Chance oder Gefahr?
Publiziert in 41 / 2016 - Erschienen am 16. November 2016
Podiumsdiskussion über die Verfassungsreform in Prad
Prad - Nach der sehr gut besuchten Podiumsdiskussion zum Thema Doppelstaatsbürgerschaft für Südtirol lädt die Schützenkompanie Prad in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Schützenbund zu einer weiteren Podiumsdiskussion ein, die am 24. November um 20 Uhr im Nationalparkhaus „aquaprad“ in Prad stattfindet. Dieses Mal geht es um die Verfassungsreform, über die am 4. Dezember italienweit abgestimmt wird. Als Gäste am Podium werden erwartet: Daniel Alfreider (SVP, Kammerabgeordneter), Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit, Landtagsabgeordneter), Pius Leitner (Freiheitliche, Landtagsabgeordneter), Manfred Schullian (SVP, Kammerabgeordneter) und Landeskommandant Elmar Thaler (Südtiroler Schützenbund). Für die Moderation konnte erneut Eberhard Daum gewonnen werden. Die große Frage des Abends lautet: Ist die Verfassungsreform eine Chance oder eine Gefahr für Südtirol? Im Vorfeld der Diskussion haben die Podiumsgäste kurze Stellungnahmen abgegeben.
Daniel Alfreider ist überzeugt, dass sich in Italien etwas ändern müsse, wenn der gesamte Staatsapparat nicht zusammenbrechen soll. So wolle das Parlament mit der neuen Verfassungsreform unter anderem die Anzahl der Parlamentarier und die Kosten der Regionen verringern sowie verschiedene Kompetenzen neu ordnen. Laut Alfreider sei es dem „SVP-Team-Rom“ gemeinsam mit dem Landeshauptmann Arno Kompatscher gelungen, dass durch eine Schutzklausel die zentralistischen Teile der Reform auf Südtirol nicht angewandt würden. Laut Alfreider bleibe die Garantie der Vertretung für Minderheiten auch in Zukunft im neuen Senat erhalten. Er verweist auch darauf, „dass ein Einvernehmen bei Änderungen des Autonomiestatuts erstmals seit 1948 erreicht wird.“ Für ihn sei ganz wichtig, dass die internationale Verankerung der Südtirol-Autonomie weiterhin erhalten bleibe.
Manfred Schullian wird mehrere Fragen auf: „Beginn einer neuen Ära oder Zusammenbruch? Bedeutet die Verfassungsreform eine Gefahr für die Autonomie oder eine Chance für die Überarbeitung des Autonomiestatuts und den Ausbau unserer Autonomie? Ist die Schutzklausel der Schlüssel für die Beantwortung dieser Frage?“ Wie schon Alfreider, steht auch Schullian für ein Ja zur Reform ein: „Ich plädiere für die Chance des Augenblicks.“
Ganz anderer Meinung ist Sven Knoll: „Mit der Verfassungsreform soll Italien in einen zutiefst zentralistischen Staat umgewandelt und die Demokratie eingeschränkt werden. Dies ist eine große Gefahr für Süd-Tirol.“ Knoll stellt fest, „dass sich bei einem Ja die Südtiroler in einem Staat wiederfinden werden, der noch zentralistischer und autonomiefeindlicher sein wird als heute.“ Südtirols Autonomie werde mit der Verfassungsreform beschnitten und durch die Wiedereinführung des nationalen Interesses könne der Staat direkt in die Gesetzgebung der Regionen eingreifen.
Ähnlich sieht es Pius Leitner: „Diese Reform stärkt den staatlichen Zentralismus und führt zu einer Aushöhlung unserer Autonomie.“ Leitner stellt fest, dass die Reform von 2001, mit der ein bescheidener Föderalismus eingeführt wurde, wieder zurückgenommen werde. An der „Schutzklausel“ lässt Leitner kein gutes Haar: „Hier handelt es sich um eine Übergangsbestimmung. Die SVP preist es aber als Gütesiegel der Verfassung.“ Laut Leitner „liefern wir uns dem römischen Parlament aus und in letzter Konsequenz entscheidet der Verfassungsgerichtshof, der bereits die föderalistische Reform von 2001 zentralistisch ausgelegt hat.“ Leitner und Knoll sind klar für ein Nein.
Elmar Thaler warnt vor einem leichtfertigen Ja zur Verfassungsreform: „Stellen wir uns vor, Südtirol würde wirklich dafür stimmen, dass Italien noch zentralistischer werden soll. Für zukünftige Verhandlungen um Kompetenzen hätten unsere Parlamentarier dann ungleich schlechtere Karten in der Hand. Wir sollten uns nicht dem Trugschluss hingeben, dass die Schutzklausel uns wirklich vor den Zentralisierungsbestrebungen Italiens schützt. In Wirklichkeit ist die Schutzklausel eine Übergangsklausel – was danach kommt, haben wir nicht wirklich in der Hand und wird letztendlich der Verfassungsgerichtshof entscheiden. Und dann Gnade uns Gott!“
An Spannung dürfte es bei der anstehenden Diskussion in Prad nicht fehlen. Die gesamte Bevölkerung ist zum Mitdiskutieren eingeladen. Red
Redaktion