Seit dem 18. März sitzt der Priester Walter Coronel in Laatsch fest.
Solche Kleinhäuser wurden mit Hilfe der Südtiroler Caritas für die Erdbebenopfer in Ecuador errichtet.
Ecuador gehört zu jenen Ländern, die von der Covid-19-Pandemie besonders hart betroffen sind.

„Gefangen“ in Laatsch

Priester aus Ecuador wartet seit über 3 Monaten auf die Rückkehr. 

Publiziert in 21 / 2020 - Erschienen am 18. Juni 2020

Laatsch - Schon seit einigen Jahren kommt der junge Priester Walter Coronel aus Ecuador jedes Frühjahr für ein paar Tage nach Südtirol, um mit der Caritas der Diözese Bozen-Brixen und der Missio, dem Amt für weltkirchliche Aufgaben der Diözese Bozen-Brixen über den Fortschritt von Hilfsprojekten in Ecuador zu informieren und über die Fortführung der Projekte zu sprechen. Heuer ist der 38-Jährige in der ersten Märzhälfte nach Südtirol gekommen. Am 18. März hätte er zurückfliegen sollen, aber daraus wurde wegen der Corona-Krise nichts. „Wenn es gut geht, kann ich wohl erst im Juli in meine Heimat zurückkehren“, sagte Walter Coronel am 4. Juni in einem Gespräch mit dem der Vinschger. Er lebt seit über 3 Monaten bei der Familie Gelosi in Laatsch, mit der er seit vielen Jahren bekannt ist und die er bei seinen Südtirol-Reisen stets besucht. „Ich bin dieser Familie sehr dankbar. Es ist nicht selbstverständlich, dass man anstelle von einigen Tagen mehrere Monate lang bei einer Familie wohnen kann“, sagt der Priester. In seinen Gedanken und Gebeten, aber auch über Internet ist er ständig in enger Verbindung mit den Menschen in Portoviejo, der Hauptstadt der Provinz Manabí in der Küstenregion Ecuadors am Pazifischen Ozean, wo er als Priester wirkt. Walter war zunächst mehrere Jahre lang Missionär im Apostolischen Vikariat Napo im Amazonas-Regenwald in Ecuador. Er wirkte in einem Gebiet, in dem ein indigenes Volk beheimatet ist. Als es 2016 zu einem schweren Erdbeben in Ecuador kam, wurde er von seinem Bischof nach Ecuador zurückgerufen, um beim Wiederaufbau mitzuhelfen. Bei der Erdbebenkatastrophe, der schwersten in Ecuador seit 40 Jahren, sind hunderte Menschen umgekommen. Tausende verloren ihr Hab und Gut. Um den Erdbebenopfern zu helfen, haben die Südtiroler Caritas und „Missio“ Spendenaktionen gestartet. Walter Coronel: „Das Hauptziel war und ist es, mit den gesammelten Geldmitteln kleine Häuser für die obdachlosen Erdbebenopfer zu bauen.“ Die betroffenen Menschen in Ecuador seien für die Unterstützung aus Südtirol und weiteren Teilen Italiens sehr dankbar.

Corona-Tote auf den Straßen

Von der Covid-19-Pandemie sind viele Länder in Nord-, Mittel- und Südamerika schwer betroffen, ganz besonders auch das rund 17 Millionen Einwohner zählende Land Ecuador. In der Provinz Manabí leben rund 1,7 Millionen Menschen. „Viele Menschen in Ecuador sind arm und leben von der Hand in der Mund.“ Ersparnisse hat fast niemand, sodass sich Hand in Hand mit der Pandemie auch Not und Hunger ausbreiten. Außerdem leben große Menschenmengen in Armenvierteln eng beieinander, sodass eine soziale Distanz fast unmöglich ist. Erschwerend dazu kommen zum Teil sehr prekäre Gesundheitsstrukturen sowie das Fehlen von Intensivbetten, Masken und anderen Schutzausrüstungen. Die extrem rechtsgerichtete Regierung habe die Lage überhaupt nicht im Griff. Es werden den Menschen zwar viele Versprechungen gemacht, doch konkrete Hilfen bleiben meistens aus. „Vielfach sind die Menschen auf sich allein gestellt. Würden sie einander nicht gegenseitig helfen, wäre die Situation noch dramatischer“, so der Priester. Als völlig absurd wertet er die von der Regierung angeordnete Ausgangssperre von jeweils 14 Uhr bis um 6 Uhr des nächsten Tages: „Soll das etwa heißen, dass das Coronavirus außerhalb dieser Uhrzeiten ‚schläft’ und sich nicht verbreitet?“ Im Zusammenhang mit der Pandemie gingen schon mehrfach Bilder von Horror-Szenen aus Ecuador um die Welt. Menschen, die zuhause im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben sind, wurden einfach auf den Straßen abgelegt. Walter Coronel: „Den Leuten wird gesagt, sie sollen die Toten auf die Straßen bringen, von wo sie dann in einer Stunde abgeholt würden. Ich weiß aus eigenen Informationen, dass Tote oft tagelang auf den Straßen lagen.“ Was das bei hohen Temperaturen bedeutet und welche Gefahren von verwesenden Körpern ausgehen können, könne sich jeder vorstellen. Nicht nur in der Hafenstadt Guayaquil lagen schon oft Leichensäcke auf den Straßen. Die Bestatter schafften es nicht, alle Toten zu bergen. Und nicht nur in diesem Punkt muss sich Ecuadors Regierung den Vorwurf gefallen lassen, mit der Corona-Pandemie vollständig überfordert zu sein. Außerdem wurden mehrfach Container voller Leichen mit ungeklärter Identität gefunden. In Ecuador gibt es laut dem Priester viele Menschen, die auf dem Papier gar nicht existieren: „Viele haben keine Identitätskarte. Man kann sich vorstellen, dass vor allem solche Menschen bei allen Hilfsaktionen und Hilfsprojekten durch den Rost fallen.“ In seinem Pfarreibezirk und in anderen Bezirken werde versucht, an die Bedürftigsten Lebensmittelpakete zu verteilen. „Mit so einem Pakt kann eine Familie rund eine Woche lang überleben“, so Coronel. Er hat mittlerweile bei der Caritas und bei Missio gebeten, die Ärmsten der Armen in Ecuador auch dieser verheerenden Pandemie zu unterstützen. „Es ist richtig, dass wir als Kirche das Evangelium zu den Leuten bringen, aber wir müssen auch konkrete Zeichen der Hilfe und Unterstützung für die Menschen mitbringen“, ist der Priester überzeugt. In Ecuador wurden zum Stichtag 5. Juni 41.782 Covid-Infizierte gezählt, die Zahl der Toten wurde offiziell mit 5.878 angegeben. Wie in vielen anderen Ländern dürften die Dunkelziffern aber auch in Ecuador die tatsächlichen Zahlen bei weitem überschreiten.

Josef Laner
Josef Laner

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