Kein Anschluss unter...diesem Heizwerk
Die Zahlen, die SEL-Generaldirektor Maximilian Rainer (im Bild rechts) vorlegte, führten nicht nur bei Fernheizwerk-Präsident Erich Ohrwalder und Bürgermeister Dieter Pinggera (Bild links) zu Kopfzerbrechen.

Zahlen lügen nicht

Publiziert in 15 / 2011 - Erschienen am 20. April 2011
Kortsch/Göflan/Vetzan - Das vor rund 7 Jahren gegebene Versprechen der damaligen Gemeindeverwaltung, die Fraktionen Kortsch, Göflan und Vetzan an das Fernheizwerk von Schlanders anzubinden, bleibt zu 99,99% nicht mehr als ein Versprechen. Dass der Unmut in den genannten Frak­tionen groß und berechtigt ist, ist mehr als verständlich. von Ingeborg Rechenmacher und Sepp Laner Gespannt wartete die Kortscher Bevölkerung auf die angekündigte Informationsversammlung zum Thema Fernheizwerk in den Fraktionen, nachdem Bürgermeister Dieter Pinggera kurz zuvor auf der „Groass Gmuan“ von „schwierigen Zahlen“ und einem „nicht einfachen Datenmaterial“ gesprochen hatte. Am 12. April wurde den Kortschern als erste der drei Fraktionen reiner Wein eingeschenkt: „Ein weiterer Netzanbau ist aus ökologischen, technischen und wirtschaftlichen Überlegungen zum gegebenen Zeitpunkt äußerst kritisch und nicht zu ­empfehlen“, hieß es nach einer Stunde Einführung durch SEL-Generaldirektor Maximilian Rainer, durch einige Techniker und Bürgermeister Pinggera. Ein Netzausbau bedeute, dass die Verschuldung steige, dass die Geldflüsse negativ werden und ein nachhaltiger Anstieg der Netzverluste und der Umweltbelastung die Folge wäre. In Kortsch betrage die Anschluss- und Wärmedichte nur 420 kWh pro Jahr und Trassenmeter, erforderlich wären 1000 kWh. Es würde sich ein Rohrnetzverlust von 34 Prozent ergeben, das CO² Äquivalent würde sich von 488 auf 760 Tonnen pro Jahr erhöhen; ebenso er­höhen würden sich die Emissionen von Staub, Stickstoff- und Schwefeloxyden. Nach diesem ernüchternden Fazit klang es für die Kortscher fast wie ein Hohn, als Generaldirektor Rainer das Schlanderser Fernheizwerk als eines der fortschrittlichsten und ausgeklügelsten von ganz Italien bezeichnete, dessen außergewöhnliche Architektur sogar einen Preis eingeheimst hatte. Sicher habe das FHW Schlanders mit seiner überproportional hohen Kundenanzahl in den Augen der Betreiber Erfolgsgeschichte geschrieben, aber davon bekommen die Fraktionen keinen warmen Füße, kam es aus dem Publikum. Verwundert äußerte sich ein Zuhörer auch über die plötzlich ­hohen Schadstoffemissionen, wo gerade diese durch Fernwärmeanlagen verhindert werden können. Der frühere Gemeindereferent Richard Wellenzohn konnte den ökologischen Bedenken auch wenig abgewinnen, hätten doch sehr viele Haushalte durch die Holzfeuerung deutlich größere Verluste. Er bezeichnete die ökologische Begründung als „Feigenblatt“, denn dass der Rohrnetzausbau nach Kortsch nie wirtschaftliche sein würde, das habe die vorherige Verwaltung schon gewusst. Er forderte von politischer Seite eine Gleichbehandlung aller Schlanderser Bürger, damit nicht das Gefühl einer „Zweiklassengesellschaft“ aufkomme. Bürgermeister Pinggera, der im ganzen Projekt ein „Erbe der vorherigen Verwaltung“ sieht, hatte keinen leichten Stand. Zum einen musste er eingestehen, dass im Moment die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Netzerweiterung nicht gegeben sind, zum anderen sah er sich einer enttäuschten Kortscher Bevölkerung gegenüber, die schon zu lange auf diese klaren Aussagen gewartet hat. „Wir haben veraltete Anlagen und uns sind Förderungen durch die ­Lappen gegangen!“ hieß es im verärgerten Publikum. Auch die Göflaner fühlen sich an der Nase herumgeführt Auch bei der gut besuchten Bürgerversam­mlung am 13. April in Göflan brachten die Bürgerinnen und Bürger ihren Unmut und ihre Enttäuschung klar zum Ausdruck. Der Grundtenor war: Man hat uns vor 7 Jahren etwas versprochen, was jetzt nicht mehr eingehalten werden kann; man hat uns an der Nase herumgeführt; nicht wenige haben auf den Anschluss gewartet und aus diesem Grund ihr Heizsystem nicht umgestellt; man hat uns mit Vorverträgen gelockt, über Jahre­ hingehalten und uns lange Zeit nicht reinen Wein eingeschenkt; es ist nicht unsere Schuld, dass wir hier in Göflan nur ein „paar Hansln“ sind. Zu den Hauptkritikpunkten gehörte - wie schon am Vortag in Kortsch -, dass die Bürger innerhalb der abgegrenzten Zone seit 2007 keine Möglichkeit hatten, Förderbeiträge zu beantragen, etwa für den Bau von Solaranlagen. Es wurde auch gefragt, ob die Vorverträge einen rechtlichen Wert haben und ob man damit vor Gericht ziehen könne. Erich Ohrwalder, der Präsident der Fernheizwerk Schlanders GmbH, und auch Bürgermeister Dieter Pinggera erinnerten an eine Klausel im Vorvertrag, wonach selbiger erst dann bindend wird, sobald der Wärmanschluss erfolgt ist. Wie schon in Kortsch hatte Pinggera auch in Göflan vorausgeschickt, dass die jetzt vorliegenden Daten, Zahlen und Perspektiven für die Anbindung der Fraktionen viel dramatischer seien als erwartet. Die Zahlen seien nicht getürkt, „sondern entsprechen der Wahrheit.“ Die Entscheidung der früheren Gemeindeverwaltung, auch die Fraktionen anzubinden, sei im Nachhinein betrachtet zumindest als leichtfertig anzusehen. Bei der Diskussion merkte eine Bürgerin an, dass auch im jetzigen Gemeinderat und Ausschuss Personen sitzen, die damals alle Entscheidungen mitgetragen haben. Es wurde mehrfach betont, dass man die Leute viel früher hätte klar und deutlich informieren sollen, denn ein Großteil der Daten war schon seinerzeit bekannt bzw. absehbar. Die auf Göflan zugeschnittenen Daten und Zahlen stellten Maximilian Rainer und mehrere seiner Mitarbeiter vor. Das Hauptproblem sei die zu niedrige Anschluss- bzw. Wärmedichte. Die notwendige Dichte müsse bei 1.000 kWh pro Trassenmeter liegen, in Göflan betrage sie nur 377. Hinzu kämen Rohrnetzverluste im Ausmaß von bis zu 35 Prozent, sodass eine Anbindung auch aus ökologischer Sicht nicht vertretbar sei. Es wurden zwar 5 Varianten untersucht (Gas-Blockheizkraftwerk und Gaskessel beim derzeitigen FHW; Biomasse und Gaskessel beim derzeitigen FHW; kleiner Gaskessel beim derzeitigen FHW, der aber nicht für alle Fraktionen ausreichend wäre; dezentrales Pflanzenöl-Blockheizkraftwerk; dezentrale Biomasseanlage mit ORC), doch keine von diesen Ausbau- bzw. technischen Ausstattungsvarianten sei wirtschaftlich sinnvoll. „Das bestehende Heizwerk ist in der derzeitigen Größe und mit dem derzeitigen Anschlussgebiet eine tolle Sache. ­Kommen aber die Fraktionen dazu, wird aus diesem gesunden Werk ein krankes Kind“, fasste Rainer zusammen. In allen Fraktionen liege die Anschluss­dichte weit unter dem empfohlenen Richtwert. Ein weiterer Ausbau des Fernwärmenetzes würde die Netzverluste erheblich steigern. Keine der untersuchten Varianten trage sich selbst, jede Variante würde das Gesamtergebnis und die Verschuldungsquote nachhaltig verschlechtern. 27,5 Millionen Euro Schulden Apropos Verschuldung: Die Gesamtschulden der Fernheizwerk GmbH belaufen sich derzeit auf stolze 27,5 Millionen Euro. Zumal die Eigenkapitalquote nur bei 3,58% liegt, wird eine Aufstockung des Eigenkapitals seitens der Gemeinde (sie ist mit 51% der Mehrheitseigner der Fernheizwerk GmbH) und der SEL (49%) wohl unumgänglich werden. Auch mit einer Anhebung des Wärmetarifs (derzeit sind es 81,48 Euro pro 1.000 kWh) wird über kurz oder lang zu rechnen sein. Die Anschlussgebühren waren seinerzeit eher niedrig und der derzeitige Wärmetarif ist im Vergleich zu anderen Fernheizwerken im Vinschgau - ­manchen steht das Wasser in finanzieller Hinsicht übrigens bis zum Hals - ziemlich tief angesetzt. Die Situation in Vetzan, wo die Bürger am 18. April informiert wurden, ist beileibe nicht besser als in Kortsch und Göflan. Obwohl die Beschlussfassung im Gemeinderat erst für den 5. Mai anberaumt ist, kann man schon jetzt sagen, dass die seit vielen Jahren versprochene Fernwärmeanbindung der 3 Fraktionen gestorben ist. Ein kleiner Trost mag es sein, dass sich die Verwaltung bemühen will, die Abgrenzungszonen so bald als möglich aufzuheben, sodass die Leute zumindest wieder um Förderungen ansuchen können, etwa für ­Solaranlagen.
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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