Erstmals erwähnt wird dieser Hof in einer Urkunde im Jahre 1277; nach einer Aufschreibung aus dem Jahr 1779 ist er mit lauter „sticklen“ trockenen Äckern behaftet und ohne einige Fleckln Wies, wie auch kein Wasser zum Wassern. Bewohnt wurde er bis in die Dreißigerjahre des vorigen Jahhunderts und gelegentlich auch von einem Einsiedler, der nun vertrieben wurde, angeblich von einem Jäger! Dieser aufgelassene Hof gehört der Gemeinde Schlanders.

Erinnerung an Karl, den Zuckpichler/Vogt Gaudenz von Matsch

Publiziert in 22 / 2004 - Erschienen am 18. November 2004
[F] Erinnerung an Karl, den Zuckpichler [/F] Wer im Sommer dieses Jahres am Zuckpichl-Hof oberhalb Vetzan vorbeiwanderte, hatte die Gelegenheit, einen außergewöhnlichen Menschen kennen zu lernen. Die Rede ist von Karl, dem Zuckpichler. Es war das Jahr 1979, als der Karl das erste Mal nach Zuckpichl kam. Damals war er mit einem Karren unterwegs von Rom nach Bayern. Da ihm der Gestank und der Lärm der Straße zu viel wurde, sah er sich hier nach einer Bleibe um. Ein Bauer hatte ihm mehrere Adressen von aufgelassenen Höfen gegeben, wo er bleiben könnte. Die vorletzte Adresse war Zuckpichl, die Letzte wäre Laggar gewesen. Da es ihm aber auf Zuckpichl sofort gefallen hat, blieb er hier. Mit kürzeren und längeren Unterbrechungen kam er im Sommer seitdem hierher, zweimal blieb er auch im Winter oben. Warum der Karl nach Zuckpichl kam hatte mehrere Gründe, zum Teil waren es auch finanzielle Gründe. „Zu Hause in Karlsruhe wollte meine Mutter immer einen Sohn, der es zu etwas bringen sollte, dem man auf die Schultern klopft und sagt, das hast du gut gemacht“, erzählte der Karl. Da er aber zu Hause „nicht auf der Tasche liegen wollte“ entschied er sich für Zuckpichl. Viele sahen in Karl einen Einsiedler. Für ihn aber war das Leben auf Zuckpichl nichts Abnormales. Es war für ihn etwas ganz Natürliches, hier oben zu wohnen. Überhaupt fühlte er sich magisch angezogen von alten Gemäuern. Unter einem Einsiedler verstand der Karl einen Menschen, der vielleicht in einer Felsspalte lebt, der niemanden an sich heranlässt. In Prag z.B., wo er sich einmal in einer Höhle versteckte, um mit dem dortigen Präsidenten Havel zu reden, kam eine Frau zu ihm und wollte etwas Göttliches in ihm sehen. Aber da wurde sie bei ihm enttäuscht. Mit dem Gott der Kirche, den sie in ihm sehen wollte, hatte der Karl nichts zu tun. Der Karl hatte seine eigenen Sicht über Gott und Glaube. Er war ein Befürworter des freien Denkens. Er sagte: “Sicherlich ist Gott nicht eine nackte Puppe, die man anziehen kann. Gott ist etwas Abstraktes. Die Kirche verlangt von den Leuten, dass sie glauben. Glaube aber kann nicht von Außen kommen, Glaube muss von innen kommen. Man kann nicht glauben „aus zweiter Hand“, man muss selber am Göttlichen beteiligt sein. Das Göttliche kommt nicht, es ist da. Alles, was um uns geschieht ist göttlich. Je nach unseren Möglichkeiten liegt es an uns, sich dessen bewusst zu werden. Kraft meines Bewusstseins kann ich daran teilnehmen.“ Karl nahm seine Umgebung immer intensiver war, er sah auf Zuckpichl Dinge, die er früher vielleicht noch nicht beachtete. Zum Beispiel die Blumen in ihrem Umfeld. Wie der Grashalm hieß war ihm „wurscht“, er konnte ihn nur bestaunen. Auf einem seiner Sprüche, die er in seiner Hütte hatte, stand: Die Erde ist mit Himmel vollgepackt. Und jeder gewöhnliche Busch brennt mit Gott. Aber nur der, der es sieht, zieht die Schuhe aus, die anderen sitzen herum und pflücken Brombeeren. (Der Text stammt von einer englischen Dichterin) Viele Leute sahen im Karl einen „Aussteiger“. Er selbst fühlte sich eher als „Einsteiger“. Ein halbes Leben lang beschäftigte er sich mit der Frage, wie man zwei gegensätzliche Teile zu einer Einheit zusammenbringen könnte, wie z.B. Osten und Westen, Arm und Reich, Materialismus und Idealismus. Auslöser für diese seine Gedanken war der „Eiserne Vorhang“. Schließlich hat er erkannt, dass zwei gegensätzliche Teile zusammengehören, wie die zwei Seiten einer Medaille. „Vielleicht war ich zu idealistisch eingestellt, vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich mit jemandem manchmal hätte reden können, der mich auch kontrolliert hätte!“ sagte er einmal. Der Karl suchte den Kontakt. Am Wegrand von Zuckpichl nach Laggar hat er immer wieder etwas aufgestellt, um die Leute aufmerksam zu machen. Er hat dies alles absichtlich aufgestellt, er wollte sich einbringen und mit den Leuten ins Gespräch kommen. Aber es ist ihm nicht gelungen einen richtigen Dialog aufzubauen. Seine Zukunft wollte der Karl offen lassen. Sicherlich wird er sein Lebensende nicht in Karlsruhe verbringen, wo er heute noch seinen Wohnsitz hat und wo seine Frau und sein Sohn leben. Aber auch nicht auf Zuckpichl. Viele Fragen sind offen geblieben, aber das hat ihn nicht beunruhigt. Er hat aufgehört zu suchen. Er ist zu dem Schluss gekommen, dass das Leben sich nicht vom Verstand her aufschlüsseln lässt. „Das Leben ist wie es ist. Das Leben ist ein Fluss. Wenn ich an bestimmten Dingen festhalte, lebe ich am Leben vorbei. Das Leben hat auch eine gewisse Unsicherheit. Das Risiko muss man deshalb in Kauf nehmen und damit versuchen zu leben, so gut es geht. Sinn des Lebens ist das Leben zu leben.“ Das Leben hier auf Zuckpichl war für den Karl sozusagen eine Art Lebensschule. Er hat sich wohl gefühlt auf Zuckpichl. Als ich ihn einmal fragte, was für Lebensweisheiten er - besonders hier auf Zuckpichl - gewonnen hätte, antwortete er: „ Leben gewähren zu lassen. Nicht jetzt unbedingt alles verändern zu wollen oder jedes Ding bis ins Unendliche untersuchen zu müssen. Ganz simpel gesagt: Der Blume am Wegrand ihren Spielraum zu lassen, ohne sie haben zu wollen. Sobald ich mir bewusst bin, ein Teil des Ganzen zu sein, bin ich auch ein Teil der Blume am Wegrand.“ Am 19.09.2004 wurde der Karl von einem unbekannten Jäger vom Zuckpichl-Hof vertrieben. Auf einem Brett, am Wegrand von Zuckpichl nach Laggar, hinterließ er uns seine Botschaft, seinen „Einheitsspruch“. Er lautet: „Ich mag dich, du magst mich und die Welt hält zusammen.“ t.p. [F] Vogt Gaudenz von Matsch [/F] Ein Tiroler Adeliger zwischen Mittelalter und Neuzeit Veröffentlichung des Südtiroler Kulturinstitutes, Bd. 3, Tappeiner Athesia, Bozen 2004, ISBN 88-7073-354-8 mit zahlreichen Fachbeiträgen, 206 Seiten. Die unten gezeigte Jagdszene entstand zwischen 1504 und 1520, also nach dem Tod von Gaudenz von Matsch. Er wurde 1453 auf der Churburg geboren und verstarb 1504; beigesetzt wurde er im Kloster Marienberg. Die Aufgabe der Matscher Vögte war der Schutz des Klosters, nicht die Bevormundung und Unterdrückung. Trotzdem ließ 1304 ein gewalttätiger Vorfahre, Ulrich II. von Matsch, den Marienberger Abt Hermann von Schönstein im Schlinigtal wegen eines Rechtsstreites enthaupten; Streit gab es auch ständig mit dem Landesfürsten, mit dem Tiroler Adel, worüber im neuen Buch ausführlich berichtet wird. Jetzt aber sind die beiden Herren - der Abt von Marienberg und der Graf von der Churburg - wieder versöhnt. Feierlich weihten sie am 11. November 2004 in den Schludernser Wiesen gemeinsam eine neue Kapelle in Erinnerung an den 500sten Todestag des Vogtes Gaudenz von Matsch ein. hw

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