Der neue alte Hofer
Publiziert in 19 / 2009 - Erschienen am 20. Mai 2009
Algund – Die Aufführungen des größten Volksschauspiels im Alpenraum, „Andreas Hofer“ im Jahr 1892 in Meran waren erfolgsgekrönt: Schon im zweiten Jahr der Aufführung zählte die Kurstadt 27.000 Besucher.
Auch die diesjährige Produktion des Stückes - ganz in der Hand des Theater- und Fernsehregisseurs Erich Innerebner – verspricht im Jubiläumsjahr ein Erfolg zu werden. Innerebener hatte schon 1959 und 1984 Regie bei jenem Stück geführt, das nur alle 25 Jahre auf Südtiroler Bühnen spielt. Unter Mitarbeit des Historikers Michael Forcher und mit neuen Forschungsansätzen rund um den berühmten Sandwirt unterscheide sich die diesjährige Produktion von den letzten Aufführungen, so der Regisseur.
Sollten die 15 Aufführungen vom 15. Mai bis 28. Juni so gut besucht sein wie die ersten Aufführungen des Stückes unter der Leitung des Autors Carl Wolf vom 5. September bis Oktober 1892, als bei allen Aufführungen jeder einzelne der 1.330 Sitzplätze ausverkauft war, oder wie die Generalproben der vergangene Woche mit Publikumsandrang versprachen, dann sieht es blendend aus für diese Inszenierung mit rund 400 Laiendarstellern aus Südtirol.
Wenn das etwas zeitgenössischere Bild des Andreas Hofer bedeutet, dass einem gewissen Starrsinn des Passeirer Gastwirtes Rechnung getragen wird, dann ist dies erreicht. Eine Schar von Kameraden, die trotz unterschriebenen Unterwerfungsschreibens weiterhin kämpfen wollen, rauf- und sauflustig, sorgt in der Innerebener-Inszenierung dafür, dass am Helden Hofer selbst nicht zu sehr gekratzt wird. Theo Hendrich spielt einen gestandenen Mann mit vielen Nuancen. Ein Hofer, der Starrsinn und Zweifel, Stärke und Verletzlichkeit vereint. Den Schlanderser Hauptmann Sieberer will er erschießen lassen, seinen Kumpanen, die auf Weiterkämpfen drängen, wird er nachgeben. Die andere, menschlich-verletzlichere Seite des Hofer zeigt Zweifel und vor allem: viel aufrechtes Christentum: Ein aufrechter Tiroler sei kein Plünderer und der „Sieg am Küchlberg“ sei nur mit Gottes Hilfe ermöglicht worden, so Hofer. Überhaupt scheint es, als sei das kleine Tirolvolk ein einiges Volk gottesfürchtiger Christen. Die Marktszene am Anfang des Stückes beinhaltet allerdings noch andere Eigenarten: Stehen doch die geknechteten Tiroler ständig in ihren schönsten Sonntagstrachten auf der Bühne und auch Hofers Frau Anna ist adrett herausgeputzt, wenn sie über Schulden und mangelndes Essen klagt.
Hofer selbst bleibt ungetastet, gewinnt in seiner, wenn auch seltenen Zerrissenheit nur an Größe. Sinnlos gewordenes Blutvergießen lässt die Inszenierung über die Kameraden Hofers abwickeln – die Räuber, die Trinker, die Draufgänger.
Es mag an der Schwierigkeit liegen, nicht nur mit Laien, sondern mit 400 Laien zu arbeiten, dass die gelobte „Authentizität und Realitätsnähe“ manchmal bedrohliche Ausmaße annimmt.
Dennoch bleibt die Inszenierung mit ihren zwei Stunden noch im Rahmen, ein großartiger Theo Hendrich schafft es, die – nun „neu erkannte“ – Vielschichtigkeit des Hofer darzustellen. Andreas Geier haucht Pater Haspinger kräftigen, aber nicht allzu starken Fanatismus ein. Spannend ist vor allem das Mitwirken der Algunder Musikappelle unter der Leitung von Christian Laimer. Wer die rund 60 Musiker starke Kappelle unter dem Algunder Nachthimmel hört, bemerkt, dass die Auswahl der Stücke dem Stück eine unerwartete Richtung geben. Neben der „Suite Tirol 1809“ des bis in die 1950er Jahre aktiven Nordtiroler Landeskappellmeisters Sepp Tanzer ist das Stück von Johann Grissemann, „Tiroler Helden“ zu hören, das um 1800 herum entstanden ist und zum musikalischen Repertoire des Theaterstückes gehört. Der musikalische Gesamteindruck ist, so seltsam es anmuten mag, allerdings von europäischem Geist geprägt. Da kann aufgeatmet werden, anstelle gerührt ob der letzten Worte Hofers der Verklärung anheim zu fallen. Für Heldenfreunde bleibt allerdings genug Pathos erhalten, aller neuen Sichtweisen zum Trotz.
Katharina Hohenstein