Auf leeren Rängen (v.l.): Die Naturnser Sportreferentin Astrid Pichler, der sportliche Leiter des SSV Naturns Günther Pföstl, Fußball-Sektionsleiter Luis Pföstl und Norbert Kaserer, Vorstandsmitglied im Sportverein.
Ungewohntes Bild: Ein Oberligaspiel in Naturns vor leeren Rängen

Rassismus? Naturns wehrt sich gegen Vorwürfe

Sportverein legt seine Sichtweise dar: „Ungerecht behandelt“. 

Publiziert in 18 / 2018 - Erschienen am 15. Mai 2018

Naturns - Ohnmacht: So beschreiben es einige Funktionäre des Naturnser Sportvereins. Es sei ein regelrechter Spießrutenlauf gewesen. Von Sportgerichten und Verbänden fühle man sich ungerecht behandelt. Die Konsequenz: Ein Rücktritt und ein großer Imageschaden. Nach dem erfolgreich geschafften Oberliga-Klassenerhalt wurde vergangene Woche bei einem Treffen mit Pressevertretern Klartext in der „Rassismus-Causa“ gesprochen. Aber der Reihe nach: Die Ursachen des „Naturnser Konflikts“ reichen auf Mitte April zurück. Naturns rückte aufgrund von rassistischen Tendenzen in den Blickpunkt verschiedener Medien. Auslöser war nicht der Besuch einiger weniger Verwirrter auf einem Neonazi-Festival in Deutschland, sondern ein Fußballspiel. Plötzlich sah sich ein ganzer Verein auf der Anklagebank. „Übertrieben und zu Unrecht“, wie Funktionäre immer wieder betonen. Es war, laut Mitteilung des Verbandes, beim Spiel am Ostermontag gegen Virtus Bozen. „Für uns war es eigentlich ein eher ruhiges Spiel. Als das Rundschreiben des Verbandes einige Tage später veröffentlicht wurde, sind wir aus allen Wolken gefallen“, so der sportliche Leiter des SSV Naturns Günther Pföstl. 

„Diese Sachen wurden so nie gesagt“

Das so genannte „Comunicato“ des Verbands hatte es in sich. Von rassistischen Beleidigungen einer ganzen Fangemeinde ist hierbei die Rede. Demnach sei der Linienrichter, ein Mann mit Migrationshintergrund, fast während des gesamten Spiels rassistisch beleidigt worden. „Es ist festzuhalten, dass es sich nicht um einen Einzelfall gehandelt hat, sondern um das abscheuliche Verhalten seitens einer größeren Gruppe der Anhängerschaft von Naturns, das sich von der 23. Minute der ersten Halbzeit an bis zu Spielende, hinausgezogen hat“, steht dort unter anderem geschrieben. Zudem stehen einige der vermeintlichen Zurufe im Schreiben. „Sachen, die so aber nie gesagt wurden“, betont Pföstl. Unmittelbar nach der Mitteilung des Verbandes, die ein Spiel vor leeren Rängen in Naturns sowie ein Spiel vor leerer Tribüne auf neutralem Platz nach sich zog und ein weiteres Heimspiel vor leeren Rängen auf Bewährung beinhaltet, machte sich der Vorstand des Vereins an die Aufarbeitung der Geschehnisse. „Es galt transparent die Sachen aufzuarbeiten“, so Pföstl. Schnell habe man entschieden Rekurs einzulegen. „Natürlich, es fallen auf einem Sportplatz schon mal Beleidigungen. Aber dieser Rassismus hat in dieser Form bei uns nicht stattgefunden“, bestätigt Pföstl. 

Beleidigungen ja, Rassismus nein 

Auf den Rekurs habe man sich penibel vorbereitet. Unter anderem wurde von Virtus Bozen Videomaterial zur Verfügung gestellt. Dabei sei eben jener Teil der Naturnser Anhängerschaft zu sehen, von wo aus die rassistischen Beleidigungen gekommen sein sollen. „Die Videos stützten unsere Aussagen. Es gab Beleidigungen, aber nicht in dieser rassistischen Art, die angeprangert wurde“, erklärt Sektionsleiter Luis Pföstl. Auch neutrale Zuseher, seien es Personen aus Naturns, aber auch Gäste aus dem restlichen Vinschgau, die sich in unmittelbarer Nähe des „Tatorts“ befunden hätten, bestätigten, dass es die rassistischen Beleidigungen nicht gab. „Aber Videos und alle unsere anderen Recherchen wurden vom Sportgericht nicht als Beweis angenommen. Lediglich die Aussagen, die vom Linienrichter im Spielberichtsbogen gemacht wurden, haben gezählt“, hadert Pföstl.

Sektionsleiter erklärt Rücktritt 

So wurde das Urteil in einem Rekursverfahren vom Sportberufungsgericht bestätigt. „Das hat ein enormes mediales Echo und eine tiefe Erschütterung in der Naturnser Dorf- und Sportgemeinschaft hervorgerufen“, so die Naturnser Funktionäre. Als Konsequenz der Vorfälle hat Sektionsleiter Luis Pföstl seinen Rücktritt erklärt: „Aber nicht wegen irgendeiner Schuld, sondern weil man sich als Funktionär machtlos fühlt. Wie man behandelt wird ist ein Witz“. Mit diesem Urteil habe man ein Exempel statuieren wollen. Gemeindereferentin Astrid Pichler, selbst langjähriger Fan des SSV Naturns und regelmäßig bei Heim- und Auswärtsspielen mit dabei, betont: „Das war Thema im ganzen Dorf und ging bis in den Gemeindeausschuss. Den Vorfällen wurde nachgegangen. Ich bin überzeugt, dass es diese rassistischen Probleme beim Sportverein in Naturns nicht gibt“. 

Verein ist sich Verantwortung bewusst 

Der Verein sei sich der großen Verantwortung und Vorbildfunktion bewusst. Dass Naturns auch sonst aufgrund Einzelpersonen, die jedoch keineswegs Stadionbesucher seien, in ein schlechtes Licht gerückt würde, komme leider erschwerend hinzu, betonten die Funktionäre. Zusammenhänge diesbezüglich gebe es jedoch nicht. Für Rassismus sei beim SSV Naturns kein Platz. „Wir setzen uns seit jeher dafür ein, einen Beitrag zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund zu leisten. Im Verein gibt es sehr viele Spieler mit Migrationshintergrund. Es gab noch nie Probleme“, stellt Norbert Kaserer, Vorstandsmitglied des SSV Naturns klar. Ein Asylwerber aus Mali sei zudem als Helfer im Verein tätig. Neben dem Image-Schaden gebe es auch einen großen wirtschaftlichen Schaden. Mehr als die 1500 Euro Geldstrafe schmerzten die Spiele vor leeren Rängen. „Bei einem Heimspiel mit Obermais hätten wir mit über tausend Zuschauer gerechnet“, betont Pföstl. Trotz der ungerechten Behandlung wolle man in Zukunft noch mehr sensibilisieren. Unter anderem soll Mitte Juni eine Podiumsdiskussion zur „Naturnser Fußballkultur“ stattfinden. 

Michael Andres
Michael Andres
Vinschger Sonderausgabe

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