Krankenhaus muss attraktiv bleiben
Der Bettentrakt wird Schritt für Schritt erneuert.

„Weitere Ausdünnung in der Peripherie stoppen“

Publiziert in 10 / 2013 - Erschienen am 20. März 2013
Anton Theiner, der ärztliche Leiter des Krankenhauses Schlanders, hat ­klare und mutige Ansichten, um den Standort „Krankenhaus Schlanders“ zu ­sichern. Es geht dabei nicht ausschließlich um die gesundheitliche Betreuung. der Vinschger: Herr Theiner, der Weiterbestand der so genannten kleinen Krankenhäuser in Südtirol wird seit Jahren mehr oder weniger regelmäßig in Frage gestellt. Sehen Sie den Erhalt des Krankenhauses Schlanders, dem Sie als ärztlicher Leiter vorstehen, kurzfristig oder auch auf längere Sicht in Gefahr? Anton Theiner: Es wäre wohl nicht sinnvoll, wenn man in einem so weitläufigen Tal wie dem Vinschgau den Leuten keine Krankenhausbetreuung mehr anbieten würde. Zudem ist unser Einzugsgebiet, wenn man nur die Einwohner der Bezirksgemeinschaft hernimmt, mit ca. 36.000 Menschen größer als jenes der beiden anderen Grundversorgungskrankenhäuser zusammen. Für die Strecke von Meran bis zur Grenze am Reschen, sie entspricht mit rund 80 Kilometern ungefähr jener von Bozen bis zum Brenner, braucht man fast eineinhalb Stunden Fahrtzeit. Bei uns wäre nur mehr ein Spital und das läge dann am Beginn der Strecke. Die Geografie hier ist eine ganz andere. Das ständige Infragestellen wirkt sich natürlich aus: Es wird immer schwerer, ärztliches Personal für unser Krankenhaus zu finden. Erst vor kurzem haben uns zwei junge Kolleginnen wieder verlassen. Der Neubau des Krankenhauses in Schlanders hat riesige Summen an Steuergeld verschlungen. Mit wie vielen Primariaten, Abteilungen und Diensten ist das Krankenhaus derzeit bestückt? Es ist nun einmal so, dass gemeinnützige Einrichtungen mit Steuergeldern finanziert werden. Auch andere öffentliche Projekte, über deren Gemeinnützigkeit diskutiert werden kann, wurden und werden mit Steuergeldern finanziert. Seit der Gründung des Krankenhauses 1958 wurden bis auf einige Erweiterungen am Bettentrakt in den 70 Jahren kaum wesentliche Umbauarbeiten getätigt, vor allem nicht in den Kernanteilen des Krankenhauses. Untersuchungs- und Behandlungsbereich waren schon lange nicht mehr zeitgerecht. Mehrere Dienste, wie die Physiotherapie, die Dialyse und einige andere waren im Ort verstreut und nur behelfsmäßig eingerichtet. Besonders in der Operationsabteilung ist seit 1958 bis zur ­vorübergehenden Containerlösung Ende der 90 Jahre keine Modernisierung mehr erfolgt. Andere Krankenhäuser im Lande haben in dieser Zeit die OP’s bereits mehrmals renoviert. Zurzeit haben wir Primariate in den Abteilungen Medizin, Chirurgie, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Anästhesie und Kinderheilkunde. Entsprechend den Auflagen der klinischen Reform haben wir die Kinder- und Geburtenabteilung im Mutter- Kind- Bereich zusammengefasst, und in Zukunft soll sich die Unterbringung weniger an den Fachdisziplinen, sondern insgesamt an der Pflegeintensität orientieren. Welche Abteilungen bzw. Dienste wurden in den vergangenen Jahren geschlossen oder ausgelagert? Jahrzehntelang verfügten wir über eine Krankenhausapotheke. Diese wurde in den 90er Jahren geschlossen. An Werktagen erfolgt die Versorgung nun täglich durch die Apotheke des Krankenhauses von Meran. Die Wäscherei wurde ebenfalls geschlossen. Zunächst wurde sie nach Meran ausgelagert. Jetzt wird unsere Wäsche in Lodi in der Lombardei gewaschen. Die Qualität hat allerdings nachgelassen. In der Zukunft soll, wie man hört, in Südtirol eine Großanlage ent­stehen und hier gewaschen werden. Im Labor wurden einige Leistungen zentralisiert. Im Rahmen der 50-Jahrfeier des Krankenhauses im Jahr 2008 wurde angekündigt, dass das Primariat für Radiologie nicht mehr besetzt wird. Ist zu befürchten, dass künftig weitere Dienste nicht mehr angeboten werden? Es ist zu hoffen, dass die Kinderabteilung nicht auch dasselbe Schicksal erleiden wird. Kinderärzte für die peripheren Spitäler sind sehr schwer zu finden, nicht nur bei uns im Vinschgau und in Südtirol. Diese Fachärzte nehmen lieber, auch aus Gründen der besseren eigenen Lebensqualität, eine Stelle als Sprengelkinderarzt an oder arbeiten in der Stadt. Das Primariat bedeutet ein gewisses Maß an Eigenständigkeit, weniger Fremdbestimmung und die Möglichkeit „auf Augenhöhe“ - diesen Ausdruck verwenden auch unsere lokalen Vertreter der Strom- und Wasserwirtschaft - verhandeln zu können. Gleichzeitig bedeutet es auch einen Anreiz für einen Arzt, in die Peripherie zu gehen und eine extrem arbeitsreiche Stelle zu übernehmen. Zurzeit haben wir mit Helmuth Egger einen sehr guten und engagierten Kinderarzt. Der Landesrat und die lokalen Politiker sind informiert. Ich bin zuversichtlich, dass sie die ca. 3.000 bis 4.000 Vinschger Kinder nicht im Stich lassen werden und dass das Primariat der Kinderabteilung erhalten bleibt. Landesrat Richard Theiner sagte unlängst auf Anfrage, dass die von Rom verordnete Kürzung der Betten in der Planung des Neubaus des Bettentraktes in Schlanders bereits berücksichtigt worden ist. Wie viele Betten gab es bisher und wie viele werden es künftig sein? Wir haben zurzeit 97 Akutbetten, 6 tagesklinische Betten, 6 Säuglingsbetten 5 Beobachtungs­betten, 8 Dialysebetten, 4 Betten in der Zentralen Überwachungseinheit und 8 postakute Betten. Im Zuge des schon seit Jahren überfälligen Umbaues im Bettentrakt, der demnächst beginnen soll, werden wir je nach Bauphase im Akutbereich eine Reduktion des Bettenangebotes haben, die aus baulichen Gründen vorübergehend drastischer sein wird, als die von Rom verordnete Kürzung. Deshalb ist zu hoffen, dass die Bauzeit möglichst kurz gehalten wird. In den kommenden Jahren kommt eine große Herausforderung und Belastung auf unsere Patienten und das Krankenhauspersonal zu. Die Unterstützung durch die Verantwortlichen im Krankenhaus Meran und die enge Abstimmung mit den Senioren- und Pflegeheimen im Vinschgau sind unbedingt notwendig. Nach Abschluss der Arbeiten soll dann beim Bettenangebot, wie es Landesrat Richard Theiner versprochen hat, mit einer ­akzeptablen Reduktion gerechnet werden können. Bis wann wird der neue Bettentrakt zur Verfügung stehen? Für die Umbauarbeiten sind 1.000 Arbeitstage veranschlagt. Wie stark ist der Rückhalt der Politiker im Vinschgau und auf Landesebene für den Erhalt des peripheren Krankenhauses in Schlanders? Es wird vielleicht medial nicht so stark kolportiert wie in anderen Landesteilen, aber auch unsere Politiker zeigen deutlich, dass sie zu ihrem Krankenhaus stehen und sich dafür einsetzen. Es gibt immer wieder Ge­spräche mit dem Landesrat und mit Ressortdirektor Florian Zerzer, aber auch mit Dieter Pinggera, Andreas Tappeiner sowie den übrigen Bürgermeistern im Tal. Zunehmend kann man feststellen, dass das Krankenhaus nicht nur als wichtige Einrichtung in der Gesundheitsversorgung betrachtet wird, sondern auch in seiner Bedeutung als volkswirtschaftliche Wertschöpfung für unser Heimattal erkannt wird. Es gilt, Fachkompetenz im Tal zu halten und der Abwanderung entgegenzutreten. Das Schlanderser Krankenhaus ist eines von jenen, in denen in Zukunft keine Krebsoperationen mehr durchgeführt werden sollen. Wie viele Operationen dieser Art fallen in Schlanders derzeit an? Verlieren das Krankenhaus und die Patienten hier nicht einen wichtigen Dienst vor Ort? Es ist für einen Chirurgen, der sich jahrzehntelang mit dieser Sparte beschäftigt und sich fortgebildet hat und plötzlich keine solchen Operationen mehr durchführen darf, besonders schmerzlich. Bereits seit einigen Jahren besteht eine gesundheitsbezirksinterne Regelung darüber, welche Tumore hier operiert werden können und welche nicht. Es ist nicht so, dass unser chirurgischer Primar am 1.01.2014 seine chirurgischen Fähigkeiten verlernt hat, wenn er ab dann bestimmte Opera­tionen nicht mehr machen darf. Es ist bereits heute oft extrem schwierig, auch diffizile Fälle an die zentralen Krankenhäuser zu überweisen, da bestimmte Einrichtungen „überbeansprucht“ sind. Die Qualität eines Systems in der Gesundheitsversorgung ist auch an seiner Erreichbarkeit für den Bürger zu messen. Die Zukunft wird zeigen, ob das Versorgungssystem besonders für die älteren Mitbürger erreichbar bleibt, bevor es zu spät ist, und ob der eingeschlagene Weg richtig war. Anfang der 60er Jahre wurde die Überetschbahn aufgelassen. Wie froh wäre man heute, wenn man sie noch hätte! Wir werden uns in der Zukunft neu orientieren und Schwerpunkte schaffen müssen. Hier erwarten wir die Unterstützung der öffentlichen Verwaltung und der Politik. Im Raum Bozen-Meran besteht auf relativ engem Raum - die beiden Krankenhäuser sind durch die Mebo ja nur mehr 15 bis 20 Minuten voneinander entfernt - eine breite, zum Teil auch mehrgleisige Konzentration in einigen Fachdisziplinen. Eine gute Möglichkeit wäre, chirurgische Fächer aus den vorgenetzten Krankenhäusern zu uns auszulagern. Wir könnten dann mit diesem Angebot über die Staatsgrenzen hinaus punkten. Wie schwer ist es, junge und ­spezialisierte Ärzte für ein „Krankenhaus auf dem Land“ zu finden und zu verpflichten? Die ständige Diskussion über das Weiterbestehen des Krankenhauses ist für eine Personalfindung­ ­sicher nicht dienlich. Bei uns muss der junge Kollege häufiger Dienst Leisten. Zudem ergibt sich hier nicht das Freizeitangebot wie in der Stadt. Andererseits kann man im kleineren Spital viel lernen, weil man öfter und unmittelbarer gefordert wird. Bei so manchen Diskussionen unter Wirtschaftsleuten - und nicht nur - fällt nicht selten die Aussage: Das Krankenhaus Schlanders ist ein aufgeblähter Apparat. Die Kritik bezieht sich nicht zuletzt auf den Personalstand. Wie hoch ist dieser derzeit? Sind Kürzungen in diesem Bereich vorgesehen? Der Sanitätsbetrieb ist im Vinschgau der zweitwichtigste Arbeitgeber und dies dürfen wir nicht vergessen. Wir haben 200 Vollzeit-Bedienstete, 111 Teilzeit-Bedienstete zu 75% und 163 Teilzeit-Bedienstete zu 50%. Dies zeigt eine deutliche Familien- und Frauenorientierung des Betriebes. Es gibt kaum wo anders einen so hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigung. Unser Personalstand kann, wenn man die Vollzeitäquivalente betrachtet, etwa mit jenem im Bezirkskrankenhaus Reutte in Nordtirol verglichen werden. Dort hat das Krankenhaus ein etwas kleineres Einzugsgebiet als wir es haben und verfügt über einen etwas geringeren Anteil an nicht ärztlichem Personal. Die Zahl an Krankenhausärzten ist jedoch fast doppelt so hoch als bei uns. Bestimmte Dienste mussten bei uns im Rahmen des „spending review“ intern neu organisiert und gestrafft werden. Beim Reinigungspersonal etwa wurden bereits Verträge aufgelassen. In anderen Krankenhäusern Südtirols wurde dieser Dienst seit längerer Zeit, aber nicht immer im Sinne einer besseren Qualität, nach außen abgegeben. Ich hoffe, dass dies bei uns nicht erfolgt, da unser Krankenhaus weiter seine wichtige Funktion als Arbeitgeber für die lokale Bevölkerung erfüllen soll. Dies kommt dann wieder in mehrfacher Hinsicht der lokalen Wirtschaft zu gute und bremst gleichzeitig die Abwanderung in die Ballungszentren. Ein anderer „Sager“, den man ebenfalls zu hören bekommt, lautet: Wenn mir wirklich etwas fehlt, bringt mich bitte nicht in das Krankenhaus nach Schlanders! Ist das nur ein reines Vorurteil? Zu Ihrer Frage fällt mir der Vergleich des Propheten im eigenen Dorf ein, der nichts wert ist. Zum Glück überwiegen die positiven Rückmeldungen. Auch die objektiven, gezielten, statistischen Untersuchungen zur Patientenzufriedenheit bescheinigen uns durchaus sehr gute Bewertungsurteile auf insgesamt hohem ­Niveau. Auffällig ist auch, dass uns Patienten außerhalb des Vinschgaus und Touristen mit einem höheren Zufriedenheitsgrad beurteilen als Einheimische. Natürlich ist vieles verbesserungswürdig und wir sind bemüht, dem auch nachzukommen. Die Beurteilungen über die Bewertungsbögen nehmen wir sehr ernst. Das Krankenhaus in Schlanders ist in erster Linie für die Vinschger Bevölkerung gedacht. Mit dem Projekt der Gelenksprothetik, das Landesrat Theiner initiiert hat, wurde eine Weichenstellung gesetzt, da nunmehr Patienten aus anderen Landesteilen auf unsere Dienste zurückgreifen. Dieser Bereich sollte schwerpunktmäßig weiter ausgebaut werden. Zu beobachten ist in den letzten Jahren ein steigender Patientenfluss aus dem unteren Vinschgau zu uns, einer Gegend, wo die Menschen traditionellerweise in von uns aus weiter südlich gelegene Krankenhäuser gehen. Wie bekommt das Krankenhaus Schlanders bestimmte Zentralisierungen zu spüren oder anders gefragt: Kann und darf man zum Beispiel bei der Beschaffung von Lebensmitteln und anderen Gütern auf örtliche Angebote oder Dienste zurückgreifen? Für die Beschaffung von Lebensmitteln und Gütern sieht der Gesetzgeber eigene Vorschriften und Regeln vor, aber soweit es diese erlauben, wird auf einheimische Angebote und Dienste zurückgegriffen. Die Ankäufe müssen über eine zentrale Vergabestelle erfolgen. Hier könnte Ihnen allerdings der Verwaltungsleiter eine bessere Auskunft geben. Soweit ich informiert bin, ist eine Agentur in Südtirol im Aufbau, die als landesweite „Einkaufszentrale“ für Güter und Dienstleistungen der öffentlichen Einrichtungen kostensparend fungieren soll. Was ist konkret zu tun, um den Fortbestand des Schlanderser Krankenhauses zu gewährleisten? Ganz wichtig ist es, Sicherheit zu erreichen, Sicherheit, dass der Standort „Krankenhaus Schlanders“ für junge Ärztinnen und Ärzte attraktiv bleiben kann. Dies kann nur geschehen, wenn man eine weitere Ausdünnung des medizinischen Angebotes in der Peripherie stoppt. Bestimmte Operationen, für die es zentral große Wartezeiten gibt, könnten ohne weiteres hierher ausgelagert werden. Ein noch stärkerer Schwerpunkt könnte auf die Chirurgie des Bewegungsapparates gelegt werden, sprich Orthopädie und Unfallchirurgie.Auch könnten, wie zuvor schon angedeutet, einzelne Abteilungen, die weiter südlich im Lande in den Krankenhäusern auf relativ engem Raum mehrfach bestehen, in unser Krankenhaus umsiedeln. Unsere Vorschläge liegen den Verantwortlichen vor. Eine zu starke Zentralisierung, die von einigen Kräften ausgeht, könnte sich auf längere Sicht äußerst ­lähmend und negativ für die Menschen im Vinschgau und auf das Bestehen ihres Krankenhauses auswirken. Viele Entscheidungen sollten dort getroffen werden können, wo sie sich unmittelbar auswirken. Eine steigende Fremdbestimmung macht es immer schwerer, Verantwortung zu übernehmen. Es liegt in der Verantwortung der öffentlichen Verwaltung, der Politik und in der Führung des Sanitätsbetriebes, uns in den aufgezeigten Vorhaben zu unterstützen und eine positive Entwicklung zuzulassen. Ich bin zuversichtlich, dass das Spital im Vinschgau diese Unterstützung auch erhält. Interview: Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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