Es gibt sie noch …
… die artenreichen Berg- und Magerwiesen
Außersulden - Glatt- und Goldhafer, Rotschwingel, Ruchgras, Augentrost, wilder Thymian, Wiesenschafgarbe, Mausohr-Habichtskraut, Scheuchzers Glockenblume, Teufelskralle, Hundskamille, Wiesenmargerite oder Gelb-Labkraut, das man früher bei der Herstellung von Käse verwendete. Auf diese typischen und Dutzende weitere Gräser, Blumen und Kräuter stößt man auf den selten gewordenen artenreichen Berg- und Magerwiesen unserer Region. Seit Jahrhunderten bis heute stark ausgeprägt ist die Flora und Fauna auch auf den rund zwei Hektar großen äußeren Rumwald-Wiesen in Außersulden, die zum Lasairnhof gehören. Die zum Teil sehr steilen Wiesen auf rund 1.700 Höhenmetern sind mit vielen verschiedenen Landschaftselementen wie Hecken und Büschen, Findlingen, Steinen und Trockensteinmauern durchsetzt. Viele besondere und selten gewordene Wildpflanzen, die auf diese Lebensräume angewiesen sind, wie zum Beispiel auch die Blaue Himmelsleiter oder das Spatel-Aschenkraut, sind auf den äußeren Wiesen in Rumwald noch anzutreffen. Valentin Zischg vom Lasairnhof ist sich des Wertes von artenreichen sowie landschaftsprägenden Berg- und Magerwiesen bewusst. Er achtet schon seit Jahren darauf, die Biodiversität und Hand in Hand damit viele verschiedene Ökosysteme zu erhalten und zu schützen. Die Bodenverdichtung und die Schnitthäufigkeit zu reduzieren, sind Valentin ein wichtiges Anliegen. Auch die Ausbringung von Gülle oder frischem Mist kommt für ihn nicht in Frage, ganz zu schweigen vom Einsatz von Kunstdüngern.
Nur ein später Schnitt
Auf den Rumwald-Wiesen der Familie Zischg wird das Gras seit jeher nur einmal gemäht, und zwar erst dann, wenn die Gräser und Kräuter reif sind und ihre Samen freigeben. „Damit kann der artenreiche Pflanzenbestand erhalten bleiben, und es wird der Grundstein für die Heumahd im nächsten Jahr gelegt“, sagt Valentin. Durch die späte Mahd und die abwechslungsreiche Landschaft würden viele Lebewesen über lange Zeit hinweg Nahrung und einen geschützten Lebensraum vorfinden. Auch eine gesunde Bodenfauna und Bodenmikrobiologie würde so gefördert. Heuer hat der 34-Jährige die Bergwiesen zusammen mit seinem Vater Walter (74) im Zeitraum Mitte Juli bis Anfang August gemäht. Auf Plätzen, die einigermaßen eben sind, kommt die alte Mähmaschine zum Einsatz, die steinigen und steilen Hänge mähen Valentin und Walter mit der Sense. Dabei sei „a guatr nit zu dinnr Dongl“ und „a guats Schuahwerk“ unverzichtbar, so Valentin. „Borfiahßlt geht’s ah“, merkt Walter Zischg an. Sein Vater Albert Zischg, Bergführer und Bauer, hatte alle Wiesen noch von Hand in Nagelschuhen gemäht.
Artenreiches Saatgut gesammelt
Besonderen Fokus auf artenreiche Berg- und Magerwiesen legt auch das Bozner Unternehmen „LocalFloraSeed“. Das Ziel des Unternehmens ist es, die Biodiversität in der alpinen Kultur- und Naturlandschaft zu erhalten, das jahrtausendealte floristische Erbe der Wiesen weiterzutragen sowie autochthones Saatgut zu gewinnen. Dieses wird dann bei Begrünungen eingesetzt, etwa auf Skipisten, im Bereich von Baustellen oder bei technischen Begrünungen, wie zum Beispiel an Forstwegen oder bei Wildbach- und Lawinenverbauungen. Aber auch bei Renaturierungen und Blumenwiesen kommt dieses Saatgut vermehrt zur Anwendung. Am 30. Juli hat das Team von „LocalFloraSeed“ auf den Rumwald-Wiesen Samen auf rund 5.000 Quadratmetern eingesammelt. Dabei kam eine akkubetriebene Erntemaschine (eBeetle) zum Einsatz, die mit rotierenden Bürsten das Saatgut aberntet. Beim Saaterntegut handelte es sich um einen sogenannten „Wiesendrusch“ mit etwa 25 % Samenanteil, bei dem reife Samen, Blütenbestände und Stängelanteile gesammelt und vor Ort auf Tüchern getrocknet werden. Später wird das Saatgut weiter getrocknet, grob gereinigt und für die spätere Verwendung vorbereitet.
Von Biodiversität begeistert
Der Biologe Kurt Kußtatscher von „LocalFloraSeed“ zeigte sich von der Artenvielfalt und Beschaffenheit der äußeren Rumwald-Wiesen begeistert. Jedes kleine Element wie Bäume, Büsche, Steine und Totholz sei für sich ein eigenes Ökosystem und gehöre zur natürlichen Landschaft. Ein nicht revidierbarer menschlicher Eingriff mit schweren Maschinen, aus rein wirtschaftlichen Interessen und Bequemlichkeit, sei gut zu überdenken und zu hinterfragen. Ein artenreiches und nachhaltiges Futter einer Wiese bestehe zu etwa 60 % aus Gräsern, 30 % Kräutern und 10 % Klee, idealerweise aus heimischen, standortangepassten Pflanzen, so Kurt. Damit wären auch alle notwendigen Nährstoffe für das Viehfutter gedeckt. Wie Kurt Kußtatscher weiter anmerkte, ist heimisches Saatgut nach wie vor Mangelware. Anstelle des Ankaufs von Saatgut aus dem Ausland sollte es mithilfe eigener Landesbestimmungen gelingen, auf autochthones Saatgut zurückzugreifen und dieses im heimischen Umfeld weiter zu vermehren.
Nur Grauvieh mit Hörnern
Bauer ist Valentin Zischg nur nebenbei. Hauptberuflich betreibt der Absolvent der Betriebswirtschaftslehre die Werbeagentur „VAZID“. Als Bauer hält er ausschließlich Grauvieh mit Hörnern. Zurzeit weiden ein Ochse, eine Zwicke und zwei Kälber am Rumwalder Berg und auf dem Schöneck. Eine Kuh weidet auf der Stilfser Alm. Die Nachfrage nach qualitativ hochwertigem Ochsenfleisch ist laut Zischg gut. Im Preis müssten Nachhaltigkeitskriterien, Tierwohl sowie die Aufwände einer langsamen und behutsamen Aufzucht mit hochwertiger Fütterung stärker berücksichtigt werden. Mit den Themen Biodiversität, naturnahe Landwirtschaft und Ökologie insgesamt setzt er sich seit Jahren intensiv auseinander. Besonders ins Staunen versetzt ihn die Tatsache, dass seine Vorfahren auf einem Teil der Rumwald-Wiesen und in Außersulden einst sogar Hafer, Gerste und Roggen anbauten.