International eine Größe: das Vocalensemble „incantanti“ aus Chur.
Dirigent Christian Klucker
Marion Veith führte durch die Chorschranken-Sammlung.
Kloster St. Johann, das Weltkulturerbe in der Nachbarschaft.

Weltkultur in der Nachbarschaft

Seit 1983 gehört das Kloster St. Johann in Müstair zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Publiziert in 13 / 2023 - Erschienen am 18. Juli 2023

Müstair - Bekanntlich mündet das Münstertal in den Vinschgau und der größte Ort im Tal, das Klosterdorf Müstair, ist wenige Fahrradstrampler von der Südtiroler Gemeinde Taufers entfernt. Entschieden mehr Fahrradumdrehungen, aber immer noch wenige Kilometer sind es bis zum Obervinschger Hauptort Mals. Glurns, die Vinschger Stadt, liegt nur rund 9 km vom Weltkulturerbe entfernt. Es gibt keine Statistiken, wie viele „ausländische Nachbarn“ ihr benachbartes Weltkulturerbe kennen oder sogar besuchen. Inzwischen hat das „Claustra Son Jon“ der Benediktinerinnen schon das 40-Jährige als Weltkulturerbe gefeiert. Seit 1983 stehe die gesamte Klosteranlage, der größte karolingische Freskenzyklus aus dem 9. Jahrhundert in der Klosterkirche, die karolingische Heiligkreuzkapelle und der 957 erbaute Plantaturm im Welterbe-Rang, war nachzulesen. Mit dem Kloster in Müstair wurden auch die Altstadt in Bern und der Stiftsbezirk von St. Gallen in die Liste aufgenommen. Son Jon in bester Gesellschaft! 

Die Archäologie im Bunker

Ein Programmpunkt der „Jubiläumsfeier“ am Schweizer Welterbetag, 10. Juni, betraf die Führung durch das Archäologische Archiv. Als man uns aufforderte, die Straße vor dem Kloster zu überqueren und uns zu einer Marmor-Stele auf der grünen Wiese zu begeben, kam uns das sehr seltsam vor. Schließlich hat man als Archiv in erster Linie eine Art Bibliothek vor Augen, in zweiter erst denkt man an Sammlungen von Fundstücken aus 3. Jahrtausenden. So dachten wir. Die Archäologin Marion Veith erklärte, warum der Zugang durch Wiesengelände verläuft und dass die Auflage, jeder Schweizer habe Anrecht auf einem Platz im Bunker, den Klosterbesuchern auch den Besuch eines „unterirdischen Archivs“ ermöglicht. Es bedurfte fachlicher Erklärungen, um nicht an der Menge der zahllosen Chorschranken entmutigt zu scheitern. Berührender und anschaulicher wurde es bei den unzähligen Kleinfunden, darunter Schmuck, Gebrauchsgegenstände aller Art und römische Münzen, Tiroler Etschkreuzer und Fiorini d’Oro der Mailänder Familie Visconti. So dachten die Archivbesucher, die auf das Kirchenkonzert des Vokalensembles „incantanti“ warteten. Was sich dann in der Klosterkirche abspielte, überstieg alle Erwartungen, Vorstellungen und Erinnerungen. Der italienisierte Tiroler musste schon beim Namen des Ensembles stutzig werden. Es waren nicht irgendwelche „Cantanti“, Singende, auch nicht „Incantati“, Verzauberte, die da auftraten, sondern die „Verzaubernden“, die Incantanti. Zur Einführung versuchte der bekannte Arzt Martin Meuli aus Chur, seines Zeichens Stiftungsrat Pro Kloster St. Johann, das Publikum auf eine neue Form von Applaus einzustimmen. Er nannte es einen „gehörlosen Beifall“ und zeigte mit flatternden Händen, hochgestreckten und abgespreizten Fingern, was man sich darunter vorzustellen hatte. Ein temperamentvoller
Dirigent Christian Klucker versuchte auch jene durch das Konzert zu begleiten, die weder den romanischen Tal-Dialekt „Jauer“, noch die Amtssprache „Vallader“ beherrschten. Nachdem die innovativen „Choricals“ – ein Mix aus Chorgesang und Musicals – durch wechselnde Gruppierungen im Kirchenraum allein schon als besondere Klangerlebnisse empfunden wurden, war für die „ausländischen“ Besucher der Einzug mit Kuhschelle, mit Einsatz des Alphorns und die schwungvollen Begleitung der Lieder „Lueget, vo Berge und Tal“ und „Vo Luzärn uf Wäggis zue“ ein begreifbarer Höhepunkt des Konzertes mit dem großartigen Vokalensemble „incantanti“. Das Musizieren im Klosterbezirk geht weiter mit der Konzertreihe „Vettas – Schichten“. Bei der Veranstaltung am 17. September treten Gernot Niederfriniger (Psalterzither) und Christoph Anstein (Text) in der Heiligkreuzkapelle auf.

Günther Schöpf
Günther Schöpf

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