Ein Mythos seit 200 Jahren
Stilfser-Joch-Straße feiert rundes Jubiläum. Viel Programm rund um die „Königin der Alpenstraßen“.
Prad - Es war im Herbst des Jahres 1825, als die Stilfser-Joch-Straße offiziell kollaudiert wurde. Vorausgegangen war eine Bauphase unter extremen Bedingungen, die von 1820 bis 1825 andauerte. Erste Pläne zur Errichtung der Passstraße stammen noch aus der Zeit der französisch-bayerischen Herrschaft. Realisiert wurde das ehrgeizige Projekt jedoch unter der österreichischen Krone. Im Jahr 1818 beauftragte Kaiser Franz I. die Planung für eine direkte Verbindung zwischen dem Vinschgau und dem Veltlin. Der Ingenieur Carlo Donegani aus Brescia legte bereits ein Jahr später die Entwürfe vor. Am 23. April 1820 beschloss die kaiserlich-österreichische Regierung den sofortigen Baubeginn. Rund 2.000 Arbeiter waren gleichzeitig auf der Baustelle im Einsatz. Lawinen und Abstürze forderten Todesopfer, doch das Ergebnis gilt bis heute als Meisterleistung der Ingenieurskunst. 48 Spitzkehren auf Südtiroler Seite, 34 auf Veltliner, insgesamt 49 Kilometer Länge und eine Passhöhe von 2.757 Metern: damit ist die Stilfser-Joch-Straße die höchste Passstraße Italiens und eine der kurvigsten der Welt.
Zum Jubiläum ein neues Buch
Einer, der die Geschichte der Straße wohl besser kennt als jeder andere, ist Arthur Gfrei. Der Schludernser, heute in Schlanders wohnhaft, ist ehemaliger Eigentümer des Hotels Stilfser Joch. Von den 1970er Jahren weg hatte er den Familienbetrieb geleitet, 1997 verkaufte er das Hotel. Der ehemalige Hotelier hat unermüdlich Dokumente zur Geschichte des Passes gesammelt, aus Archiven in Mailand, Innsbruck, Wien und Bozen. 2023 erschien sein erstes Buch „Die Stilfser-Joch-Straße – Wie das Technikwunder in den 1820er Jahren in Rekordzeit gebaut wurde“. Nun folgt Band zwei: „Das Stilfser Joch im 20. Jahrhundert – Die Geschichte eines spektakulären Alpenpasses“. In faszinierender Detailfülle schildert Gfrei, wie das Joch im Ersten Weltkrieg zur Frontlinie wurde, wie es im Faschismus als Symbol der „Alpen-Eroberung“ inszeniert wurde und wie es zur touristischen Attraktion aufstieg. Am Freitag, 23. Mai, wird das neue Buch in der Raiffeisenkasse Prad vorgestellt (Beginn: 19.30 Uhr). Das ist aber nur der Auftakt für eine ganze Reihe von Veranstaltungen im Jubeljahr.
Feiern in Prad und auf dem Pass
Am Sonntag, 25. Mai, steht ein großer historischer Umzug in Prad auf dem Programm. Über 20 Gruppen, 15 Vereine und weitere Initiativen, lassen unter dem Motto „200 Jahre Leben an und mit der Stilfserjochstraße“ die Geschichte lebendig werden: Karrner mit Handwagen, Schwabenkinder, Kaiserjäger in Paradeuniformen, Standschützen, Bergsteiger und Touristen, die mit der Pferdekutsche reisen. Der Festzug startet um 11 Uhr vom Zinggweg in Richtung Kreuzweg, wo Prader Vereine mit Speis und Trank bewirten. Dort werden auch Ausstellungen zur Geschichte der Passstraße zu sehen sein. Im Sommer folgen weitere Veranstaltungen. Das erste Juli-Wochenende bildet den großen Höhepunkt der Feierlichkeiten. Am Freitag, 4. Juli, feiert der neue Dokumentarfilm „Faszination Stilfserjoch-Straße“ von Hans Hofer Premiere als stimmungsvolle Freiluftaufführung auf der Franzenshöhe. Am Samstag, 5. Juli, ist eine Auffahrt auf den Pass mit historischen Autos, Motorrädern und Fahrrädern geplant. Das Highlight der Jubiläumsfeierlichkeiten bildet der Sonntag, 6. Juli, wenn das große Fest „Über Grenzen hinweg – Drei Regionen, ein Pass, ein Fest“ gefeiert wird. Dafür wird die Straße für den Verkehr gesperrt. Dazu kommen weitere Veranstaltungen wie die „Stelvio Night“ am 27. Juni, der Trail Run am 19. Juli, sowie der Radtag Stilfserjoch am 30. August, der allein im vergangenen Jahr über 14.000 Radler anzog, was einen neuen Rekord bedeutete.
Kritik an Traktor-Ausflug
Ein Programmpunkt sorgt allerdings auch für Diskussion: Die Oldtimer Traktor Tour am 21. Juni, organisiert vom Oldtimer Club Vinschgau, wird von Umweltschützern wegen der Emissionen kritisiert (siehe Seite 29). Peter Pfeifer, Geschäftsführer des Tourismusvereins Prad, nimmt die Bedenken ernst, betont aber: „Es handelt sich um eine genehmigte Veranstaltung, die gerade in der Nebensaison große Bedeutung hat. Die Teilnehmer übernachten meist eine ganze Woche bei uns, das ist wirtschaftlich wichtig für die gesamte Region.“ Man sei mit den Veranstaltern im Austausch, so werde emissionsärmerer Treibstoff eingesetzt. Zudem solle die innerörtliche Belastung durch Traktorfahrten so gering wie möglich bleiben: Die Auffahrt auf das Joch erfolgt am vorgesehenen Tag, an den übrigen Tagen sollen die Traktoren möglichst nicht mehr innerorts bewegt werden.
