Vor 50 Jahren dem Lawinentod entkommen: Erwin Marseiler, Gottfried Schönthaler, Karl Raffeiner, Robert Parth, Stefan Hofer und Gianfranco Bonora (v.l.).

„Die Lahn kimp, rennt!“

Publiziert in 6 / 2017 - Erschienen am 22. Februar 2017
Das Lawinenunglück am „Gran Sasso degli Abbruzzi“ mit 29 Toten hat Erinnerungen an einen Lawinenabgang im Laaser Tal geweckt. Laas - Am 20. Jänner verbreitete sich die Nachricht über das ­Lawinenunglück in den ­Abbruzzen. Bei Gianfranco ­Bonora wurde sofort die Erinnerung an den 12. März 1967 geweckt. Damals hatten er und mit ihm 16 weitere Laaser ­zwischen 14 und 34 den Lawinentod vor Augen. Das Erlebnis, das in einer Katastrophe hätte enden können, wurde nie wirklich aufgearbeitet. Bonora ließ es keine Ruh. So etwas darf nicht vergessen werden, sagte er sich. Für das Aufarbeiten von Ereignissen und Geschichten war der Obmann des Bildungsausschusses, Wilfried Stimpfl, zuständig. Gianfranco Bonora versuchte die Namen der Beteiligten zu erfahren und erhielt unterschiedliche Informationen. Ich kenn mich nicht mehr aus, war das Ergebnis seiner ­Recherche, als Wilfried Stimpfl die Sache in die Hand nahm und zu einem „Huangart“ in den Gasthof „Sonne“ einlud. Der Ort war nicht zufällig gewählt. Seniorchef Erwin ­Marseiler war im Laaser Tal dabei und in der „Sonne“ hatte man sich vor 50 Jahren getroffen, um „ein paar Tegelen zu heben“ und den 2. Geburtstag zu feiern. Mit „Flipchart“ und Filzstift wurde das Ereignis Schritt für Schritt rekonstruiert. Laaser Alpenvereinsmitglieder verfolgten interessiert den Erinnerungsaustausch. An die 20 Burschen wollten damals am Riesentorlauf des Sportclubs teilnehmen. Damals war Leo Platter Präsident. Karl Raffeiner und Karl Fratton gehörten zu den besseren Skifahrern. Der eine war extra aus Gröden, der andere aus Sulden angereist. Es war feucht und trüb. Im Laaser Tal schneite es. Es sollen 85 cm gewesen sein. Der Grassl Jogg, der Wirt auf der Fernerhütte, warnte und wollte das Rennen auf keinen Fall abhalten. Man drohte, ihn „za drschlogn“. Am Vortag hatte eine Gruppe in der Wasserfall-, die andere in der Fernerhütte Quartier bezogen. Um 11 Uhr des nächsten Tages sollte gestartet werden, in Minutenabständen. Die Zeiten sollte Jakob Grassl stoppen. Die einzige Uhr mit Sekundenzeiger trug der Theiner Hansl. Starter Robert Parth hatte bereits drei Fahrer auf die Strecke geschickt, als Sektionsleiter Luis Staffler schrie: Die Lahn kimp! Alle habe der Luftdruck umgehauen, erzählte Parth. Zuerst sei es still gewesen. Dann habe der Angerer Werner losgebrüllt. Nur sein Kopf ragte aus dem Schnee. Ihn hatte es am meisten erwischt. Er hatte beide Beine gebrochen. Alles wurde finster, erzählte ­Bonora, ich hatte schon mit dem Leben abgeschlossen. Dann hab ich Schwimmbewegungen gemacht und bin an die Oberfläche gekommen. Luis Staffler „rudelte Kopf über Arsch mehr als 30 m nach unten“. Auch er blieb an der Oberfläche, konnte mit dem „Sackmesser“ die Bindungs­riemen aufschneiden und den anderen helfen. Alle hätten Stöcke und Skier verloren. Stefan Hofer habe es zum Teil die Kleider vom Leib gerissen. Am rechten Auge sei ihm eine Narbe geblieben. Gottfried Schönthaler konnte mit Bänderzerrungen an beiden Beinen nur mehr aufgestützt gehen. Dem Kurz Hermann hatte es die neuen Atomic-Ski zu einem Rad gebogen. Robert Parth hatte sich ein paar Mal überschlagen. Kaum aus dem Schnee hätten sich alle davon gemacht, erinnerte er sich. Den Werner Angerer habe man auf zusammengebundenen Skiern zuerst zur Unteren Alm gebracht. Auf einer eilig zusammengebauten Trage aus Latten und Tuch sei er dann zur „Marmoraufleg“ gebracht worden. Nicht ohne ihn zuerst mit Würfelzucker und Cognac beruhigt zu haben. Günther Schöpf
Günther Schöpf
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