Joachim Gatterer beim Vortrag in der Bibliothek Schlandersburg. Dahinter ein Teil der Familie Gatterer mit dem neunjährigen Claus. (1. v.r.)

Ein Journalistenleben als Regionalgeschichte

Publiziert in 39-40 / 2021 - Erschienen am 23. November 2021

Schlanders - Mittelpunktbibliothekar Raimund Rechenmacher begrüßte den Historiker Joachim Gatterer aus Bruneck, der im Auftrag des Kompetenzzentrums „Regionalgeschichte in die Peripherie“ bringe. Es liege keine Verwandtschaft vor, erklärte der Referent, aber mehrere Gründe, sich mit Leben und Werk von Claus Gatterer (1924 - 1984) zu beschäftigen. Schließlich sei Gatterer Zeitzeuge und Historiker in einer Person. Zudem habe er durch seine außergewöhnliche Karriere vom Bergbauernbub aus Sexten bis zum Chefredakteur eines TV-Magazins des ORF in Wien unter schwierigen Bedingungen „die engen Provinzgrenzen geistig und körperlich überwunden“. Referent Gatterer nannte das biographische Werk „Schöne Welt, böse Leut“ als Hauptquelle und spannte den biographischen Bogen vom Elternaus in Sexten mit neun Geschwistern über die „Verlogenheit“ seiner Grundschulzeit „in Italienisch“ bis zum Knabenseminar Vinzentinum in Brixen und die Bedeutung der Bildung als Aufstiegschance. Gatterers Familie gehörte zu den Dableibern und damit zu den „Volksverrätern“. Eindringlich schrieb zur Zerrissenheit der Bevölkerung: „Es gab das Dorf nicht mehr, es gab nur mehr Fronten“. Seine Einstellung zu den Italienern begann sich durch das Studium an der Universität Padua zu ändern. Zurück nach Südtirol begann er für Dolomiten und Volksbote zu arbeiten. Es folgten der Umzug nach Innsbruck, der Abbruch des Studiums der Geschichte, die Mitarbeit bei den Salzburger Nachrichten. Erlernte seine Frau kennen und wurde ein Freund des späteren ORF-Intendanten Gerd Bacher. Diese Verbindung führte Gatterer 1967 in die Redaktion der Wiener „Die Presse“ und damit auf den Höhepunkt „journalistischer Einflussnahme“, wie er es selbst definierte. Inzwischen hatte das „große Anecken“ mit der bestimmenden Südtiroler Gesellschaft durch die Ablehnung der Bombenattentate und des Begriffs „Todesmarsch“ der Südtiroler begonnen. Er betonte das „Heimatrecht der Südtiroler italienischer Muttersprache“ und sah im Paket lediglich eine parteipolitische Lösung. Auf der Suche nach den Ursachen des Konflikts Deutsche – Italiener verfasste er ab 1967 seine vier Hauptwerke: „Cesare Battisti, Im Kampf gegen Rom, Schöne Welt - böse Leut und 1972 Erbfeindschaft. „Nur die Wahrheit über die eigene Vergangenheit führt aus dem Konflikt heraus“, war eine Erkenntnis Gatterers. Die höchste Bekanntheit erreichte Gatterer in Südtirol durch die Gestaltung des Fernsehmagazins „Teleobjektiv“. 1980 erhielt er den Südtiroler Pressepreis. Referent Joachim Gatterer beschloss seinen Vortrag mit einem Zitat aus der gedruckten Rede „Von der Schwierigkeit, ein Südtiroler zu sein“: „Man hat in Südtirol den ethischen und moralischen Boden unter den Füßen verloren. Noch nie ist man so geldversessen gewesen wie heute. Den Fremden zuliebe verleugnet man sogar die eigene Muttersprache, den Dialekt. Man redet ein geschweiftes, hinten und vorn lächerliches Kommunikationsdeutsch.“

Günther Schöpf
Günther Schöpf

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