Der Gemeinderat und der Verwaltungsrat der Tourismusgenossenschaft (2 Bilder untere Zeile, rechts) im Ringen um das Überleben des Erlebnisbades.

Sein oder nicht sein?

Gemeinderat Naturns: Wie kann das Erlebnisbad Erlebnisbad bleiben? 

Publiziert in 4 / 2022 - Erschienen am 1. März 2022

Naturns - Es ging um die Finanzierung einer Einrichtung, die den Verwaltungsrat der Betreibergesellschaft „Naturns Kultur & Freizeit“, den Gemeindeausschuss, den Gemeinderat, die Tourismusgenossenschaft und den SVP-Ortsausschuss seit Wochen beschäftigt. Im übertragenen Sinne haben Bürgermeister Zeno Christanell und der Verwaltungsrat sowohl in der Klausurtagung am 31. Jänner, als auch im Gemeinderat vom 14. Februar die „Shakespeare-Frage“ gestellt. Fast zwei Stunden hatten sich die Volksvertreter in der Ratssitzung mit dem Tagesordnungspunkt 7 „Führung und Finanzierung Erlebnisbad“ auseinandergesetzt. Denkanstöße geliefert hatte Andreas Heidegger, Verwaltungsratspräsident, mit der Präsentation von Besucherzahlen und Folgerungen daraus. Wenn unter den 100.000 Besuchern jährlich 691 über Jahreskarten von 63 Naturnser Betrieben verfügen und fast 1.000 Eintritte auf die Schuljugend entfallen, dann muss wohl allen Gemeinderäten klar geworden sein, dass das Erlebnisbad „eine wichtige Struktur des Wirtschafsstandortes Naturns“, eine Attraktion mit Gesundheitswert für den Urlaubsort Naturns und „ein Wettbewerbsvorteil für touristische Kleinbetriebe“ ist. Die inzwischen bekannten sieben „Führungskonzepte“ mit unterschiedlichen Schließungs- und Öffnungszeiten, mit Schließung von Bereichen, mit Verpachtung, Direktführung durch die Gemeinde, in Partnerschaft mit der Therme Meran oder Beschränkung auf das Freibad wurden abwechselnd von Andreas Heidegger, Astrid Pichler, Referentin, und Uli Stampfer, Direktor der Tourismusgenossenschaft, vorgestellt und führten zur einfachen Erkenntnis, dass „sich auf längere Sicht durch energetische Sanierung am meisten einsparen“ lasse. Bürgermeister Christanell war optimistisch: „Ich bin überzeugt, dass wir einen guten Mix an Finanzierungsmaßnahmen finden und vermitteln können; einen, der nicht ungleich belastet.“ Es gehe um einen Finanzbedarf von 400.000 Euro, erklärte Referentin und Verwaltungsrätin Astrid Pichler. Ungefähr 100.000 Euro wurden jeweils investiert und 300.000 Euro für die Führung aufgewandt. „Wir streben eine Reduzierung um 100.000 Euro an.“ Es waren die Räte der Südtiroler Freiheit Dietmar Rainer und Michael Lochmann, die Details geklärt haben wollten. Wie man mit dem Jahreskartenverkauf in Pandemie-Zeiten umgegangen sei, was die Leitung für das Thermalwasser gekostet habe und ob nicht der Vorschlag einer Partnerschaft oder ein versteckter Plan in der Schublade liege. Denn - so Lochmann - der Verwaltungsrat erwecke den Eindruck, dass er mit den präsentierten Maßnahmen selbst nicht einverstanden sei. Ana Maria De Castro (Für Naturns) hielt es für angebracht, die Aufenthaltssteuer zu erhöhen, weil die Sterne-Hotels durch ihre Wellness-Anlagen dem Erlebnisbad Kunden entziehen. Dazu nahm Tourismusdirektor Stampfer Stellung und legte klar, dass das Erlebnisbad nicht vorgeschoben werden dürfe, um die Ortstaxe zu erhöhen, vielmehr müssten alle ihre Hausaufgaben machen: „Dazu spreche ich vor allem die energetische Sanierung an“. Der Vollständigkeit halber müsste man bei den Aufwänden der Gemeinde die Einnahmen durch den Strom der Photovoltaik-Anlage abziehen, ergänzte Rat Norbert Kaserer (SVP); auch möchte er den Einnahmeposten Miete erklärt haben. Als SVP-Fraktionssprecher Andreas Pircher einen konkreten Vorschlag ankündigte, konnte er sich der Aufmerksamkeit aller sicher sein. „Wir im Ortsausschuss haben den Plan gefasst, eine überparteiliche Arbeitsgruppe zu bilden. Gemeinderäte, Verwaltungsräte und Experten könnten dort sitzen“, erklärte Pircher. Die einzelnen Fraktionen sollten schon in dieser Woche (14. bis 19. Februar) vorschlagen, wen sie in die Arbeitsgruppe entsenden.

„Das Volk soll entscheiden“

Teilweise skurril verlief die anschließende Diskussion, an der sich die Räte Rainer (STF, „Traut der Bürgermeister seiner Referentin nicht mehr?“), Kaserer (SVP), Astrid Tappeiner („Ich bin im Moment ratlos“) und Evi Prader (beide Zukunft Naturns) beteiligten. Helmut Müller (SVP) rief dazu auf, die Parteipolitik auf die Seite zu legen und alles zu unternehmen, diese Struktur offen zu halten. Er erinnerte an die starke Partnerschaft und die finanziellen Leistungen der Tourismusgenossenschaft. „Es kann sich durch das Thermalwasser alles wieder zu unseren Gunsten drehen.“ Natascha Santer (STF) wollte wissen, warum vorhergehende Verwaltungen immer wieder Großprojekte - z.B. Bau des Naturparkhauses - ins Auge gefasst, aber die Situation im Hallenbad nicht beachtet haben. Bürgermeister Christanell warnte vor der Vermischung von Investitionsmitteln und laufenden Kosten. „Wir brauchen den gemeinsamen Einsatz“ meinte er. Schon allein wegen der Tatsache, dass das Thermalwasser eine neue Chance eröffnet habe. Es klang überzeugt und überzeugend: „Wir werden das Geld für die energetische Sanierung auftreiben, aber wir müssen einen Lösungsvorschlag vorlegen.“ Es ging auf vier Stunden Ratssitzung zu, als der eingeschobene Tagesordnungspunkt der Südtiroler Freiheit „Abhaltung einer Volksabstimmung, in welcher Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Naturns über eine Auswahl von Zukunftsszenarien für die Naturns Kultur & Freizeit GmbH - zukünftige Führung, Partner und Finanzierung des Erlebnisbades Naturns - entscheiden dürfen“ zur Abstimmung kam. Rätin Santer hatte dazu eine Stellungnahme verlesen, die mit dem Satz endete: „Die Kassen sind knapp, die Bevölkerung soll entscheiden wie viel ihres Geldes auch in Zukunft investiert werden soll.“ Die Ratsfraktionen Für Naturns, Zukunft Naturns und Südtiroler Volkspartei lehnten eine Volksbefragung ab: Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe sollen abgewartet werden.

Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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