David und Goliath - Auguren
Publiziert in 3 / 2004 - Erschienen am 12. Februar 2004
[F] David und Goliath [/F]
Klein und Groß, Kraft und Witz...der Hirtenknabe David besiegt den Riesen Goliath. Der „Kleine“, der „Junge“ tritt auf gegen das Alte, das Erstarrte.
Oder am Beispiel der riesigen Christophorusbilder: Das Christentum, das neue, noch kleine, verkörpert im Jesusknaben, besiegt das Alte, den Riesenleib mit den mächtigen Schultern. Vielleicht wird mit diesem biblischen Gegensatzpaar auch der Konflikt zwischen Vater und Sohn angedeutet.
Klaus Pobitzer entwirft Bilder in ungewohnten Dimensionen, sie wachsen, klettern zwanzig, vierzig Meter über die Innenwände der Kaufhäuser, Flughäfen oder über Häuserfassaden. Goliath als Reklamefigur. „Ganze Architekturen erlangen ihre Rentabilität nicht durch den bewohnbaren Raum, sondern über die vermieteten Fassaden. Fläche in der Vertikalen ist eine Kostbarkeit.“ Dies schreibt Hubertus von Amelunxen im jüngst erschienen Buch von Klaus Pobitzer. Und weiter: “Entwurf, fotografische Reproduktion, digitale Bearbeitung und Abstraktion, Entleeren und Füllen der Flächen, die den Körper konstituieren und schließlich die dem Rechner überantwortete Komputabilität sowie die Druckleistung des HP Designjets lassen die Figur über das Menschenmaß hinauswachsen.“
Bei so viel Technik und Perfektion wird man ganz verzagt. Ich blättere im neuen Buch über Josef Rainer (Folio Verlag Bozen 2004, ISBN 3-8526-277-5) und finde auf Seite 49 ein Bild : Arbeit, nein danke“. Ein großer Josef betrachtet einen kleinen Josef, liebevoll, verständnisvoll.
Humor, entstanden aus der Zärtlichkeit zwischen dem Kleinen und Großen.
[F] Auguren [/F]
Bittprozessionen mit Ackersegen gab es bereits im alten Rom; angeführt wurden sie von Priestern, den „Auguren“. In diesem alten Wort steckt das Verbum „augeo“ mit der Bedeutung von „vermehren“ oder auch „sehen“. Diese Priester waren nicht nur zuständig für die Fruchtbarkeit der Äcker, sie waren auch Ratgeber für die militärischen Unternehmen Roms. Sie waren also Wahrsager, mussten die politische Zukunft erkunden und zwar vor allem aus dem Vogelflug... vielleicht bedient sich der Amerikaner Bush und unser Berlusconi noch immer dieser alten Praktiken?
Die Auguren, bezeichnend für das noch ackerbäuerliche Rom, übernahmen die Praktiken der etruskischen Priester, der Haruspices. Sie weissagten aus Wundererscheinungen, dem Blitz und den Eingeweiden der Opfertiere. Besonders aufschluss-reich war die „Leberschau“
Ähnliches betreibe auch ich beim Deuten und Erklären moderner Kunst. Auch bei der „Sonnenfinsternis 1998“ von Jörg Hofer.
Ein „wunderschönes“ Bild im wortwörtlichen Sinne: Brodelnde Ströme, Farbmeere, Gräben und Gebirge... Ist es die erkaltende Sonne?
Der Sonnenäquator teilt die Scheibe von Pol zu Pol - ein Schwerthieb.
Eine kosmische Drohung? Ist es der Engelssturz oder der Kampf zwischen Licht und Finsternis. Im Betrachten fallen mir immer neue Deutungen ein.
Auch ich bin ein Augur, ein Leberbeschauer, Vogelflugdeuter. Als solcher saß ich bereits über Frangart vor Franz Messners Himmelskugel. In ihr spiegelt sich die ganze Welt, vom Kalterer Rebenwald bis zum Schloss Tirol...darüber kreist ein roter Adler. Er schwebt über dem „Knottenkino“ von Mölten - übrigens auch ein Werk von Franz Messner - und kreist mit begehrlichen Blicken über dem Kunstgarten von Frangart auf dem langgezogenen Hügelrücken von Überetsch.
Dort sitzt in seinem verzauberten Kunstgarten mit dem großen, glänzenden Auge der alte Augur Karl Nikolussi-Leck.
Text und Gestaltung: Hans und Ulrich Wielander