Die Alp Steistoos im Obersimmental im Berner Oberland
Marian (links) und Serafin bei der Arbeit im Käsekeller.
Marian (links) und Serafin bei der Arbeit im Käsekeller.
Das ist der Lohn der harten Arbeit.
16 Kühe, 9 Kalbinnen und 12 Tränkekälber, alle der Rasse Simmental, verbrachten den Sommer auf der Alp Steistoos.

Wertvolle Erfahrung und Abenteuer zugleich

Zwei junge Vinschger bewirtschaften Alp im Simmental im Berner Oberland. Zwischen Weide, Stall, Käserei und Ausschank.

Publiziert in 19 / 2022 - Erschienen am 25. Oktober 2022

Eyrs/Laas - Wie ist möglich, dass zwei junge Burschen ohne Hilfspersonal nicht nur auf das Vieh schauen, sondern auch Käse und Butter herstellen, die Arbeit im Stall verrichten und noch dazu die Gäste im Ausschank bewirten? Und wie kommt es, dass die zwei Jungs 6 Autostunden vom Vinschgau bis ins Berner Oberland zurücklegen, um die Alp zu führen? Es waren diese und weitere Fragen, die eine Schweizer Regionalzeitung dazu bewogen hat, heuer im Sommer die Alp Steistoos in der Gemeinde Lenk im Obersimmental im Berner Oberland zu besuchen und den zwei jungen Älplern Marian Eberhöfer (22) aus Laas und Serafin Niederfriniger (21) aus Eyrs über die Schultern zuschauen und ihnen ein paar Stunden der knapp bemessenen Zeit zu „stehlen“.

Schon in jungen Jahren auf Almen

Den Entschluss, im heurigen Sommer eine Alp in der Schweiz zu übernehmen, hatten Marian und Serafin schon im vergangenen Winter gefasst. Sie hatten zuvor bereits viele Sommer auf verschiedenen Almen verbracht, unter anderem auch in Graubünden. Marian hatte schon als 11-Jähriger zum ersten Mal auf einer Alm mitgeholfen, Serafin als 14-Jähriger. „Bis zum 18. Lebensjahr waren wir dann immer zusammen auf Almen“, blicken die zwei Freunde zurück. Unterbrechungen gab es nur aufgrund ihrer beruflichen Entwicklung. Marian absolvierte von 2018 bis 2021 die Zimmererausbildung und Serafin die Fachschule für Land- und Forstwirtschaft Fürstenburg in Burgeis. Bei ihrer Suche nach einer geeigneten Alm stießen sie auf die Alp Steistoos im Berner Oberland. Sie haben die Alp zweimal besucht und lernten den Eigentümer und auch das Umfeld kennen. Im April absolvierten sie in Lenk im Simmental einen 5-tägigen Senn-Intensivkurs. Vertiefen konnten sie ihre Kenntnisse, indem sie unter anderem in der Hofkäserei Englhorn von Alexander Agethle in Schleis mithelfen durften. Unmittelbar vor dem Almauftrieb, der am 4. Juni erfolgte, arbeiteten sie 2 Tage lang in der Dorfsennerei in Lenk mit.

Um 4.30 Uhr klingelte der Wecker

Vom 4. Juni bis zum 10. September waren Marian und Serafin voll eingespannt: „Jeder wusste, was wann zu tun war, entweder zusammen oder allein.“ 98 Tage lang stiegen sie immer um 4.30 Uhr aus den Federn. Als erstes legten sie täglich zwischen 4 und 5 Kilometer zurück, um die 16 Melkkühe von der Nachtweide zu holen, in den Stall zu bringen und zu melken. Neben den 16 Kühen hatte der Landwirt Stefan Wampfler auch 9 Kalbinnen sowie 12 Tränkekälber, alle der Rasse Simmental, auf die Alp Steistoos aufgetrieben. Die Alp ist ein Senntum der Korporationsalp Betelberg. Die Simmental-Kuh gilt als problemlose, langlebige Zweinutzungskuh mit guter Milch- und Fleischleistung. Zum Frühstück kamen Marian und Serafin erst um 8.30 Uhr. Bis dahin war die Arbeit im Stall schon fertig und die Vorbereitungen in der Käserei waren bereits getroffen. Bis gegen 11 Uhr waren dann beide voll in der Käserei beschäftigt. Eine halbe Stunde später lief die Arbeit in der Küche an, um auf die Gäste vorbereitet zu sein, die gegen Mittag eintrafen. Neben kalten Platten mit typischen Alpprodukten überraschten die zwei Vinschger die vielen Wanderer und Biker auch mit selbst-
gebackenen Kuchen, Sirupen und besonderen Eisteemischungen. Rund eineinhalb Stunden waren sie jeden Nachmittag außerdem mit der Käse-Pflege im Käsekeller beschäftigt. Unmittelbar nach der Arbeit im Ausschank - die Schweizer sagen Beiz - begann gegen 16 Uhr schon wieder die Arbeit im Stall. Erst nachher kamen Marian und Serafin zur ersten eigentlichen Mahlzeiht, „zum richtigen Frühstück“, wie sie im Rückblick scherzen.

Alpkäse, Raclettekäse, Mutschli und mehr

Für ihre Arbeit auf der Alp und im Ausschank und vor allem für ihre Alpprodukte ernteten die zwei Vinschger viel Lob und Anerkennung seitens des Alpeigentümers, des Viehbesitzers und auch der Gäste. Insgesamt haben Marian und Serafin ca. 1,5 Tonnen Käse hergestellt: 108 Alpkäse-Laibe mit einem Gewicht zwischen 8 und 9 Kilogramm, 57 Raclettekäse (viereckige, ca. 6 kg schwere Laibe) sowie fast 300 Mutschli. Das Mutschli wiegt nur bis zu 800 Gramm und ist ein kleiner, halbharter und vollfetter Käse. Rund 200 Kilogramm Butter kamen dazu. Der heurige Alpkäse der Alp Steistoos wurde bei einer Bewertung - in der Schweiz spricht man von Taxierung - von einem Käseexperten mit 20 von 20 möglichen Qualitätspunkten ausgezeichnet. Einig sind sich die zwei Vinschger darin, dass der Almsommer im Berner Oberland eine einzigartige, wertvolle, sehr arbeitsintensive und in vielerlei Hinsicht lehrreiche Erfahrung war sowie auch ein großes Abenteuer war, das sie ohne langes Zaudern gewagt haben. „Erst wenn man es selber macht, wird einem bewusst, wie faszinierend es ist, von der Rohmilch zu den veredelten Produkten zu kommen,“ stimmen Marian und Serafin überein. Sie seien immer wieder aufs Neue von der Schönheit der Natur, der wunderbaren Umgebung und der Sonnenaufgänge am Morgen begeistert gewesen. Sehr wohltuend und schön war auch die Bindung, die sie mit den Tieren aufgebaut haben: „Die Tiere gaben uns sehr viel und lehrten uns den Wert der Ruhe nach so manchem stressigen Tag.“ Mit ihrer Arbeit auf der Alm haben Marian und Serafin auch bewiesen, dass man jungen Leuten sehr wohl etwas zutrauen kann und dass sich mit viel Ehrgeiz, Engagement und Mut vieles erreichen lässt. Im Vorfeld sei ihnen mehrfach ein Scheitern prophezeit worden. Dankbar sind Marian und Serafin dafür, dass sie für einige Wochen auf die Mithilfe ihrer Familien (Schwester bzw. Mutter) und Freunde setzen konnten. Ob sie die Alp
Steistoos im nächsten Sommer erneut übernehmen, wie man sich das in Lenk im Simmental wünscht, ist noch offen: „Das hängt davon ab, wie wir uns beruflich weiterentwickeln und was wir uns im Winter überlegen.“

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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