Stromgeschichte im Buch

Publiziert in 17 / 2017 - Erschienen am 10. Mai 2017

Vinschgau - In rund 1.000 Kraftwerken werden in Südtirol jedes Jahr zwischen 5 und 6 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt. Damit ist Südtirol bis heute der größte Stromlieferant Italiens. Den Großteil des Stroms liefern 30 Großkraftwerke, von denen die meisten aus der Zeit der faschistischen Diktatur stammen. „Die damaligen Machthaber wollten einen größtmöglichen Nutzen aus der nach dem 1. Weltkrieg annektierten Provinz ziehen. Da sie weder auf die Bevölkerung noch auf die Landschaft Rücksicht nehmen mussten, wurden überall dort, wo es irgend möglich war, Stauseen und Kraftwerke errichtet“, heißt es im Buch „Südtirol unter Strom - Der Ausbau der Wasserkraft in Südtirol von der k.u.k-Zeit bis heute“ von Christoph Gufler. Das 159 Seiten umfassende, mit zahlreichen Abbildungen ausgestattete Buch ist 2015 in der Verlagsanstalt Athesia erschienen. Wie Gufler im Band belegt, wurde die „Politik der Ausbeutung“ auch nach dem 2. Weltkrieg fortgesetzt: „Dabei spielte es keine Rolle, dass ganze Dörfer und zahlreiche Höfe den Interessen des Staates geopfert wurden.“ 7 Quadratkilometer bestes Bauernland mit zwei Dörfern und 133 Höfen, in denen rund 1.000 Menschen und 1.500 Großvieheinheiten lebten, fielen zum Beispiel dem Stauseebau am Reschen zum Opfer. Der Vinschgau zählt mit den Kraftwerksanlagen in Graun, Glurns, Laas-Kastelbell und Naturns, wo insgesamt rund 1.250 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugt werden, zu den am stärksten betroffenen Gebieten Südtirols. Der Strom wurde in die aus politischen Gründen errichtete Industriezone von Bozen und in die Poebene transportiert. Es ist laut Gufler kein Zufall, „dass die Sprengstoffanschläge in der Herz-Jesu-Nacht 1961 den Hochspannungsmasten als Symbole des staatlichen Imperialismus galten.“ Die Stromgewinnung in Südtirol sei auf das Engste mit der politischen Entwicklung des Landes verbunden. In 50 Kapiteln zeichnet Gufler die Geschichte der Stromproduktion von der späten Kaiserzeit bis zum so genannten SEL-Skandal nach. Hand in Hand damit entstand auch ein lebendiges Bild der Landesgeschichte der vergangenen 100 Jahre. Der Autor vertrat übrigens als Bürgermeister von Lana viele Jahre lang die über 40 Standortgemeinden von ENEL-Anlagen bei den Verhandlungen mit Land und SEL. Der versierte Heimatkundler hat sich in mehreren Publikationen intensiv mit der Geschichte der Wasserkraft in Südtirol auseinandergesetzt. 

Redaktion
Vinschger Sonderausgabe

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