Dietmar Raffeiner (Dritter von links) traf auf die Vinschger Delegation: Rudi Maurer, Waltraud Plagg, Martin Daniel, und Heinrich Zoderer bei der Buchvorstellung.

„Furchtbare Gemütlichkeit, knochenharte Melodien“

Publiziert in 39 / 2008 - Erschienen am 5. November 2008
Bozen/Prad – „Der Georg“ heißt der neue Band mit Bildern und Texten des Prader Ehrenbürgers Georg Paulmichl, vorgestellt inmitten von Blumen, mit ganz frischen Tönen: Die Publikation beinhaltet neben Arbeiten von Paulmichl bis 2002 auch eine CD: Der Schauspieler, ­Musicaldarsteller und Regisseur Erwin Windegger und die Musiker Wolfgang Paulmichl und Martin Köhler boten am Abend des 23. Oktober in der Gärtnerei Schullian eine Kostprobe der musikalischen Verarbeitung. „Ich verfluche seine Krankheit“, so Richard Paulmichl über Parkinson, jene Krankheit, an der Bruder Georg leidet. Georg Paulmichl konnte auf der eigenen Buchvorstellung nicht anwesend sein, „doch er verfolgt sehr genau, ob er in der Presse erscheint oder nicht“, bestätigte sein langjähriger Betreuer und jener Mann, ohne dessen Hilfe Georg den Weg zur literarischen Sprache vielleicht gar nicht gefunden hätte, Dietmar Raffeiner. Seit 28 Jahren sind die beiden bekannt, der dichtende und malende Behinderte Georg und sein Betreuer: von den Anfängen in der Behindertenwerkstätte in Tschengls schwärmt Raffeiner heute noch: „Es war ein Ort jenseits ökonomischer Realitäten, es gab Gestaltungsautonomie, viel Freiraum.“ Dort, in Tschengls, begann die Karriere beider: „Am Leben sein heiß für Georg auch immer, zur Sprache zu kommen.“ Obgleich die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Prad letztes Jahr dem Behinderten Georg Paulmichl verliehen wurde, ist der Träger des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst (verliehen 2007) schon seit den 80er Jahren ein Name: in der Schweiz, in Österreich, in Deutschland. Einer seiner größten Bewunderer ist Felix Mitterer, unter anderem Autor der Piefke-Saga, einer, der sich anschloss an jene, denen die Behinderung weniger wichtig war als die Texte, die Paulmichl produzierte. „Am Anfang war Georg sehr unsicher,“ so ­Raffeiner, „und fragte oft: darf ich das sagen?“ Die Texte, die Raffeiner aufschrieb, seien mehr als Georg, mehr als er selbst, mehr als beide zusammen: „Es gab keine Dogmen, keine pädagogische Selbstbestimmung, wir arbeiteten nicht auf ein verdammtes Ziel hin.“ Die Texte, so Raffeiner, lebten weiter: „Jetzt sind sechs seiner Gedichte vertont, in der Schweiz geht eine Schau­spielerin mit seinen Gedichten ein Jahr lang auf Tournee, in Nordrhein-Westfalen trägt eine Schauspielerin szenisch-kabarettistische Stücke vor, auf den Baden-Württemberger Literaturtagen war ein Abend Georg gewidmet. Das ist das Schöne an den Texten, sie entwickelten sich immer weiter.“ Gerlinde Tamerl vom Haymon Verlag ist vom künstlerischen Werk Georg Paulmichls überzeugt: „Der Georg“ ist die vierte Publikation von Paulmichl im Haymon Verlag. Auch mit Felix Mitterer sei im nächsten Jahr eine Lesung über „Der Georg“ geplant. Gastgeberin Martina Schullian kannte die Texte von Georg nicht; sie ist langjährige Bekannte der beiden anderen Brüder von Georg: Wolfgang und Ludwig und von den Texten „sehr überrascht.“ Damit steht sie nicht alleine da. Es gibt nicht viele dichtende Zeitgenossen, die so genau hingesehen haben wie Georg Paulmichl und das Gesehene – trotz oder gerade wegen aller irrwitzigen sprachlichen Verdrehungen – absurd genau wiedergaben.
Katharina Hohenstein
Katharina Hohenstein

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