Latsch hat seine Bedeutung
HELMUT FISCHER IST MIT FREUDE BÜRGERMEISTER
Bürgermeister Helmut Fischer

„Wir haben Stimme und Gewicht“

Helmut Fischer ist seit 9. März 2014 Bürgermeister der Marktgemeinde Latsch.

Publiziert in 3 / 2018 - Erschienen am 30. Januar 2018

der Vinschger: Herr Bürgermeister, wie beurteilen Sie die derzeitige Stimmung und Zusammenarbeit im Rat?

Helmut Fischer: Die Mehrheit meiner Gemeinderäte ist sich der Rolle im Rat bewusst und bereit mitzuarbeiten. Eine „Minderheit“ scheint mit ihrer politischen Situation nicht zufrieden zu sein. Das geht auf das Wahlergebnis zurück. Eine Gruppe ist oftmals nicht der Sache wegen in Opposition, sondern wenn der Helmut Fischer etwas vorschlägt. Das ist nicht nur mein Eindruck. 

Sie sind 2010 zur Ratswahl angetreten, um Gräben zu schließen. Das ist also nicht gelungen?

Das stimmt, das ist mir nicht gelungen. Als Gemeinderat habe ich 2010 meine Niederlage akzeptiert und habe versucht, konstruktiv mitzuarbeiten. Als Bürgermeister seit 2014 habe ich mich bei der Ausschussbildung an Wahlergebnisse und Quote gehalten. Trotzdem fühlen sich einige mit der Rolle in der Gemeindepolitik nicht ab. Es gibt aber schon eine Mehrheit, die konstruktiv mitarbeitet. Die einstige Unruhe im Sportanlagenbetreiber Viva:Latsch mit den Rücktritten und den Rücktritten vom Rücktritt haben doch auch mit Beziehungsproblemen im Rat zu tun. 
Da ging es um Unstimmigkeiten zwischen dem Präsidenten der Viva und der zuständigen Referentin. Dabei haben beide sehr gut gearbeitet. Es läuft alles und es hätte keinen Grund für die Unruhe gegeben. Die neue Führung werden wir an den bisherigen Leistungen messen. 

Ein anderes Schlachtfeld ist die Energie. Wie konnte der Sonderbetrieb Gemeindewerke (SGW) so hohe Schulden anhäufen? Haben Sie als Gemeinderat zwischen 2010 und 2014 nie was gemerkt?

Der Schuldenberg ist natürlich in den letzten Jahren gestiegen. Parallel zu den halbierten Einnahmen aus dem Ramini-Werk durch wasserarme Sommer und durch den halbierten Strompreis hat sich die Lage drastisch verschlechtert. Seit 2010 hat es in der Stromverteilung Defizite gegeben. Experten haben gewarnt, dass mit den 2.800 Kunden und einem derartigen Betrieb zu hohe Fixkosten entstehen. Für die Edyna mit ihrem Apparat und ihren 100.000 Kunden bedeutet das, dass sie nicht mal einen weiteren Arbeiter bräuchten, aber sie haben sich bereit erklärt, Arbeiter zu übernehmen, um der Gemeinde zu helfen.

Wie setzt sich der Schuldenberg überhaupt zusammen, wie hoch ist er?

Es bestehen längerfristige Darlehen in der Höhe von 1,5 Millionen Euro sowie weitere Verpflichtung der Gemeinde und anderen Behörden gegenüber. Fast jeden Tag kommen Hiobs-Botschaften, dass wieder etwas dazu kommt. Zwar gibt es Rücklagen, aber ich kann ja nicht hergehen und das Ramini-Werk verhökern. Es ist mein festes Ziel, dass der Latscher Bürger von den Einnahmen des Werkes etwas davon haben muss, wenn die Schulden einigermaßen getilgt sind. Und wenn es nur ein paar Tausend Euro sind, die in den Haushalt fließen und für die Bürger verwendet werden. Wir hoffen, dass es bei den bis jetzt bekannten 4,5 Millionen Euro Schulden bleibt.

Sie wissen, dass Latsch den Ruf hat, das VEK zu unterminieren und die Edyna im Vinschgau hoffähig zu machen?

Ich will niemanden belehren und ich hoffe sehr, dass das VEK nicht in ähnliche Schwierigkeiten kommt. Auch sie sind eher klein, um die Stromverteilung zu übernehmen. Sie haben heute ohnehin schon hohe Fix-Kosten. Von wegen Steigbügelhilfe für die Edyna. Wenn dir einer 257.000 Euro gibt und der andere 25.000 Euro bietet… Ich möchte vom VEK die Frage beantwortet bekommen: Will er nicht mehr zahlen oder kann er nicht? Ich bin überzeugt, wenn ich mich für den „Vinschger Weg“ eingesetzt und es dem VEK geschenkt hätte, dann hätten mir unsere SVP-Rebellen garantiert vorgeworfen, der Bürgermeister reitet die Gemeinde hinein. Ich habe 2 Jahre gebraucht, um durchzublicken. Meine Mitarbeiter und Berater haben mich gewarnt, ja nicht aus der Hüfte zu schießen, sondern mich intensiv einzuarbeiten. Die Lage ist ernst. Auch für die Gemeinde wäre sie bedrohlich, wenn nicht alle rundherum helfen würden. Um Arbeiter zu übernehmen, für die es keine Arbeit mehr gibt, wäre eine Erhöhung der Immobiliensteuer nötig geworden. Und wieder hätte es Latscher Familien betroffen. Das hat der Gemeinderat aber einstimmig abgelehnt und die Verwaltung beauftragt, andere Lösungen zu suchen. Daher verhandeln wir auch mit der Edyna. 

In der Peripherie von Latsch entstehen jede Menge Wohnungen, ja ganze Wohnviertel, während in der „Altstadt“ alles beim Alten bleibt. Der „Leerstand“ ist inzwischen der bedeutendste Stand. Wird Latsch zum begehrten Schlafdorf? Was ist in Ihrer Amtszeit getan worden?

Wir sind dabei, sämtliche Aussiedlungen meines Vorgängers abzuschließen. Mein Ziel war es immer, im Dorf etwas zu unternehmen. Sobald man davon wusste, dass nichts mehr ausgewiesen wird, sind im Dorf sofort die Preise angestiegen. Ein Anliegen ist es, die alte „Ortler“, heute eine Gewerbezone, in eine Wohnbauzone für geförderten, konventionierten und freien Wohnungsmarkt umzuwidmen. Natürlich liegt sie nicht ganz im Ortskern, aber es ist ein altes Gebäude und wir haben noch das Mivo-Gebäude vor Augen, das über Jahrzehnte leer stand. Wir haben in Tarsch angefangen und möchten auch in Latsch mit dem Programm „leistbares Wohnen“ beginnen. Die Glurnser haben es uns ja erfolgreich vorgemacht. Wir haben schon zwei-drei interessante Objekte zu christlichen Preisen angeboten bekommen. Mein erklärtes Ziel ist, keine Zone im Grünen mehr auszuweisen, außer es wird laut neuem Raumordnungsgesetz vom Gemeinderat gewünscht. Dies setzt voraus, dass die Bürger in ihren Ansprüchen umdenken. Bisher wollte jeder das Haus im Grünen, mit Gartele und einer furchtbaren Betonmauer rund herum. Eine Folge ist, dass die Autos auf der Straße geparkt werden. Vom klassischen Einfamilienhaus müssen wir eher abgehen und andere Wohnungsformen andenken, wie sie im Dorfzentrum schon seit Jahrzehnten existieren.

4 Jahre vor Ihrer Wahl zum Bürgermeister 2014 wollten sie sich für soziale Belange und vor allem für ältere und für ganz junge Mitbürger einsetzen. Inzwischen ist ein Museum entstanden, ein Jugendhaus und für die Sportler wird gebaut, was das Zeug hergibt. Die ganz Jungen und ihre Eltern warten immer noch auf einen Kindergarten. Wie lässt sich das erklären?

Da sind wir auf einem guten Weg. Wir werden jetzt den Zubau beginnen, um dorthin den Kindergarten zu verlegen und darauf den Altbestand zu sanieren. Es gibt halt nur den Spielraum, in den Sommermonaten die Hauptarbeiten durchzuführen. Sicher wird es heuer über den September hinausgehen und es wird für den Kindergartenbetrieb Einschränkungen geben. Für den letzten Sommer haben wir die Betriebe nicht zusammengebracht. Zur Verzögerung sei angemerkt, dass die öffentliche Hand und die Gemeinden in der Zeit der Krise gut genug waren, die Wirtschaft am Laufen zu halten. Jetzt haben sie sich erholt und jetzt sind die Gemeinden aber nicht mehr interessant, schon wegen der Bürokratie. Jetzt erleben wir, dass sich vor allem für kleinere Arbeiten kaum mehr Bieter finden. Gestern (25. Jänner) hatten wir eine informelle Sitzung, bei der es auch um das Vorhaben ging, für Altersheim und Kindergarten eine gemeinsame Küche zu bauen. Wirtschaftlich und sinnvoll wäre dies, um auf die 250 bis 300 Essen zu kommen, damit sich eine Mensa rentiert. Aber da gibt es noch viel Widerstand.

Muss man jetzt Angst haben, dass es zu neuerlichen Verzögerungen kommt?

Nein. Heuer im Sommer wird auf jeden Fall mit dem Zubau begonnen, um den Kindergartenbetrieb zu verlegen und im Sommer darauf den Altbau anzugehen.

Auf was in den letzten 4 Jahren kann der Bürgermeister mit Befriedigung - vielleicht auch mit Stolz - zurück blicken?

Meine größte Befriedigung ist, dass mir meine Arbeit im Rathaus immer noch gefällt – mit Höhen und Tiefen. Ich habe gewusst, was auf mich zukommt, aber ich mache es mit Freude. Ich bin gern unter Menschen – was nicht von allen als positiv gesehen wird. Außerdem hat Latsch eine bestimmte Größe und Bedeutung in der Bezirksgemeinschaft. Daher bin ich auch im Bezirksausschuss. Dort, wo die Musi spielt, im Land, sind unsere Mitarbeit und unser Rat auch gefragt. Noch etwas: Wir haben zwar manchmal dicke Luft im Gemeinderat, aber an der Messstation für Luftqualität davon nichts mehr festgestellt.

Rückblickend auf Projekte oder Maßnahmen, womit sind Sie besonders zufrieden?

Bei Bauprojekten sollen die zuständigen Referenten auch die Lorbeeren sammeln können. Meine Zuständigkeit war die Geldbeschaffung, dann die Stromgeschichte und auch das Umspannwerk. Es ist nicht nur wichtig für die Elektrifizierung der Eisenbahn, sondern ein Meilenstein vor allem für die sichere Stromversorgung unserer Wirtschaft. Man stelle sich vor, wenn in den Obstgenossenschaften im September der Strom ausfällt, weil man nur eine Leitung hat. Auch mit der Sanierung der Industriezone habe ich mich beschäftigt. Früher ist ein Bürgermeister daran gemessen worden, wie oft er ein Band durchschneidet. Ich sehe den Bürgermeister als „Primus inter pares“, Erster unter Gleichen. Eine Gemeinde muss heute nicht mehr nur auf den Bürgermeister fixiert sein.

Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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