Eine bizarre Welt…
… ist in Naturns entstanden. Wie drei Vinschger die Bühne rocken und wo erwachsene Männer auch mal die Hosen fallen lassen.
Naturns - Es gibt wohl wenige Südtiroler Bands, die live für eine derartige Stimmung sorgen wie das Naturnser Trio Bizarro Welt. Vielleicht liegt es auch daran, dass sich „jeder Zuschauer, der bei einem Konzert von uns ist, als etwas Besseres fühlen soll als wir“, lacht Daniel Rainer, in der bizarren Welt einfach „Bruno Pulito“ genannt. Rainer ist Sänger der Punkrock-Combo und hat diese gemeinsam mit Thomas Pichler alias „Zeppi Zeppito“ (E-Bass, Begleitgesang) und „König Fassolt“ Thomas Unterthurner (E-Gitarre) gegründet. Schon seit der Grundschule sind die drei (alle Jahrgang 1984) befreundet. Bereits in der Oberschulzeit hatten sie in anderen Bands gespielt, Rainer und Unterthurner zuletzt bei der Punkband Kamikaze einhundert. „Dann haben wir uns als Bizarro Welt gefunden“, blickt Rainer zurück. Das war 2009. Das erste Konzert folgte 2011, Alben – stets in Eigenregie – kamen ebenfalls hinzu. Das letzte, das siebte, wurde im vergangenen Mai veröffentlicht. „Santo Subito“ ist sowohl digital als auch auf Vinyl, CD und MC erhältlich. Bissig und laut, so wie man es von Bizarro Welt gewohnt ist.
Hosen runter und Konfettiregen
Ihre Lieder tragen Titel wie „Für immer dumm (Dorf)“, „Vegas, Naturns, Unser Frau“, „Boccia, Champagner & Punk“, „Crack in Branzoll“, „Etschpiraten“, „Stützkind“ etc. Insgesamt hat die Naturnser Band im Laufe der vergangenen 16 Jahre rund 150 Songs geschrieben und veröffentlicht. Die Texte? Größtenteils spaßig, aber ab und an auch mit einem ernsten Hintergrund. Genauso präsentieren sie sich auf der Bühne. Die Live-Auftritte sind geprägt von einer starken Interaktion mit dem Publikum sowie vielen, für die „klassische“ Punkrock-Szene eher untypischen Elementen. Die Bandmitglieder erscheinen beispielsweise in betont kitschiger und ironischer Bekleidung, es kommen Konfetti-Kanonen zum Einsatz. Das Publikum, das keineswegs immer jugendlich ist, sondern öfters aus „älteren Semestern“ besteht, wird dazu aufgefordert, die Hosen herunterzulassen oder eine Polonaise zu bilden – und tut es meist mit viel Vergnügen und ohne sich lange darum bitten zu lassen.
Ein Schuss Ernst ja, Moralapostel nein
Alles nur Blödsinn? Keineswegs. „Wir lassen die Ernsthaftigkeit nicht ganz weg, stellen diese aber nicht in den Vordergrund,“ erklärt Rainer. Die Band gehe davon aus, „dass die Leute, die auf unsere Konzerte kommen, nicht mehr bekehrt werden müssen“. Den Moralapostel spielen müsse man nicht. „Man kann aber schon auch die pure Realität aus unseren Texten raushören. Beschönigen tun wir nichts, vielleicht ein bisschen lächerlich machen“, bringt es „Bruno“ auf den Punkt. Dass die Texte nur aus Jux bestehen, wäre ein Missverständnis. Zwar ist Humor ein wesentliches Element, doch immer wieder blitzt auch Gesellschaftskritik oder Alltagsbeobachtung durch. Ironie ist dabei ihr wichtigstes Werkzeug.
„Sehen uns nicht als schlechte Band“
Geprobt wird im Idealfall einmal pro Woche, gespielt werden etwa fünf bis sechs Konzerte im Jahr. Auch wenn das freilich eher überschaubar wirkt, haben sich Bizarro Welt über die Jahre einen gewissen Kultstatus erspielt und sich dabei selbst nie zu ernst genommen. Die Band bezeichnet sich gern als „Dorfrebellen“, ihr Musikstil wird unter anderem als „Mülltonnenrock“ beschrieben – von ihnen selbst versteht sich. Trashig, laut, direkt und vor allem unterhaltsam wollen die drei Naturnser sein. „Wir sehen uns nicht als schlechte Band,“ sagt Rainer, „aber es gibt viele, viele technisch bessere und ausgefeiltere Bands. Wir tun einfach das, was uns selber gefällt, wenn wir eine Band sehen: Krawall und Unterhaltung. Und das klappt, sogar bei Leuten, die gar nicht so viel mit Punkrock am Hut haben.“ Aber woher stammt eigentlich der Name Bizarro Welt? Aus einer „Simpsons“-Folge, klärt „Zeppi Zeppito“ auf. „Da sagt einer: ‚Ist das nicht Bizarro Welt?‘ – und wir dachten: passt eigentlich ziemlich gut zu uns“.
„Jeder bringt sich ein“
Wichtig ist dem Trio vor allem auch, dass die Songs allesamt aus eigener Feder stammen. Die Instrumentals entstehen meist zuerst. Pichler und Unterthurner spielen eine Melodie ein, wenn’s passt, wird ein Song draus. Die Texte schreibt in der Regel Rainer. „Aber jeder bringt sich ein“, stellt er klar. Ein Markenzeichen der Band ist auch ihr „viertes Mitglied“: Trappele. Dabei handelt es sich um ein elektronisches Schlagzeug des japanischen Herstellers Roland, das liebevoll so benannt wurde. Denn mit menschlichen Schlagzeugern habe man „immer nur Theater“ gehabt. Trappele sei die perfekte Lösung. Es funktioniert, macht keine Probleme und passt perfekt zur Band.
Die „große Bühne“ mitten im Wald
Unvergessliche Auftritte habe es im Laufe der Jahre so einige gegeben. Besonders in Erinnerung geblieben ist der Band ein Konzert im Treindlerhof in Latsch. Bereits damals, vor rund zehn Jahren, war das Lokal als Diskothek geschlossen, bei einer Party, die sich über drei Stockwerke erstreckte, spielte Bizarro groß auf. Aber auch die „Ost-West-Club“-Konzerte in Meran, beim dritten Mal „pumpvoll“, bleiben in Erinnerung, genauso wie die Heimspiele im JuZe Naturns, oder ein kurioses Set auf dem Campingplatz beim „Rock im Ring“-Festival in Ritten. Oder kleinere, private Konzerte mitten im Wald wie auf den Magrinböden, wo Ansprüche an Technik und Bühnenbild auch mal runtergeschraubt werden können. Genauso wie die Ansprüche an die Band und ihre Fans. So wie es in einer bizarren Welt sein soll.