Bürgermeister Zeno Christanell stand Rede und Antwort.

Naturnser Wege und Visionen

Über Großprojekte, Soziales, leistbares Wohnen, Tourismus,thermale Chancen und mehr. BM Zeno Christanell im Interview.

Publiziert in 16 / 2024 - Erschienen am 10. September 2024

NATURNS - Für die Politik gilt Naturns oft als „heißes Pflaster“. Viele verschiedene Bereiche, zahlreiche diverse Interessen. Zeno Christanell (SVP) kennt das Geschehen in Naturns, bereits im Jahr 2000 wurde er im Alter von nur 19 Jahren jüngster Gemeindereferent Italiens. Seit 2020 regiert er als Erster Bürger. der Vinschger hat sich mit ihm zum Bürgermeister-Gespräch getroffen.

der Vinschger: Sie haben bald ihre erste Verwaltungsperiode als Bürgermeister hinter sich. Im Mai stehen Gemeinderatswahlen auf dem Programm. Alles andere als eine erneute Kandidatur wäre wohl eine Überraschung. Hat der Wahlkampf bereits begonnen?

Zeno Christanell: Ich bin auf alle Fälle motiviert und kann mir eine erneute Kandidatur gut vorstellen. Wir sind eine Gruppe voller Tatendrang und arbeiten harmonisch und zielorientiert. Es geht auch einiges weiter. So macht die Arbeit Spaß. Ich denke, dass noch im September eine Entscheidung im Hinblick auf die kommenden Wahlen fallen wird.

Wie blicken Sie auf die vergangenen Jahre zurück?

Das Amt des Bürgermeisters ist eine anspruchsvolle, für mich aber sehr erfüllende Aufgabe. Schon vorher, als junger Referent, gefiel mir, dass man in der Gemeindepolitik unmittelbar wirken kann und viele Gestaltungsmöglichkeiten hat. Das ist als Bürgermeister nochmal intensiver. Wobei der Start sehr herausfordernd war. Lange Zeit ging es nur um die Coronavirus-Pandemie. Es galt plötzlich, Massentests zu organisieren und die Gemeinde in einer Krisenzeit zu führen. Mit viel Solidarität und einem gesunden Maß an Hausverstand haben wir diese Herausforderung gemeistert. Natürlich gibt es auch heute noch Nachwirkungen der Pandemie, keine Frage. Viele Menschen fanden aber aus dieser schwierigen Zeit bald zu ihrem Optimismus zurück. Diese Erfahrung stimmt mich zuversichtlich. Gleichzeitig bin ich auch zufrieden, dass die Gemeinde finanziell grundsolide dasteht. Das war nicht immer so. Vor 20 Jahren betrug der Schuldenberg rund 27 Millionen Euro – Naturns war eine der hochverschuldeten Gemeinden Südtirols. Heute sind wir fast schuldenfrei und haben Spielräume für die Zukunft.

Was waren die größten Projekte?

Da gab es so einige. Das Projekt Generationenpark etwa wurde kürzlich fertiggestellt, am kommenden Samstag, 14. September, steht die offizielle Eröffnungsfeier auf dem Programm. Die Dienste werden dann im November starten. Der neue Kindergarten „Generationenpark“ konnte hingegen bereits mit 5. September termingerecht öffnen. Erst in diesem Februar war das Fundament gegossen worden. Da haben wirklich viele Menschen eine super Arbeit geleistet, dass das so geklappt hat. Dadurch konnte nach intensiver Vorbereitung der Neubau des Kindergartens „Feldgasse“ losgehen. Die Kosten belaufen sich auf rund 6 Millionen Euro. Eine gute Investition in junge Köpfe. Er soll 2026 fertig werden: Damit sind wir strukturell für die Zukunft gerüstet. Das Nebenhaus im Rathauspark ist dann nicht mehr notwendig und die Grünanlage kann neugestaltet werden. Auch das neue Fernheizwerk ging in diesem Jahr in Betrieb, was mich im Sinne der Nachhaltigkeit besonders freut. Der Biomassekessel wurde ausgetauscht und wieder von Gas auf Hackschnitzel aus Naturnser Wäldern umgestellt. Unter anderem deshalb erhielten wir als erste Gemeinde der westlichen Landeshälfte die Auszeichnung „Klimagemeinde Silver“. Die feierliche Eröffnung des neuen Texelhauses war ein weiteres Highlight. Mit unserem Würstelstandl und dem Park erfreut es sich großer Beliebtheit. Nicht zuletzt hat sich in unserem Erlebnisbad sehr vieles getan. Es wurde in den letzten Jahren zur Erlebnistherme und erfährt jetzt gerade einen größeren Umbau. Mit dem Neubau der Feuerwehhalle in Tabland wird ein wichtiges Anliegen der Fraktionen bald abgeschlossen. Außerdem ist der Ausbau des Glasfasernetzes in der Peripherie zuletzt gut vorangekommen.

Welche Chancen bietet die Therme Naturns?

Das ist eine große Chance. Es geht aber nicht darum, ein Produkt zu schaffen, um Massen anzuziehen. Die Wirkung des Thermalwassers ist erwiesen. Es lindert insbesondere rheumatische Beschwerden. Es ist also in erster Linie ein gesundheitliches und soziales Thema. Gleichzeitig werden wir ein Schwimmbad für die ganze Familie bleiben. Deshalb wird beim aktuellen Umbau auch ein neues Kleinkinderbecken im Hallenbad entstehen. Das Thermalwasser soll nämlich indirekt allen zugutekommen. Dabei können wir von einer beispielhaften Zusammenarbeit zwischen Privaten und der öffentlichen Hand sprechen. Zehn Naturnser Hotels haben die Kosten von fast einer Million Euro für die Thermalwasser-Leitungen von der Quelle in Staben bis nach Naturns gestemmt und auch beim neuen Projekt beteiligt sich die Tourismusgenossenschaft maßgeblich.

Bleiben wir bei Hotels und Tourismus. Gibt es in Naturns einen Übertourismus?

Nein. Davon spricht man, wenn die Gästebetten die Bevölkerungszahl eines Ortes deutlich übertreffen. Davon sind wir sehr weit entfernt. Bei uns gibt es knapp 3.000 Betten bei über 6.000 Einwohner/innen. Es gibt auch keinen Hot-Spot wie in anderen Teilen Südtirols, wo massenweise Tagestouristen in Bussen herbeiströmen. Das ist auch gut so. Wir haben zwar das Prokulus-Kirchlein als internationales Kulturgut, aber da reden wir von unter 10.000 Besuchern im Jahr. In der Gemeinde Naturns gibt es jährlich 500.000 Nächtigungen. Von den 123 Betrieben gehören zehn mit insgesamt weniger als 1.000 Betten dem höheren Segment an. Die anderen Betten finden sich in kleineren Hotels, Pensionen, Campingplätzen, der Privatzimmervermietung oder beim Urlaub auf dem Bauernhof. Ich denke, da können wir objektiv von einem gesunden Verhältnis sprechen. Der Gemeinderat legt den Schwerpunkt vor allem auf die Förderung der kleineren Betriebe. Deshalb gingen die 98 Betten, die noch zur Verfügung standen, an 19 unterschiedliche Antragsteller. Jetzt ist das Kontingent erschöpft, der Bettenstopp funktioniert. Eine übermäßige Zunahme ist nicht gewollt und wird es auch nicht mehr geben.

Naturns ist als teures Pflaster verschrien. Was kann die Gemeinde dagegen tun?

Wir bemühen uns sehr um leistbaren Wohnraum. Dem Gemeinderat ist das ein großes Anliegen, auch wenn das schwierig ist, weil die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt. Mit der Wohnbauzone Lahn ist uns aber in Zusammenarbeit mit der Arche im KVW ein mustergültiges Projekt gelungen. Da reden wir laut Arche von durchschnittlich 3.000 Euro pro Quadratmeter Konventionalfläche. Zum Beispiel kostet eine Fünfzimmerwohnung mit 85,6 Quadratmetern Nettowohnfläche, einer 21,6 Quadratmeter großen Terrasse, 105,35 Quadratmetern Garten und einem Keller mit 8,5 Quadratmetern schlüsselfertig ohne Mehrwertsteuer insgesamt 345.325 Euro. Davon kann noch die individuelle Wohnbauförderung abgezogen werden. Das ist für Naturns ein sehr günstiger Preis. Im nächsten Sommer schon werden 15 Familien ihre neuen Wohnungen in topzentraler Lage beziehen können. Wir werden auch in den nächsten Jahren solche Projekte anbieten und alle Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, nutzen.

Eine Projektidee ist vorerst gescheitert. Beim neuen Dorfzentrum, insbesondere von Gegnern als „Plaza-Projekt“ bezeichnet, mit der Umgestaltung des Rathausparkplatzes, einer Tiefgarage und darauf zu errichtenden Gebäuden herrscht Stillstand. Sind Sie enttäuscht?

Ja. Es wäre meiner Meinung nach eine sinnvolle Sache und eine Aufwertung gewesen, ganz nach dem Motto „Park und Platz statt Parkplatz“. Was wir uns aber ankreiden lassen müssen ist, dass wir hier wohl zu schnell waren und die Kommunikation nicht klar genug gelang. Eigentlich war der erste Vorschlag gut gemeint und im Sinne dessen, was beim letzten partizipativen Prozess, der Vision 2030+, von vielen gewünscht wurde. Die grafischen Unterlagen dazu wurden dann fälschlicherweise als fertiges Projekt betrachtet. Dabei sollten sie nur eine Hilfestellung für eine ergebnisoffene Diskussion sein. Nun liegt alles auf Eis. Das ist aber kein Problem. Über kurz oder lang wird man sich schon wieder gemeinsam Gedanken machen, wie sich der Parkplatz weiterentwickeln kann.

Der partizipative Prozess ist Ihnen wichtig?

Das war schon immer ein Schwerpunkt in unserer Politik, vom Naturnser Modell bis zur Vision 2030+ oder aktuell beim Gemeindeentwicklungsprogramm, und so wird es auch bleiben. Wir wollen die Bevölkerung mitnehmen, die großen Entscheidungsfindungen sollen gemeinsam erfolgen. Dafür tun wir einiges, es gibt zahlreiche Bürgerversammlungen, einen jährlichen Bürgeraperitif, den Bürgerrat und ein regelmäßiges Bürgercafé. Als einzige Gemeinde Südtirols hat Naturns einen Familienbeirat eingesetzt. Dazu zehn permanente Arbeitsgruppen, zu denen sich alle Bürger/innen melden können. Jeder ist willkommen, der sich für die Allgemeinheit engagieren möchte.

Wie werden die Angebote dazu angenommen?

Verschieden. Ich denke, generell erwarten sich die Menschen von ihrer Gemeindeverwaltung zu Recht, dass Angebote zur Partizipation gemacht werden. Insbesondere wenn man unmittelbar betroffen ist, bzw. es um die Gestaltung des direkten Lebensraumes geht, sind schon viele sehr daran interessiert mitzuwirken. Manche Veranstaltungen und Bürgerversammlungen waren überaus gut besucht, andere natürlich weniger. Wir sind aber von diesem bürgernahen Weg überzeugt und das wird sehr wertgeschätzt, das ist schon zu merken.

In Sachen Einbrüche gibt es derzeit häufig Meldungen aus Naturns.

Naturns ist – wie die allermeisten Dörfer in Südtirol – ein sehr sicherer Wohnort. Es stimmt aber, dass es aktuell zahlreiche Einbrüche gibt. Leider. Die Carabinieri und die übergemeindliche Ortspolizei führen deshalb intensive Kontrollen und mehr Streifendienste durch. Dem Gemeinderat ist das Thema Sicherheit ganz wichtig, weshalb gemeinsam mit allen anderen Vinschger Gemeinden viel in die Professionalisierung der Ortspolizei investiert wird. Zur Unterstützung der Behörden wurden zudem bereits Standorte für Überwachungskameras genehmigt, welche nachweislich präventiv und deeskalierend wirken. Die Umsetzung wird in Zusammenarbeit mit der Bezirksgemeinschaft Vinschgau in den nächsten Monaten erfolgen.

Welches ist ihr persönliches Lieblingsprojekt in Naturns?

Ich begeistere mich immer wieder für neue Vorhaben, würde aktuell spontan aber den neuen Generationenpark nennen. Damit habe ich eine große Freude, weil er exemplarisch für so vieles steht, das mir wichtig ist. Die dort umgesetzten sozialen Projekte zeigen, dass wir in einer gesunden Solidargemeinschaft leben, in der es möglich ist, Raum für alle zur Verfügung zu stellen. Für Menschen, die Betreuung brauchen, für jene, die gewisse Beeinträchtigungen haben, für Kinder und Jugendliche. Das ist eine wichtige gesellschaftliche Errungenschaft. Und meiner Meinung nach auch eine Stärke in ganz Südtirol. Unabhängig vom sozialen Stand haben bei uns alle gleichberechtigt Zugang zu wichtigen Infrastrukturen und Angeboten. Sei es der Kindergarten oder das Betreute Wohnen. Alle können es sich leisten oder werden notfalls entsprechend unterstützt. Es ist einfach wichtig, dass eine Gesellschaft auch jene auffängt, die keine lautstarke Lobby haben. Von den ganz Kleinen bis zu den Älteren – niemand darf allein gelassen werden. Der Generationenpark mit seinen vielen Strukturen, insgesamt 14 an der Zahl, von der Tafel bis zum Jugendzentrum, vom Tagespflegeheim bis zur Freiwilligen Feuerwehr und vielem mehr ist die Manifestation dieser Idee.

Michael Andres
Michael Andres

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.