Nur aus guter Milch wird guter Käse
Rosmarie und Sepp im Käsekeller vor einem Teil der Laibe, die seit dem Beginn der heurigen Saison produziert wurden.

Wo der Tag um 3 Uhr beginnt

Publiziert in 26 / 2016 - Erschienen am 13. Juli 2016
Sepp und Rosmarie Abertegger stellen auf der Schleiser Alm täglich rund 65 kg Almkäse und 10 kg Butter her. „Die Milch muss schon vom Stall her sauber und gut sein.“ Schleis - Nur das Rauschen des Bachs ist zu hören. Und dann das Bellen eines Hundes. „Chico“ ist immer der erste, der auf alles aufmerksam wird, was sich der ­Schleiser Alm im hintersten Arundatal nähert. Auf die Kühe braucht er nicht aufzupassen, denn diese sind schon längst gemolken und schon wieder auf der Weide, am Fuße des Muntpitschen, des „Schliniger Matterhorns“, und der Pleisen in der Sesvenna- gruppe. Der Stall ist leer. Zwei junge Burschen reinigen ihn. „Ein Foto machen darfst du erst, wenn alles sauber ist“, scherzen sie. Und wo sind der Senn Sepp und seine Frau Rosmarie? „Drinnen im Haus beim ‚Kaasn’“. Beim „Kaasn“ Wer erst nach 8 Uhr auf der Alm aufkreuzt, hat praktisch schon den halben Tag verpasst. Sepp und Rosmarie sind schon seit 3 Uhr auf den Beinen. Gegen 4 Uhr treffen die Kühe zum Melken ein. Sie werden von den jungen Burschen von den Weiden geholt. Um 5 Uhr wird gemolken. Die „Regie“ führt dabei Rosmarie. Es braucht in etwa 2 Stunden, bis die 58 Kühe mit Hilfe von 4 Melkmaschinen gemolken sind. Die Milchkühe waren heuer am 18. Juni auf die 2.076 Meter hoch gelegene Schleiser Alm aufgetrieben worden. Auch 17 trockenstehende Kühe verbringen den Sommer auf der Alm. Rund zwei Dutzend der Milchkühe stammen aus Schleis und gehören den dortigen Bauern. „Wir haben hier in Schleis 18 Bauern, die Kühe halten. Fast alle Bauern gehen auch einer anderen Arbeit nach, denn von der Viehwirtschaft allein kann man kaum überleben“, sagt Lorenz Agethle. Er war bereits vor längerer Zeit Almmeister gewesen und ist es seit rund 15 Jahren erneut. Auch Milchkühe von auswärts verbringen den Sommer auf der Schleiser Alm. Neue Praxis der Leihkühe Relativ neu ist die Praxis der Leihkühe. Lorenz Agethle: „Jemand leiht sich von einem Bauer eine Kuh und bezahlt für die ­Alpung. Dem Eigentümer der Kuh tritt der ‚Mieter’ in der Regel einen Teil der Produkte ab, die mit der Milch der Kuh erzeugt werden.“ Auf der Schleiser Alm gibt es heuer 4 Leihkühe. Die Alm, die eine Gesamtfläche von ca. 650 ­Hektar umfasst, gehört der Frak­tion Schleis. Lorenz Agethle ist als Mitglied der Fraktionsverwaltung für die Schleiser Alm zuständig. Für den sogenannten „Golitberg“ auf Monterodes ist hingegen Norbert Gunsch verantwortlich. Er ist der „Bergmeister“. Auf Monterodes weiden heuer 72 Stück Galtvieh, die unter der Obhut des Hirten Hermann Joos stehen.Sepp und Rosmarie schwitzen indessen vor dem großen Kessel im Käseverarbeitungsraum. „Wir verarbeiten täglich rund 800 Liter Milch zu ca. 65 kg Käse und 10 kg Butter“, berichtet Sepp Abertegger. Er hatte bereits vor vielen Jahren mit seiner Frau Rosmarie auf verschieden Almen in der Schweiz als Senn gearbeitet. Später war er bei der Wildbachverbauung angestellt und seit seiner Pensionierung vor 12 Jahren ist er zusammen mit Rosmarie jeden Sommer auf der Schleiser Alm. Seit 12 Jahren dasselbe Almpersonal Ein zu häufiger Wechsel des Almpersonals ist für den Alm­betrieb nicht gut. „In diesem Sinn haben wir großes Glück, denn Sepp und Rosmarie sind uns seit 12 Jahren treu und leisten hervorragende Arbeit“, bestätigt Lorenz Agethle. Nicht zuletzt schlage sich dies auch auf die Qualität der Produkte nieder. Der Almkäse von der Schleiser Alm und auch die Butter sind mittlerweile weitum als hochwertige Qualitätsprodukte bekannt, beliebt und geschätzt. Die Liste der Auszeichnungen, welche die Schleiser Alm in den vergangenen Jahren bei den Almkäseolympiaden in Galtür und den Alpkäseverkostungen im Vinschgau erhalten hat, ist lang. „Manchmal gab es Gold, manchmal Silber oder Bronze und manchmal auch Publikumspreise“, freut sich Rosmarie, während sie die 14 frischen Käselaibe, die in der Regel pro Tag erzeugt werden, beschriftet und für das Salzbad vorbereitet. Sepp ist inzwischen mit dem Kneten der frischen Butter beschäftigt. Um dem edlen Produkt eine schöne Form zu geben, verwendet er verzierte Buttermodel aus Holz verschiedener Größen: 1/4 kg, 1/2 kg, 1 kg. Was ist das eigentliche Geheimnis für eine guten Alpkäse? Sepp Abertegger: „Das Wichtigste ist, dass man schon vom Stall her eine gute und saubere Milch bekommt. Wenn der Grundstoff im Käsekessel nicht stimmt, ist es schon zu spät. Da kann keiner mehr Wunder wirken.“ Wie kommt man zu einem guten Käse? Insgesamt werden auf der Schleiser Alm während der 80- bis 85-tätigen Alpungszeit pro Jahr etliche tausend Kilogramm Käse und Butter erzeugt. „Im Vorjahr waren es 4.401,3 kg Käse und 712 kg Butter“, sagt der Almmeister. Lorenz Agethle ist überzeugt, dass die Vinschger Milchviehalmen trotz einiger Schwierigkeiten auch in Zukunft einen festen Bestandteil der Berglandwirtschaft darstellen werden. Es sei seitens des Bezirksamtes für Landwirtschaft, der Arbeitsgemeinschaft Vinschgauer Milchviehalmen und auch seitens der öffentlichen Hand in der Vergangenheit viel unternommen worden, um die 30 Milchviehalmen in Schuss zu halten, das Personal auszubilden und die Qualität der Produkte laufend zu steigern. Manuelle Arbeitskraft fehlt Eines des größten Probleme sieht Agethle darin, dass heutzutage die manuelle Arbeitskraft fehlt: „Früher gab es auf vielen Höfen Knechte, welche die Weiden pflegten. Das war eine sehr wertvolle Arbeit und kostete im Grunde fast nichts.“ Heute sei das völlig anders: „Viele Bauern haben keine Zeit, weil sie selbst am Hof beschäftigt sind oder auswärts arbeiten. Wir als Fraktion Schleis sind daher froh, dass wir gut mit der Fortstation Mals zusammenarbeiten. Man stellt uns für die Weidepflege und andere Arbeiten Forstarbeiter zur Verfügung.“ Die Gebäude auf der Schleiser Alm sind in einem guten Zustand. Die Almhütte wurde 1989 laut Agethle aufgrund von Bau­fälligkeit saniert. Käsewasser für 21 Schweine Gegen 9.30 Uhr wird das Grunzen der 21 Schweine auf der Schleiser Alm etwas lauter. Sie wissen, dass Rosmarie jetzt frisches Almgras für sie mäht und den Hahn öffnet, aus dem das Käsewasser in ein großes Trog fließt. Zusätzlich dazu bekommen die Schweine, die übrigens viel Auslauf haben, noch „gebrühte Palln“ und etwas hartes Brot. Die Schweine gehören der Fraktionsverwaltung: „Sie sind sehr gefragt und es dauert nicht lange, bis wir sie im Herbst alle verkauft haben“, freut sich Lorenz Agethle. Zusätzlich zu den Kühen und Schweinen versorgt Rosmarie noch weitere Tiere. Das sind zum einen 4 Milchziegen von Bertram Stecher und 3 Hennen. Rosmarie: „Bis vor kurzem waren es noch 6. Vor wenigen Tagen aber kam der Marder und biss 3 Hennen den Kopf ab. Das tat mir sehr weh. Einen Marder hatten wir hier oben bisher noch nie.“ Rosmarie bezeichnet sich als ­„Mädchen für alles.“ Sie schaut auf die Tiere, hilft beim „Kaasn“, kocht, wäscht, putzt. Auch Sepp räumt ein, dass das Leben auf einer Michviehalm sehr arbeitsintensiv ist: „Rund zwei Stunden Pause brauchen wir nach dem Mittagessen schon.“ Wenngleich es auf der Schleiser Alm in der Regel sehr ruhig ist - es gibt keinen offiziellen Schankbetrieb - und man nur die „Musik“ der Natur hört, geht es manchmal recht international her. So war erst kürzlich ein japanisches Fernsehteam vor Ort, das bereits im Vorjahr auf der Alm gedreht hatte. Und erneut auf die Alm zurückgekehrt ist Lilli Ladurner aus Paris. Die Tochter des Journalisten und Autors Ulrich Ladurner aus Meran war bereits 2015 auf der Schleiser Alm. „Das war der schönste Sommer, den ich bisher erlebt habe“, hatte sie Rosmarie anvertraut.“ Um 21 Uhr ins Bett Während viele Menschen im Tal in den vergangenen Tagen halbe Nächte lang Fußball schauten, war davon auf der Schleiser Alm nichts zu spüren. Sepp: „Wir haben keinen Fernseher. Und wenn es möglich wäre, einen zu haben, möchten wir dennoch keinen.“ So ist es auf der Alm. Weit vom Schuss, weit weg von Stress und Hetze. Und wenn es gegen 21 Uhr geht, verkriechen sich auf der Alm alle „Zweibeiner“ unter die Federn. sepp
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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