Die gräfliche Ruine von Lichtenberg
Die Sektion Bozen des Tiroler Geschichtevereins auf „Visitation“
Lichtenberg (früher Suvende) - Obmann Gustav Pfeifer eröffnete im Schatten der um 1580 geweihten Dreifaltigkeitskirche. Es gab keine historischen Informationen, sondern nur einen Hinweis auf die Personalprobleme der Vinschgauer Gastronomie. Für die etwa 30 Interessierten, Hobby-Historikerinnen und – Historikern, ehemaligen Archivaren und Lehrern fand man erst nach langem Suchen in Laas einen Platz zum gemeinsamen Mittagessen. Bis dahin wurde nur kulturelle Nahrung verabreicht. Drei Koryphäen ihres Faches betreuten und führten die Exkursion – auch Mitglieder aus Tirol hatten sich dazugesellt. Eine kurze Einführung in die Lokalhistorie von Lichtenberg, „das einmal Suvende hieß“ kam vom Mitglied des Instituts für österreichische Geschichtsforschung Daniel Fliri. Der Archivar im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien stammt aus dem benachbarten Taufers im Münstertal. „Die Geschichte von unten nach oben erleben lassen“ wollte Leo Andergassen. Der Direktor des Südtiroler Landesmuseums für Kultur- und Landesgeschichte auf Schloss Tirol führte die Gruppe in die ältere, 1539 übermurte Kirche und referierte beziehungsreich über die Marienkrönung mit musizierenden Engeln, über die Verbindung zur Malerwerkstatt des Leonhard von Brixen und über ein Renaissance-Altärchen von 1634. In der Dreifaltigkeitskirche verwies er auf die „eher altertümliche Formsprache“ und auf den Zweck der Empore. Er machte auf Karl Plattners ältestes Gemälde im Vinschgau, auf einen wunderschön gearbeiteten Taufstein und auf einen Grabstein der Khuen aufmerksam. Nach einem unbarmherzig heißen Aufstieg zum Schloss ließ man sich von den baulichen Überresten einer Kapelle beschatten und lauschte David Fliri‘s gerafftem Einblick in das Kommen und Gehen verschiedener Geschlechter. Kompliziert wurde es im Lichtenberger Erbstreit mit dem Übergang des Schlosses durch Verena von Lichtenberg an die von Spaur, die es zuerst an die Khuen-Belasy verpfändeten und es ihnen 1513 dann verkauften. In den Jahren danach ließ Pankraz Khuen-Belasy das weitum sichtbare, farbige Fresko mit den Wappen von Neu-Österreich, Tirol, Khuen und Firmian am Rundturm anbringen und eine prächtige Schloss-Kapelle für den bischöflichen Verwandten in Salzburg bauen. Fliri erwähnte das Schloss im 13. Jahrhundert als Morgengabe für Elisabeth von Bayern, Gemahlin Meinhard II. Graf von Tirol. Natürlich intervenierte zur Kapelle auch Leo Andergassen. Immerhin habe der Kirchenbau in Lichtenberg die Churburger auf der anderen Talseite bewogen, ihre alte Nikolauskapelle auch durch ein größeres Gotteshaus zu ersetzen. Als letzter Experte trat der Mittelalter- und Neuzeit-Archäologe Martin Torggler in den kulturhistorischen Ring. Er war in Lichtenberg dabei, als man den frühmittelalterlichen Goldring fand, dessen Ursprung nach Nordafrika weist. Er war dabei, als man eine mittelalterliche Mörtelmischmaschine und das großzügige Badehaus mit drei Becken, Wasserspeicher, Kanal und Heizanlage entdeckte. Torggler war auch Mitautor von „Rittertum in Tirol“, des 1. Bandes der „Runkelsteiner Schriften zur Kulturgeschichte“ aus dem Jahre 2008. Anhand der Abbildungen im genannten Buch konnte er der Gruppe die große Bedeutung der profanen und sakralen Fresken von 1400 in Lichtenberg anschaulich erklären. Der Reigentanz, die Turnier- und Jagdszenen, das Rosenpflücken, das Glücksrad, der Phallusbaum, die Vertreibung aus dem Paradies und Darstellungen von Heiligen waren 1908 abgenommen und nach Innsbruck gebracht worden. Gut erhaltene Fragmente seien 2008 in Runkelstein ausgestellt worden, erinnerte Torggler. Eine Teilnehmerin aus Partschins meinte aufgeregt: „Das habe ich nicht erwartet. Hier ist alles so groß. Ich bin ganz weg von dem Schloss.“
