren. Ohne die Unterstützung der Bauern außerhalb des Vinschgaus würde der Bezirk wohl ohne Landtagsabgeordneten dastehen.
Das zeigt schmerzlich, dass wir Vinschger SVP Wähler niemanden mehr aus eigener Kraft in den Landtag bekommen. Auch nicht mit einer Zustimmung im Bezirk von über 60 Prozent wie z.B: der durch Vorwahlen ermittelte einzige Kandidat im Wipptal. Es müssen wieder deutlich mehr Vinschger der Bezirkspartei das Vertrauen schenken. Ohne Hilfe von außen geht es sowieso nicht. Nun müssen wir schauen, vielleicht ein neues Wahlgesetz zu bekommen, welches den Kleinbezirken Wipptal, Unterland und Vinschgau eine Vertretung im Landtag garantiert.  

Wie sollte ein solches aussehen?
Der beste Kandidat im Vinschgau bzw. im jeweiligen Bezirk soll fix einen Platz erhalten. Das Wipptal schaut schon jetzt durch die Finger, das Unterland auch. Die kleineren Bezirke werden künftig vermehrt leer ausgehen. Natürlich liegt ein solches neues Wahlgesetz nicht im Interesse der großen Bezirke. Aber es muss im Interesse des Landes liegen und das Gesamtinteresse der Partei sein. Anspruch der Volkspartei ist es schließlich, als Sammelpartei das ganze Land zu vertreten. Die jeweiligen Kandidaten aus den Bezirken kennen sich am besten aus mit den Bedingungen vor Ort. Es wäre natürlich ein langer schwieriger Weg, deshalb muss man ein neues Wahlgesetz so schnell wie möglich angehen, am besten noch in diesem Jahr.

Wie erlebten Sie persönlich das Wahl-Desaster?
Es war eine große Enttäuschung. Ich habe mein Bestes im Wahlkampf gegeben.  Ich habe versucht, die richtige Strategie zu finden. Das Ergebnis ist für mich aber eine riesige Niederlage. Wir hatten drei gute Kandidaten/innen und ich hoffe fest, dass uns die Kandidatin Verena Tröger und der Jugendkandidat David Frank in der Vinschger Politik erhalten bleiben und wir auf dieser Basis aufbauen können.

Gibt es Ihrerseits Rücktrittsgedanken?
Natürlich gibt es die. Auch ist es schwierig, wieder die Motivation zu finden. Wenn man sich so einsetzt und es geht alles schief, dann tut das schon weh. Aber wir haben eine ausgiebige Analyse gemacht und es ist nicht so, dass nun das große Köpferollen vonstattengehen müsste.Wir haben nicht alles falsch gemacht, sonst wäre der Vinschgau jetzt wie die anderen Kleinbezirke auch ein weißer Fleck auf der politischen Landkarte. Im Februar finden Parteiwahlen auf Landesebene statt, dann wird man weiterschauen. Womöglich stellt sich da auch die Partei neu auf. Wenn junge Kräfte bereit sind und diese etwas machen wollen, bin ich der letzte, der im Wege stehen will. Aber nun lassen wir mal die Parteiwahlen stattfinden, und dann werden wir auch im Vinschgau reden, wie es in Sachen Programm und Personalien weitergeht. Schließlich dauert es auch nicht mehr ganz lange bis zu den Gemeinderatswahlen.

Die Gemeinderatswahlen stehen im nächsten Jahr an. Was haben sie sich für diese vorgenommen?
Sie werden eine Herausforderung. Wir sind nicht alleine unterwegs. Das Ziel ist es, 12 Bürgermeister/innen im Vinschgau zu halten, bestenfalls den 13. zurückzugewinnen. Das wird nicht einfach. Es werden aber schon wieder bessere Zeiten kommen - für eine Regierungspartei, wie es nun mal die SVP seit jeher ist. Auch eine Niederlage muss man durchstehen. Irgendwann geht es sicher wieder aufwärts, solange wir von unserer Arbeit für das Tal und die Leute überzeugt sind und versuchen, uns um alle Probleme zu kümmern und den Vinschgau vorwärts zu bringen.  

Die Süd-Tiroler Freiheit erreichte 20 Prozent, in einigen Vinschger Gemeinden kam sie nahe an die SVP heran. Haben Sie Angst, dass die STF in der ein oder anderen Gemeinde stärkste Kraft wird?
Angst nicht, aber natürlich muss man sich innerhalb der Vinschger SVP im Vorfeld der Gemeinderatswahlen zusammensetzen, Fehler der letzten Jahre nochmals analysieren und schauen, was man besser machen kann und wie man mit guter und konsequenter Sachpolitik dagegenhalten kann.

Warum war Ihrer Meinung nach der Wahlkampf der STF und auch von Jürgen Wirth Anderlan so erfolgreich?
Sie haben augenscheinlich eine andere Politik und einen effizienteren Wahlkampf gemacht und haben – aus meiner Sicht – viele Ängste geschürt. Wir haben vor allem auf Sachthemen gesetzt und vielleicht auch die sozialen Medien etwas vernachlässigt und somit die Jugend allein mit den klassischen Wahlversammlungen in allen Gemeinden nicht so sehr angesprochen. In unseren 13 Wahlveranstaltungen gab es nur zwei Wortmeldungen zum Thema Sicherheit und die Ausländerproblematik. Daher blieb unser Fokus auf Sachthemen im Vinschgau. Im Nachhinein ein grober Fehler.

Kann es sein, dass die SVP im Vinschgau den konservativen und Mitte-rechts-Flügel zu sehr außen vorlässt?
Das glaube ich nicht, als Regierungspartei im Lande und mit unseren 12 Bürgermeister/innen machen wir eben in erster Linie Sachpolitik und weniger Volkstumspolitik für eine Doppelstaatsbürgerschaft oder ausländerfreie Gemeinden. Unsere vorrangigen Themen im Vinschgau sind nun mal der Verkehr, das Krankenhaus, der Nationalpark und auch Wolf und Bär. Bildung, Schülerheim etc., das sind Sachen, um die wir uns kümmern müssen und im Wahlkampf gekümmert haben. Im Wahlkampf scheinen die Sachthemen weniger Anklang gefunden zu haben. Das nehmen wir schmerzlich zur Kenntnis und werden daraus sicher unsere Lehren ziehen.

Die Sicherheit ist wohl durchaus ein Thema, welches auch der Vinschger Bevölkerung am Herzen liegt. Die zahlreichen Einbrüche sind Fakt. Wie stehen Sie dazu?  
Die Kompetenzen liegen größtenteils nicht beim Land Südtirol. Wo es geht, versucht man aber natürlich etwas zu tun. Die bezirksweite Zusammenarbeit und Aufwertung der Ortspolizei im Bereich der Sicherheit etwa ist ein wichtiger Schritt.  Sicherlich würde uns auch etwas mehr Polizeipräsenz nicht schaden. Auch hier hätten wir Vorschläge. Ca. 500 Staatspolizisten gibt es im Lande, im Vinschgau – auf einem Fünftel der Landesfläche – jedoch nur sieben. Wenn das Personal und somit auch die polizeilichen Dienste der Staatspolizei in Mals entsprechend aufgestockt werden könnten, wäre das für den ganzen Bezirk gut. Die Infrastrukturen und der Platz wären schließlich da. Das sind schon mal zwei konkrete Punkte und Vorschläge in Sachen Sicherheit, Ortspolizei und Aufwertung der Quästur in Mals.

Die SVP ist mit den Fratelli d’Italia, der Lega, der Lista Civica und den Freiheitlichen eine Koalition eingegangen. Für diese Regierungsmehrheit gibt es viel Kritik.
Ich habe dafür gestimmt. Für mich war immer klar, die Italiener haben Mitte-rechts gewählt und wenn man mit den Italienern im Lande auf gleicher Augenhöhe reden und zu einem Ergebnis kommen will, dann muss man zuerst mit den vier Mitte-rechts-Gewählten und nicht mit dem einzigen Mitte-links Gewählten reden. Man hätte mit diesem Wahlergebnis nicht den PD (Partito Democratico) in eine Koalition holen können. Sicher hätte man darüber diskutieren können, ob man das Team K statt der Freiheitlichen mitreinnimmt. Ich habe in der geheimen Abstimmung für die Freiheitlichen gestimmt, das kann ich auch offen und ehrlich sagen. Ich denke, so haben wir eine stabilere Regierung und die Programme lassen sich leichter umsetzen. Beim Team K mit vier Mandataren wäre es – aus meiner Sicht – schwieriger alle „auf Linie zu halten“.

Vor allem die Zusammenarbeit mit den Fratelli d’Italia sorgte auch bei einigen innerhalb der SVP für Kopfschütteln. Viele stufen diese als postfaschistisch ein und sehen hier eine konkrete Gefahr für Südtirol. Wie entgegnen Sie solchen Stimmen?
Man sollte pragmatisch sein und schon in erster Linien die gewählten Persönlichkeiten beurteilen, nicht allzu sehr die Partei. Es war aber eine wichtige und richtige Entscheidung, auch nach Rom zu schauen. Und in der Hauptstadt regieren nun mal die Fratelli d’Italia. Wenn man autonomiepolitisch etwas bewirken will, dann war dies die einzig sinnvolle Option. Unser Landeshauptmann ist zur Zeit eine Art Sprecher aller Sonderautonomien und  aus dieser Rolle gilt es natürlich etwas Gescheites für Südtirol zu machen. Wenn er hier in Opposition gehen würde, könnte er das gleich lassen. Er muss mit ihnen reden. Man muss immer mit allen reden. Und wie es aussieht, lassen die Regierungspartei und insbesondere Giorgia Meloni mit sich reden.

Die Geschichte der italienischen Rechtspartei stört dabei nicht?
Die Italiener sind wechselhaft. Ich sehe in ihnen und ihrer Wählerschaft nicht unbedingt die postfaschistische Partei. Man hat hier Leute vor sich, die nicht diese Vergangenheit haben, geschweige denn, diese Vergangenheit leben. Viele, die jetzt für die Fratelli im Parlament sitzen, haben auch politisch eine andere Vergangenheit, waren bei der Lega oder Forza Italia. Zurzeit weht der Wind in Europa nach rechts und viele sind auf diesen Zug einfach nur aufgesprungen. Sie sehen in der Politik der Fratelli eine zukunftsfähige Politik. Man muss dies schon alles differenziert betrachten. Und übrigens bildet immer noch die SVP die Regierung und nicht umgekehrt. Man kann sich auch andere Mehrheiten beschaffen, wenn man mit der aktuellen keine gute Politik machen kann.

Michael Andres
Michael Andres
Vinschger Sonderausgabe

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