HOPPE baut Stellen ab
Christoph Hoppe

„Werden um Stellenabbau wahrscheinlich nicht herumkommen“

Publiziert in 16 / 2009 - Erschienen am 29. April 2009
Müstair – Erst in Krisenzeiten wie den jetzigen wird vielen bewusst, wie wertvoll ein sicherer Arbeitsplatz ist. Wenn Firmen und Betriebe in Schwierigkeiten geraten, stehen immer auch Arbeitsplätze auf dem Spiel. Auch wenn nur eine einzige Person den Job verliert, zieht das schnell Kreise: Wie soll der Entlassene seine ­Familie ernähern? Wie soll er sein Wohnbaudarlehen zurückzahlen? Wie soll er den Kindern das Studium finanzieren? Was derzeit nicht nur die Politiker im Vinschgau und darüber hinaus interessiert, sondern in erster Linie die (immer noch) über 900 Mitarbeiter, welche das Schweizer Unternehmen HOPPE (Beschlag­systeme für Fenster und Türen) in seinen Werken in Schluderns, Laas und St. Martin in Passeier beschäftigt, ist die Frage: Hält der „Fels“ HOPPE der Brandung der Weltwirtschaftskrise weiterhin stand? „Der Vinschger“ hat am 21. April bei Christoph Hoppe, der die HOPPE zusammen mit seinem Bruder Wolf leitet, nachgefragt. „Der Vinschger“: Herr ­Christoph Hoppe, in einem Interview im Oktober 2008 sagten Sie unserer Zeitung: „Wer in der heutigen Zeit mit Aussagen zur langfristigen Entwicklung der Wirtschaft aufwartet, den halte ich für unseriös.“ Kam es doch dicker als angenommen? Christoph Hoppe: Meine Aussage von damals ist nach wie vor richtig und ich stehe auch heute noch dazu. Dass es dicker kam als angenommen, ist leider wahr. Mit einem derart massiven und gravierenden Einbruch hatten wir nicht gerechnet. Prognostizierten wir vor rund einem halben Jahr noch einen Umsatzrückgang im Ausmaß von 5 bis 10 Prozent, so ist der Rückgang im Jahr 2009 deutlich höher ausgefallen. Vor 6 Monaten glaubte die HOPPE-Gruppe noch, dass sich die Lage Ende 2009 ­bessern könnte. Glauben Sie das noch immer? Christoph Hoppe: Im Prinzip ja, allerdings mussten be­ziehungsweise müssen wir unsere Erwartungen von damals deutlich zurückschrauben. Wir rechnen damit, dass wir gegen Ende des laufenden Arbeitsjahres einen leichten Anstieg des Umsatzes haben werden und im nächsten Jahr eine leichte Stabilisierung, wobei wir allerdings deutlich unter dem Niveau des Jahres 2008 und noch deutlicher unter dem des Jahres 2007 bleiben werden. Welches sind die konkreten Faktoren, aufgrund derer HOPPE sich derzeit auf dem Weltmarkt schwer tut, obwohl HOPPE dank der Breite der Produkte und Materialien ­eigentlich keinen ebenbürtigen Konkurrenten hat? Christoph Hoppe: Der Hauptgrund ist der weltweite Einbruch der Baukonjunktur. In Amerika, einem unserer wichtigsten Absatzländer, ist die Baukonjunktur komplett zusammengebrochen. Aber auch in Europa sieht es in manchen Ländern sehr schlimm aus. Ich nenne etwa Spanien, wo die Baugenehmigungen in kurzer Zeit um zwei Drittel zurückgegangen sind. Stark getroffen hat uns als HOPPE auch die drastische Abwertung des britischen Pfund. Großbritannien gehört zu unseren Hauptmärkten; erfährt die britische Währung eine solche Abwertung, schlägt sich das bei uns sofort in Einbußen in Millionenhöhe nieder. Die Rohstoffpreise sind aber wieder etwas gesunken. Christoph Hoppe: Das stimmt und hilft uns tendenziell zwar etwas weiter, Sie dürfen aber nicht vergessen, dass der Druck der Produktabnehmer, wie zum Beispiel der Großhandel, auf eine Preissenkung sofort enorm steigt, wenn die Rohstoffe auch nur geringführig billiger werden. Ist Ihre Hoffnung, die schweren Zeiten mit Schließtagen und Kurzarbeit zu überbrücken, noch aufrecht oder wird es Entlassungen geben? Christoph Hoppe: Schließtage und Kurzarbeit sind Mittel, um kurzfristige Wirtschaftskrisen zu überbrücken. Bei Krisen, wie wir sie derzeit erleben, reichen solche Mittel aber nicht mehr aus. HOPPE wird um Entlassungen wahrscheinlich nicht herumkommen. Im Herbst 2008 beschäftigte HOPPE 347 Mitarbeiter in Schluderns, 303 in Laas und 321 in St. Martin. Sind diese Zahlen immer noch aktuell? Christoph Hoppe: In Schluderns belief sich die Zahl der Beschäftigten zum Stichtag 1. April 2009 auf 327, in Laas auf 289 und in St. Martin auf 307. Das sind fast 50 Arbeiter weniger als im Oktober 2008. Wurden diese Stellen bereits abgebaut? Christoph Hoppe: Nein, wir haben bis jetzt noch niemanden entlassen müssen. Die Verringerung der Zahl der Mitarbeiter erfolgte im Rahmen der so genannten natürlichen Fluktuation: frei­willige Abgänge, keine Nachbesetzungen, keine Verlängerung befristeter Arbeitsverträge. Irgendwann wird die Fluk­tuation aber erschöpft sein. Christoph Hoppe: Wenn die Fluktuation nicht ausreicht, werden wir wahrscheinlich Stellen abbauen müssen. Können Sie in etwa sagen, wie viele das sein werden? Christoph Hoppe: Konkrete Zahlen kann und will ich derzeit nicht nennen. Wir hoffen jedenfalls, dass es auch langfristig nicht mehr als 15 bis 20 Prozent sein müssen. Ist eine Auflassung von ­HOPPE-Werken in Südtirol nach wie vor kein Thema? Christoph Hoppe: Nein, eine Auflassung ist kein Thema. Das System der flexiblen Arbeitszeit, die Einbindung der Mitarbeiter und die betriebsinterne Kommunikation gehören seit jeher zu den Marken­zeichen von HOPPE. Haben Sie mit den Betriebsräten beziehungsweise der Belegschaft bereits über das Thema Stellenabbau gesprochen? Christoph Hoppe: Wir sind mit den Betriebsräten natürlich laufend im engsten Gespräch. Erst im März hat es eine Vollversammlung aller Betriebräte gegeben, bei denen ich offen über den derzeitigen Stand der Dinge und über etwaige Maßnahmen im Zusammenhang mit einem möglichen Stellenabbau informiert habe. Vor wenigen Wochen hatten Sie eine Aussprache mit Landesrat Richard Theiner und mit dem Landtagsabgeordneten Josef Noggler, dem früheren Bürgermeister von Mals. Was haben Sie den zwei Politikern gesagt? Christoph Hoppe: Ich habe ihnen die Lage so geschildert, wie sie derzeit aussieht. Mit einem Satz: Wir liegen deutlich unter dem Umsatz, den wir über lange Zeit aufgebaut haben und den es bräuchte, um die Zahl der Beschäftigten im bisherigen Ausmaß halten zu können. Die Südtiroler Landes­regierung bemüht sich, Betriebe und Unternehmen, die in den Sog der Krise geraten, zu stützen. Es geht auch hier vor allem um den Erhalt von Arbeitsplätzen. Was kann oder sollte die Landespolitik für HOPPE konkret tun? Christoph Hoppe: Es ist nicht so sehr die Landesregierung, von der wir konkrete Schritte erwarten, sondern vielmehr eine Verbesserung von Rahmenbedingungen, die der gesamten Wirtschaft zugute ­kämen. Hier ist in erster Linie die Politik insgesamt gefordert. Was sollte besser werden? Christoph Hoppe: Ich denke an mehrere Rahmenbedingungen, die stimmen müssen. Was derzeit zum Beispiel auf keine „Kuhhaut“ passt, ist die Wertschöpfungssteuer IRAP. Ist es nicht wahnwitzig, dass ein Unternehmen diese Steuer auch dann zahlen muss, wenn es Verluste schreibt? In Zeiten wie diesen sollte die IRAP außerdem schnellstens auf das gesetzlich mögliche Mindestmaß reduziert werden. Hier geht es um große Summe. Von 2000 bis 2007 zum Beispiel hat die HOPPE AG Italien über 10 Millionen Euro an IRAP abgeführt. Welche Rahmenbedingungen sind noch zu ändern? Christoph Hoppe: Zum einen das Kapitel Lohnkosten und zum anderem jenes der Lohnausgleichskasse. Das Verhältnis zwischen dem Betrag, den der Arbeiter netto in die Hand bekommt, und jenem, den der Arbeitgeber entrichten muss, passt einfach nicht zusammen. Die Lohnnebenkosten sind viel zu hoch. Wir sehen uns heuer als HOPPE erstmals mit der Tatsache konfrontiert, dass eine Arbeitsstunde in Südtirol teurer ist als in Deutschland. Neue und mutige Ansätze braucht es auch bei der Regelung der Lohnausgleichskasse. In Krisenzeiten wie den ­jetzigen sollte die zeitliche Dauer der Lohnausgleichskasse von der derzeit 52 Wochen in zwei Jahren verdoppelt werden. Was viele nicht wissen, ist außerdem, dass der Arbeitgeber auch für jene Arbeiter, die im Lohnausgleich sind, beträchtliche Ausgaben bestreiten muss. Ist es etwa richtig, dass ein Arbeitgeber für jemanden zahlen muss, der keine ­Leistung erbringt, weil er nicht anwesend ist? Wie könnte es Ihrer Meinung nach gelingen, Finanz- und Wirtschaftskrisen, wie wir sie jetzt erleben, in Zukunft zu vermeiden? Christoph Hoppe: Es wird sich am festgefahrenen Prinzip, wonach der alleinige Unternehmenszweck in der Schaffung einer hohen Rendite für die Aktionäre besteht, etwas ändern müssen. Die Rolle und die Bedeutung der Mitarbeiter müssen viel mehr berücksichtigt werden. Die Mitarbeiter sind Menschen, nicht nur Kostenfaktoren. Als pervers zum Beispiel empfinde ich es, wenn der Aktienkurs einer Firma an der Börse einen Höhenflug nach dem anderen hinlegt und wenn dieselbe Firma gleichzeitig Mitarbeiter auf die Straße setzt. Das klingt jetzt schon fast nach Moral. Christoph Hoppe: Soll es auch, denn ich bin überzeugt, dass moralische und ethische Grundsätze, gerade auch in der Wirtschaft, absolut notwendig sind. Auch gute kaufmännische Sorgfalt wird wieder mehr gefragt sein. Wir müssen derzeit auch erleben, dass es nicht immer nur aufwärts gehen kann und dass wir manchmal auch mit weniger zufrieden sein müssen. Nur mit mehr Leistung wird es uns gelingen, aus dem derzeitigen Schlamassel herauszukommen. Mehr ­Leistung heißt mehr Arbeiten, heißt die Ärmel hochkrempeln. Wird Südtirol den Krisen­strudel überstehen? Christoph Hoppe: Süd­tirol hat das Glück, dass seine Wirtschaft neben der Industrie noch auf mehreren Säulen fußt, vor allem auf dem Tourismus, der Landwirtschaft und dem Handwerk. Diese Vielseitigkeit ist besonders in Zeiten wie diesen Gold wert. Wie bewerten Sie die neu aufgeflammte Vision, den Unterengadin und den Vinschgau mit einem Eisenbahntunnel zu verbinden? Christoph Hoppe: Das wäre eine geniale Sache. Dem Vinschgau würde sich viel neues Potential eröffnen. Mit der Bahn von Zürich bis Venedig...traumhaft. Schon die Postautolinie Zernez-Mals hat gezeigt, wie viele Schweizer und wie gerne sie nach Südtirol kommen. Interview: Sepp Laner Letzte Meldung Entlassungen unumgänglich Am Tag des Interviews am 21. April hat Christoph Hoppe gesagt, dass es in den drei ­HOPPE-Werken in Südtirol wahrscheinlich zu Entlassungen kommen werde, schloss aber dennoch die Hoffnung nicht gänzlich aus, dass es vielleicht doch zu keinem Stellenabbau kommen muss. Die Entwicklungen der letzten Tage aber haben das Wort „wahrscheinlich“ eingeholt. Bei Redaktionsschluss musste Christoph Hoppe auf Anfrage bestätigen, dass ein Stellenabbau nun tatsächlich ins Haus steht und unumgänglich ist. Um alle Mitarbeiter über die neuesten Entwicklungen und geplanten Maßnahmen zu informieren, wurden am gestrigen Dienstag (28. April) in allen drei Südtiroler HOPPE-Werken (Schluderns, Laas und St. Martin in Passeier) außerordentliche Betriebsversammlungen abgehalten. (sepp)
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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