Luis Stefan Stecher

Der Fisch im Vogelkäfig

Publiziert in 34 / 2007 - Erschienen am 3. Oktober 2007
Kastelbell - Auf Schloss ­Kastelbell stellt ab 6. Oktober Luis Stefan Stecher 41 Arbeiten aus fünf Jahrzehnten aus. Schon vorher hinterließ der in Laas Geborene Spuren im Vinschgau. An die Plauser Friedhofsmauer hat er den „Totentanz“ aufgemalt. Weitere Spuren finden sich auf den Wänden des Ferdinandeums in Innsbruck, auf der Laimburg bei Pfatten, am Turm seines Freundes Reinhold Messner auf Schloss Juval. Eindrücke über einen Maler und Autor von „Korrnrliadrn“, über einen weitgereisten Philosophierenden, über einen Mann, der mit 70 Jahren auf seinem Marlinger Ansitz einen durchaus heiteren Eindruck macht. Es darf geraucht werden. Stecher raucht Zigarren – Toscaninis oder Toscanellis, seine Ehefrau Ulrike, Motiv unzähliger Portraits, Zigaretten, die dicken Mauern des Marlinger Ansitzes nehmen den Rauch mühelos auf. Ein Bau, dem die Gemälde von Luis Stefan Stecher nicht schlecht stehen. Es sind noch unzählige Bilder, die Teil der Ausstellung sind und in einem begleitenden Katalog landen werden, auf dem Tisch. „Nicht ganz leicht, ein Thema zu finden, wenn die Bilder aus 50 Jahren stammen“, meint Stecher. Für seine Portraits, mit denen er sein Geld verdiente, als er 1967 als Zeichenlehrer an verschiedenen Schulen in Südtirol aufhörte und sich die Brötchen mit der brotlosen Kunst verdiente, hatte er große Vorbilder – Maler wie Brueghel und Dürer: „Mich inter­essieren die alten Meister mehr als meine Kollegen. Meine Kollegen können so viel wie ich“. In der heutigen Kunst sei Armut entstanden, vielfältig, bunt und reichhaltig dürfe sie oft nicht mehr sein. Stecher nimmt sich die Inspiration dort, wo er sie findet. „Ist es denn nicht erlaubt, Französisch zu sprechen, nur weil Französisch die Sprache der großen Dichter ist?“ Dass seine Ehefrau richtig für ihn sein muss, wusste Stecher von Anfang an: „Sie war 17, ich 20, als wir uns kennen lernten. Ich machte ihr sofort einen Heiratsantrag.“ Reich waren die beiden nicht. Ulrike unterrichtet Deutsch und Latein – nebenbei macht die Mutter von drei kleinen Kindern ihr Doktorat. Stecher reist für ein halbes Jahr nach Südostasien – während Ulrike Stecher an der heimatlichen Front alles zusammenhält. Stecher verlor seinen Vater früh; er war vier Jahre alt. Die Mutter ging 1938 mit den fünf Kindern nach Innsbruck und kam als Witwe 1944 in den Vinschgau zurück. Der Vinschgau prägt ihn, sagt er, seine Vorfahren kämen seit dem 30-jährigen Krieg aus der Gegend. Über seine Familie, über seine Frau sagt er heute: „Wir sind uns ähnlich. Gegensätze ziehen sich zwar an, stoßen sich aber langfristig wieder ab. Sich verstanden fühlen ist wichtig, das geht eben nur dann, wenn der andere Verstand hat.“ Mit Joseph Zoderer verbindet ihn eine lange Freundschaft und ein intensiver Briefwechsel zwischen 1966 bis 1969. Während Zoderer mit seinem Job bei der Presse haderte, hatte der damals 29-Jährige Stecher ein klares Ziel: Mit 30 wollte er ausschließlich malen. „Wenn ich als Lehrer so viel verdiene wie als Maler, dann male ich lieber.“ Die Zeit als Lehrer muss ihm dennoch Spaß gemacht haben: „Mit Ulrike war ich einige Zeit gemeinsam an einer Schule in Lana. Das war eine schöne Zeit. Wir haben den kleinen Prinzen aufgeführt, Marionetten mit den Kindern gebastelt – eigentlich alles nichts Besonderes.“ Die schönsten Dinge sind eigentlich nichts Besonderes. Und einige der damaligen Schüler sprechen heute noch davon. Stecher ist hier als ehemaliger Lehrer nichts Besonderes. Für die meisten Lehrer ist dies das Prädikatsmerkmal Gut. Über die Kunst kommt der Taschenbuch-Philosoph von Pontius zu Pilatus, besser, von Hyronimus Bosch zu Dalí. „Ich bin mit einem Fuß immer im Surrealismus,“ bekräftigt er Vermutungen, „einen Vogel im Vogelkäfig zu malen ist nicht interessant genug, da gehört schon mindestens ein Fisch hinein.“ Aber so schnell kommt aus dem Haus keiner weg. Oder wenn, dann nicht ohne den kleinen blauen Pavillon im Garten zu bewundern, den er sich selbst gezimmert hat. Tischler-Geschick hat er ebenfalls, der ausgebildete Museumsrestautor. Damit hätte er immer noch ein Standbein gehabt, hätte alles andere nicht geklappt. Es hat aber funktioniert. Jetzt macht ihm eher die Leseliste zu schaffen, die er noch vor sich hat, denn sie „geht weit über meinen Tod hinaus.“ Auch hierfür baute er sich eine Brücke, schließlich ist eines seiner Lieblingswörter genug: „Man muss nicht gleich ein Wald sein.“
Katharina Hohenstein
Katharina Hohenstein

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