Sind sie ihr Geld wert?
Feierabend-Stimmung in Rom (v.l.): Manfred Pinzger, Karl Zeller, Siegfried Brugger und Helga Thaler Außerhofer.

Zwischen hohen Hallen und schicken Trattorias

Publiziert in 21 / 2011 - Erschienen am 1. Juni 2011
Rom – „Prodi hat horrende Schulden hinterlassen, unter Berlusconi ist der Schuldenberg noch größer geworden. Die jungen ­Leute haben keine Arbeit, viele Rentner müssen betteln. Die ganze Welt lacht uns aus. Wir sind nicht einmal imstande, Neapel vom Müll zu befreien. Es ist das ganze System, das krankt. Keiner ist in der Lage, es zu verbessern, weder Berlusconi noch irgendein anderer.“ So bringt Roberto die Lage seiner ­Nation auf den Punkt. Er ist kein Politiker, trägt aber trotzdem eine Krawatte, denn er ist der Chauffeur der Senatsfraktion „UDC, SVP e Autonomie“ und fährt soeben die Senatoren Manfred Pinzger und Antonio Fosson aus dem Aostatal vom Palazzo Madama, wo der Senat seinen Sitz hat, zum Flughafen ­Fiumicino. Es ist Donnerstag, 26. Mai, 12 Uhr. Das Ende einer Arbeitswoche in Senat und Kammer in Rom. Aber beginnen wir von vorn und legen ein besonderes Augenmerk auf den Vinschger Senator. von Sepp Laner Am Flugplatz in Bozen ist es am Vormittag des 24. Mai ziemlich ruhig. Ab und an rattert ein Zug vorbei, nebenan ist der Lärm eines Pressluftbohrers zu hören. Es wird an der Erweiterung des Flugplatzgebäudes gearbeitet. Zwischendurch - wenn kein Zug vorbei fährt und der Baulärm verstummt - hört man das Radio. Und eine Stimme, die man oft hört, jene des Landeshauptmannes. In der ­„Capitale“ ist Luis Durwalder zwar nicht direkt zu hören, aber indirekt ist er bei den 5 deutschsprachigen SVP-„Römern“ immer präsent. Zeitgleich mit dem Vinschger Senator steigen auch die Kammerabgeordneten Karl Zeller und Siegfried Brugger in das Kleinflugzeug, dessen 32 Plätze ausgebucht sind. Der PdL-Kammerabgeordnete Giorgio Holzmann ist ebenfalls an Bord. Die Senatorin Helga Thaler Außerhofer kommt mit dem nächsten Flug nach. Von Senator Oskar Peterlini wird gemunkelt, dass er sich nach seinen jüngsten Aussagen zum Flugplatz nicht mehr so recht getraut, von Bozen aus in die Lüfte zu steigen. „Es wäre doch ein Nonsens, jetzt Millionen von Euro in den Flugplatz zu stecken, um ihn nachher möglicherweise zuzusperren“, gibt sich Pinzger überzeugt. Auch Zeller und Brugger stimmen zu. „Es sollten größere Maschinen mit rund 60 Personen landen können“, so Brugger. Der Flug von Bozen nach Rom dauert 1 Stunde und 10 Minuten. Die „Luftimpressionen“ führen vom Safety Park in Pfatten über die Montiggler Seen, den Kalterer See, Endlosflächen vernetzter Obstwiesen, den Po und den Bolsena See bis nach Fiumicino, nicht unweit der tyrrhenischen Küste. Vom Flughafen bis ins Herz der chaotischen Hauptstadt Italiens, wo zig-tausende Menschen in ­heißen Bussen wie zusammengepferchte Sardinen durch die Straßen geschleust werden, braucht der Chauffeur Roberto ca. 40 Minuten. „Spartanisches“ Zimmer bei den „Missionari“ Manfred Pinzger steigt im „Corso del ­Rinascimento“ ab, und zwar bei den „Missionari del Sacro Cuore di Gesù“, wo er während seiner Arbeitszeiten in Rom untergebracht ist: „Ich wohne in einem einfachen, spartanischen Zimmer. Der große Vorteil ist, dass es nur wenige Gehminuten von meinem Büro entfernt ist.“ Pinzgers Büro liegt im 2. Stock des Palazzo Carpegna, von dem aus man über einen direkten Zugang in den Palazzo ­Madama gelangt. Im Palazzo geben Krawatten den Ton an, elegante Kleider, zuvorkommende Mitarbeiter, Handys der neuesten Generation, Laptops und Tablet-PCs. Den Auftakt einer normalen Arbeitswoche für Pinzger bildet normalerweise das Treffen, bei dem die Sprecher aller Senatsfraktionen jeweils am frühen Dienstagnachmittag die Tagesordnung für die Arbeit im Plenum besprechen und festlegen. An diesen Sitzungen nimmt Pinzger regelmäßig teil, denn er ist der erste Vizepräsident der Senatsfraktion „UDC, SVP e Autonomie“, der eigentlich ­Gianpiero D’Alia aus Sizilien (UDC) vorsteht. Aus der schriftlichen Vereinbarung, wonach D’Alia die Führung der Fraktion zur Halbzeit der Legislaturperiode an Pinzger hätte ­abtreten sollen, ist nichts geworden. Und weil D’Alia oft in Sizilien zu tun hat, ist es meistens Pinzger, der ihn vertritt. Dass sich das Arbeitspensum des Senats in der 21. Kalenderwoche in Grenzen halten würde, merkte man bereits, als Maja ­Parmeggiani und Sara Runggaldier, die zwei Mitarbeiterinnen des Vinschgers Senators, diesem die Unterlagen für die anstehende Sitzungswoche im Plenum und in den Kommissionen unterbreiteten. Der Grund lag auf der Hand: die vergangene Woche stand ganz im Zeichen der bevorstehenden Stichwahlen, speziell ­jener in Mailand und Neapel. Ganz gleich ob in den Medien, in den Trattorias, im wunderschönen Buffet des Senats, beim Telefonieren oder auf den Straßen und Plätzen: Alle fragten sich, ob Berlusconi gewinnen oder verlieren würde. In den vergangenen Jahren hat die Regierung Berlusconi den Senat (315 Senatoren) und die Kammer (630 Abgeordnete) Dutzende Male mit der Vertrauensfrage „überfahren“ und dieses Instrument der Regierung zur Disziplinierung des Parlaments somit ab ­absurdum geführt. Die vorerst letzte Vertrauensfrage in der Kammer, die 43., wurde am 25. Mai gestellt. Es ging vor allem darum, die bisherige Absicht der Regierung, in Italien Atomkraftwerke zu bauen, zurückzunehmen. „In Wahrheit handelt es sich hier nur um einen Trick, um das Referendum über die Atomkraft zu verhindern“, polterte Antonio di Pietro in der Kammer. Dario Franceschini (PD) sprach sogar von Betrug: „Berlusconi will nur das Referendum vom 12. und 13. Juni verhindern und in ein bis zwei Jahren kommen die Atompläne wieder auf den Tisch.“ Zeller und Brugger haben sich bei der Abstimmung über das Moratorium in Sachen Atomkraftwerke der Stimme enthalten. Ein Moratorium sei zu wenig, die Regierung müsste dem Bau von Atomkraftwerken eine endgültige Absage erteilen. Auch liege es auf der Hand, dass diese plötzliche „Einsicht“ der Regierung mit der Angst vor dem Referendum zusammenhängt. 5 „Hansln“ unter 945 Zeller und Brugger sind 2 „Hansln“ unter 630, Pinzger, Thaler Außerhofer und Peterlini 3 unter 315. Was kann diese Handvoll deutschprachiger Vertreter in der „Capitale“ für Südtirol tatsächlich ausrichten? Da gibt es einerseits die Möglichkeit, Gesetzesvorschläge zu unterbreiten sowie Anfragen und dergleichen, was allerdings recht schwerfällig und langwierig sein kann. Weiters kann man in den Kommissionen einiges bewegen „und noch viel mehr, wenn man nach langjähriger Erfahrung bestimmte Personen in bestimmten Positionen persönlich kennt,“ ist Zeller überzeugt. Nun aber wieder zurück zu einer etwas leichteren „Kost“. Wenn Pinzger um 8 Uhr am Pantheon beim Kaffee sitzt und die Zeitungen „Il Corriere“, „La Repubbica“ und „Il Giornale“ liest, und wenn der Alltag in Rom noch nicht voll ausgebrochen ist, hört man das Geschrei von Möwen, die vom Meer kommen, um in der italienischen Hauptstadt Nahrung zu finden. Sich und ihre Familien ernähren müssen auch zwei junge Akademikerinnen, die beim Müllentsorgungsdienst arbeiten und vor dem noblen Kaffee die Müllsäcke einsammeln. Entschädigung, „ Diaria“ und, und, und... Pinzgers Kaffee kostet 4 Euro. Einen, wenn auch winzigen Teil davon, zahlen die Akademikerinnen ebenso wie wir alle, denn die 4 Euro sind Steuergeld. Geld aus der „Diaria“, die jedes Senatsmitglied bezieht. Die „Diaria“ (offiziell sind es Aufenthaltsspesen, also Ausgaben für Essen und Schlafen) beläuft sich derzeit auf monatlich 3.500 Euro. Die Amtsentschädigung für Pinzger beträgt monatlich 5.066,54 Euro. „Abgerundet“ werden die ­„Diaria“ und die Entschädigung mit monatlich 4.180 Euro für die Bezahlung der Mitarbeiter, mit 1.650 Euro für allgemeine Spesen (Telefon usw.) und Mitteln aus dem Fonds für die Senatsfraktionen, mit denen etwa der Chauffeur Roberto bezahlt wird. Nationale Flüge, das Benutzen der Autobahnen, der Züge und Schiffe innerhalb des italienischen Territoriums sind für Senatoren und Abgeordnete kostenlos. „Bis zur Einführung des neuen Reglements 2008 waren die Entschädigungen insgesamt höher“, so Pinzger. Früher war sogar der Friseur gratis. Die Polit-Rente für Senatoren - ca. 2.000 Euro netto im Monat ab dem 65. Lebensjahr - greife jetzt nur mehr, wenn eine volle Legislaturperiode erreicht ist. Pinzgers Arbeitskalender für Sitzungen in den Kommissionen und im Plenum ist zumeist voll ausgebucht. Er arbeitet unter ­anderem in der Kommission für Landwirtschaft­ mit und in jener für Europa-Angelegenheiten. Weiters ist er Vizepräsident der Kommission für Preisüberwachung. Die Sitzungen am Vormittag werden mit einer Kaffeepause im altehrwürdigen Senatsbuffet aufgelockert. Für einen Kaffee zahlen die Senatoren dort 70 Cent. Ein Apfel oder eine Banane am Nachmittag sind für 80 Cent zu haben. Viel tiefer ist da schon in einem ­Ristorante in der Nähe des Palazzo Madama in die Tasche (des Steuerzahlers) zu greifen. 120 Euro, handgeschrieben auf einem Fresszettel, für vier Mal „vier Nudel im Kreuz“, zwei Salate, drei Erdbeerbecher und ein paar Getränke. Detail am Rande: Pinzger ist im 6. Jahr Senator in Rom, „ich esse hier fast immer, doch eine Steuerquittung habe ich in diesem Restaurant, das im Zentrum der Macht und Kontrolle liegt, bisher noch nie bekommen.“ Auch das ist Rom, auch das ist Italien. In Südtirol hingegen kam es schon mehrfach vor, dass Betriebe von der Finanzbehörde geschlossen wurden, weil Kassa­belege, etwa für einen einzigen Kaffee, aus welchen Gründen auch immer, nicht ausgestellt wurden. In 6 Jahren nie eine Steuerquittung gesehen Die SVP-Vertreter treffen sich übrigens fast regelmäßig am Mittwoch jeder Woche, um sich auszutauschen und in erster Linie Südtiroler Anliegen und Belange zu erörtern. Just am vergangenen Mittwochnachmittag hätte die zuständige Senatskommission die endgültige Ausschüttung der vom Staat für die Opfer bzw. Schwerverletzten des Vinschger Zugunglücks vom 12. April 2010 in Aussicht gestellten Geldmittel in Höhe von insgesamt 3 Millionen Euro beschließen sollen. Mit Enttäuschung musste Pinzger zur Kenntnis nehmen, dass die Sitzung, die auch andere Punkte umfasste, in buchstäblich letzter Minute um eine Woche verschoben wurde. Für diese außerordentliche staatliche Unterstützung hatten Zeller und Brugger in der Kammer sowie Pinzger und Thaler Außerhofer im Senat eigene Gesetzentwürfe eingebracht. „Falls die Kommission in der nächsten Woche auf Änderungen des Entwurfs besteht, muss dieser noch einmal ins Plenum und dann könnte die Ausschüttung der ­Mittel wieder in Gefahr kommen,“ so Brugger. Bei einigen Mitgliedern der Kommission gebe es Bedenken. Geld für Opfer des Zugunglücks auf der Kippe? Wofür sich Pinzger schon seit Jahren stark macht, ist die Nutzung des Wassers im Gebiet des Nationsparks Stilfserjoch für die Stromerzeugung. Einen Gesetzentwurf dazu hat er 2009 eingebracht. Wann er ins Plenum kommt, ist ungewiss. Genau auf den Grund gehen will Pinzger auch der Tatsache, warum die per Ministerialdekret verfügte ­eigenständige Verwaltung und Finanzgebarung des Südtiroler Nationalparkanteils noch immer nicht vom Staatspräsidenten Giorgio Napolitano unterzeichnet wurde. Terminabsprachen mit dem Chef des Rechtsamtes von Napolitano laufen. Dass die Büro-Paläste in Rom ab und an dem Ambiente entsprechen, wie es Franz Kafka in seinem Werk „Das Schloß“ beschrieben hat, belegen Pinzgers Bemühungen, die er am 26. Mai unternommen hat, um einen Termin beim GSE (Gestore dei Servizi Energetici) zu vereinbaren. Es war nie jemand zu sprechen, auch beim „Centralino“ nahm keiner den Hörer ab. Es ist Pinzgers Bürgermeister Dieter Pinggera, der möglichst schnell erfahren will, warum sich der GSE bisher geweigert hat, die Grünzertifikate für den im Fernheizwerk Schlanders erzeugten Strom anzuerkennen. Die Anerkennung dieser Zertifikate ist sehr wichtig, denn es dreht sich um Geld, das die Gemeinde Schlanders dringend braucht, um einen Anschluss der Fraktionen an das Heizwerk finanzieren zu können. Fernheizwerk Schlanders ist auch in Rom ein Thema Wie durchsickerte, könnte die Anerkennung deshalb nicht erfolgt sein, weil das Heizwerk zu ca. 30% mit Gas betrieben wird, also nicht ausschließlich mit erneuerbaren Energieträgern. Was sich in Südtirol tut oder nicht tut, erfahren die „Römer“ aus den Kopien der aktuellen Ausgaben von Südtiroler Printmedien, die jeden Morgen pünktlich auf ihren Bürotischen liegen. Am 26. Mai hieß es in einem der Blätter, dass Brugger möglicherweise der neue Landeshauptmann werden könnte. ­Diese Nachricht war zu Mittag natürlich Gesprächsthema in der Trattoria. In den Restaurants, in denen man sich trifft, wird aber nicht nur politisiert, sondern auch geplaudert. Menschliches über Menschen. Auch Politiker sind Menschen.
Josef Laner
Josef Laner

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