Strom: Zwischen Energiekrise und Zukunftsperspektiven
Diese Grafik zeigt die aktuelle Verteilersituation im Vinschgau. Selbst dort, wo lokale E-Werke bestehen, reicht die eigene Erzeugung oft nicht aus, den Bedarf zu decken. Dieser restliche Energiebedarf wird von Seiten der ENEL gedeckt.

Zwischen Energiekrise und Zukunftsperspektiven

Publiziert in 13 / 2003 - Erschienen am 3. Juli 2003
Die Ergebnisse der jahrzehntelang verfehlten Energiepolitik werden uns nun präsentiert: Durch die hohen Temperaturen der letzten Zeit konnte der völlige Zusammenbruch der Stromversorgung nur durch gezielte Abschaltungen verhindert werden. In Zukunft könnten uns solche Situationen öfter drohen, denn Italiens Stromverbrauch steigt ständig an, dem gegenüber stehen völlig veraltete Kraftwerke. Vielleicht bleibt während den Stromabschaltungen genügend Zeit, sich Gedanken über die Zukunft zu machen. von Andrea Perger Italien könnte sich in ein paar Jahren in einer tiefen Energiekrise befinden. Der jährliche Stromverbrauch steigt kontinuierlich an, die zur Verfügung stehende Leistung dagegen bleibt relativ konstant. Zum Vergleich: Lediglich der jährliche Zuwachs des Leistungsbedarfs könnte durch sämtliche Kraftwerke Südtirols nicht gedeckt werden. In letzter Zeit kam es aufgrund der Hitze zu Bedarfsspitzen, die fast zum Zusammenbruch der Stromversorgung geführt hätten und die Transportkapazitäten über die Grenzen zur Deckung des fehlenden Energiebedarfs sind ebenfalls begrenzt. Für dieses Problem gibt es nun zwei Lösungswege: Entweder in Italien entstehen neue, modernere Anlagen zur Stromerzeugung oder es werden neue Transport- möglichkeiten von Strom aus dem Ausland gefunden. Doch beides ist nicht ohne weiteres umsetzbar. Der Bau neuer Anlagen scheitert oftmals am Widerstand vor Ort. Auch scheint die Lösung hier eher der Bau kleiner dezentraler Anlagen zu sein, statt die Errichtung riesiger Megawerke, deren Strom weit transportiert werden muss. Auch der Bau neuer Transportmöglichkeiten von Strom aus dem Ausland erweist sich als kaum umsetzbar, aus zu erwartendem Protest der betroffenen Gemeinden. Man denke an den Wiederstand, den es im Vinschgau geben würde, wenn hier eine Megawatt-Leitung über den Reschenpass geplant würde (so ein Projekt hat es Anfang der 70er Jahre tatsächlich gegeben). Es ist also anzunehmen, dass uns in Zukunft kalifornische Verhältnisse drohen. Auch die ständig voranschreitende Liberalisierung ändert nichts an dieser Situation. Seit 1.Mai diesen Jahres sind alle Betriebe mit einem jährlichen Verbrauch über 100.000 kWh freie Kunden, das heißt, sie können den Anbieter frei wählen. Diese Liberalisierung wird schrittweise weitergeführt, bis voraussichtlich 2007 alle Verbraucher ihren Stromlieferanten frei wählen können. Ziel dieser Politik ist es, den Strompreis zu senken. Doch da nicht genügend Strom auf dem freien Markt gehandelt wird, ist die tatsächliche Preissenkung äußerst fraglich. VEK- Vinschger- Energiekonsortium Der Vinschgau verbraucht etwa 145 Mio. kWh Strom jährlich, produziert werden in den einzelnen Kraftwerken, die im Besitz der Gemeinden oder der beiden Genossenschaften sind 85 Mio. kWh. Würden nun die Vinschger die berühmt-berüchtigten 8% als Beteiligung an der Reschenseeproduktion erhalten und zwar in Form von Strom und nicht wie bisher als finanzielle Ablöse, kämen nochmals 56 Mio. kWh dazu. Damit könnte der Vinschger Bedarf gedeckt werden. Darüber hinaus wären dann die gesetzlichen Bestimmungen erfüllt und die Vinschger Genossenschaft VEK, könnte ihre Arbeit aufnehmen und die Strombelange des Tales in die Hand nehmen. Doch der Stromstreit ist noch immer nicht beigelegt. Windpark Marein Im August diesen Jahres geht eine Pilotanlage zu Erzeugung von Strom aus Windkraft auf der Malser Haide in Betrieb. Die Windmessungen in 70 m Höhe haben günstige Bedingungen für einen Windpark bestätigt. Die Pilotanlage mit der Nennleistung von 1,2 MW soll nun zeigen, ob die Energiegewinnung rentabel ist und der Park dann eventuell erweitert wird. Nach Fertigstellung kann der Windpark dann bei voller Leistung 10 Mio. kWh liefern. Laut Dr. Georg Wunderer, dem Koordinator der Windkraftanlage, ist dies der Weg der Zukunft. Man muss auf verfügbare Ressourcen vor Ort zurückgreifen, um lokale Kreisläufe zu fördern. Wunderer: "Wir müssen auf Eigenständigkeit setzen! Windkraft ist eine technologisch voll ausgereifte Energiequelle." Außerdem ist Windkraft nicht nur ökologisch wertvoll, man erreicht damit auch eine Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen, denn die ENEL gehört zu den größten Erdöleinkäufern weltweit. Wunderer: "Windkraft bedeutet "saubere" Energie vor Ort, deren Verfügbarkeit auch in Zukunft sicher gestellt ist." Strompreise Der Strompreis setzt sich aus bis zu elf Komponenten zusammen und ist für den Laien nahezu undurchschaubar. Dieser Preis ist in ganz Italien für gebundene Kunden (unter 100.000kWh) von einer staatlichen Behörde einheitlich festgelegt. Eine Ausnahme bilden hier lediglich Mitglieder einer E-Werks- Genossenschaft, wie es sie zum Beispiel in Prad oder Stilfs gibt. Für Erstwohnungen mit 3kW-Anschlüssen ist der Preis vor allem verbrauchsabhängig. Der Verbrauch wird dabei in einzelne Stufen eingeteilt. Um den Stromverbrauch niedrig zu halten und aus sozialen Gründen, sind die zwei ersten Stufen von der Gemeinde- und der Staatssteuer befreit. Da der Großteil des Stroms in Italien durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe entsteht, hängt der Strompreis stark von der Entwicklung des Erdölpreises ab. Die Verteiler selbst haben keinen Einfluss auf den Strompreis. Für Zweitwohnungen mit 3kW-Anschlüssen ergibt sich mit Steuern ein Gesamtpreis von 0,1617 Euro pro kWh Verbrauch. Jährliche Gebühren: 77,88 Euro Für Erstwohnungen mit 6kW-Anschlüssen ergibt sich mit Steuern ein Gesamtpreis von 0,15989 Euro pro kWh Verbrauch. Jährliche Gebühren: 129,36 Euro (Daten vom SGW Latsch zur Verfügung gestellt)
Andrea Perger
Vinschger Sonderausgabe

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