Zwei Todfeinde
„Das Coronavirus und unser derzeitiger Präsident Bolsonaro“
Brasilien - Brasilien entwickelt sich immer mehr zum weltweiten Coronavirus-Hotspot. Zum Stichtag 3. Juni belief sich die Zahl der Infizierten auf über 555.000, jene der Todesfälle auf weit über 31.000. Es ist anzunehmen, dass die Dunkelziffern um ein Vielfaches höher sind. der Vinschger hat sich bei Menschen in mehreren Gemeinden und Städten im Bundesstaat Pernambuco im Nordosten Brasiliens umgehört.
Adriana (Lehrerin): Ich fühle mich angesichts dieser Pandemie sehr unsicher, weil unser Präsident völlig unqualifiziert ist. Darüber hinaus handelt er böswillig und unredlich. Es liegt ihm nur die reiche Bürgerschicht am Herzen. Er regiert für die Reichen und unternimmt nichts, um das gesamte brasilianische Volk zu schützen. Im Gegenteil: wenn Gouverneure von Bundesstaaten oder Bürgermeister Schutzmaßnahmen verfügen, werden sie vom Präsidenten verfolgt und kritisiert. Das verursacht große Schwierigkeiten und führt zu einem völligen Chaos und zu einer allgemeinen Unsicherheit. Dass in nur zwei Monaten zwei Gesundheitsminister, die Ärzte sind, gefeuert wurden, spricht für sich. Die einzige wirksame Maßnahme gegen die Pandemie ist derzeit der soziale Abstand.
Nado (Musiker und Musiklehrer): Ich lebe in großer Angst, vor allem aufgrund der Regierung, die sehr schlecht arbeitet. Sie macht nichts für die Menschen, nichts für das Volk. Die Regierung unternimmt nichts, um den Menschen zu helfen. Im Gegenteil, sie zerstört das bisschen Gute, was es noch gibt. Das kann niemand mehr aushalten. Diese Regierung ist schlimmer als die Pandemie selbst.
Barbara (Universitätsstudentin): Meiner Meinung nach ist diese Phase der Pandemie sehr schwierig. Wir durchleben eine Krise historischen Ausmaßes, eine gewaltige sanitäre Krise und darüber hinaus ein politisches Chaos in unserem Land.
Marli (Rentnerin): Das Coronavirus hat die ganze Welt erfasst, bei uns in Brasilien breitet es sich derzeit rasant aus. Wir leben in einem Chaos und haben alle Angst. Das Gesundheitssystem ist schlecht aufgestellt, es fehlen Ärzte und Pfleger, es fehlen Intensivbetten, Medikamente und Schutzmasken. Besonders hart trifft es die armen Menschen. Viele können zurzeit nicht arbeiten und es fehlt ihnen das tägliche Essen. Die Hilfe der Regierung kommt bei vielen Bedürftigen nicht an. Zwischen dem Präsidenten und den lokalen Politikern der Staaten und Gemeinden gibt es keine Einigkeit. Manche nutzen die Gelegenheit, um aus der Pandemie politisches Kapital zu schlagen, andere bereichern sich persönlich. Ich versuche, diese schwere Zeit mit Meditation und Atemübungen zu überbrücken und mich als freiwillige Helferin einzubringen, zum Beispiel beim Verteilen von Essenspaketen. Dass man einander derzeit nicht umarmen kann, geht vielen Menschen ab. Aber jede schlimme Sache hat auch ihre guten Seiten. Ich hoffe, dass wir nach dieser Pandemie ehrlicher werden, hilfsbereiter und entgegenkommender.
Raoni (Informatiker): Die Entwicklung der Pandemie in Brasilien ist beängstigend. Zu Beginn haben die größten Städte Maßnahmen gesetzt und Einschränkungen beschlossen, vor allem was die soziale Distanz betrifft und das Zuhause-Bleiben. Unser Präsident stemmte sich aber gegen diese Maßnahmen und hat sie praktisch zerstört. Welche Folgen das hat, sehen wir jetzt leider daran, dass die Zahlen der Infizierten und Covid-Toten Tag für Tag steigen. Das Einzige, was wir derzeit tun können, um uns selbst und andere zu schützen, ist Zuhause zu bleiben.
Leo (Barman): Ich bin zurzeit arbeitslos. Die von der Regierung versprochene Nothilfe habe ich - wie viele weitere Millionen von Mitbürgern - nicht erhalten. Wir haben es zurzeit mit zwei Todfeinden zu tun. Einmal mit dem Coronavirus und einmal mit unserem Präsidenten Bolsonaro, der ein Ignorant und Faschist ist. Obwohl wir schon weit über 20.000 Tote zu beklagen habe, tritt der Präsident in der Öffentlichkeit meistens ohne Maske auf. Das ist in höchstem Maß unverantwortlich. Ich glaube, dass es einen internationalen Druck braucht, damit sich unser schönes Land von diesem Präsidenten befreien kann.
Mariana (Krankenpflegerin): Ich versuche, mich in dieser schweren Zeit an die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation zu halten und alles zu unternehmen, um meine Familie und mich selbst zu schützen.
Marcondes (Unternehmer): Ich bin seit über zwei Monaten in Quarantäne. Mein Betrieb ist geschlossen. Die Lage ist wirklich sehr schwierig und kompliziert: keine Arbeit, kein Einkommen, keine Unterstützung. Am meisten Sorgen bereitet mir die Zukunft: was wird nachher sein? Von was sollen wir leben? Wird uns jemand helfen?
Ana (Gastronomin): Mein kleines Restaurant musste ich zusperren. Ich pflege meinen Garten und pflücke Mangos, die ich im Dorf verteile. Was mich in dieser schweren Zeit etwas tröstet, ist die Tatsache, dass wir Freunde haben.