Gezählte Tage, kostbare Tage
Meinhard Feichter leidet an einem unheilbaren Krebs. Über den Umgang mit dieser Krankheit und sein „Mutmachbuch“ erzählte er kürzlich in Schlanders.
Schlanders/Bruneck - Den Blick auf die schönen, auf die positiven Dinge richten. Annehmen was kommt. Die guten, aber auch die schlimmen Sachen im Spiel des Lebens integrieren. Dies sind nur einige Botschaften aus dem Buch „Gezählte Tage sind kostbare Tage“. Ein „Erfahrungs- und Mutmachbuch“, wie es der Autor selbst nennt. Autor des Buches ist Meinhard Feichter. Kürzlich stellte der Brunecker Buchhändler sein Werk in der Athesia-Filiale in Schlanders vor. Und es ist ein besonderes Buch. Ein Buch über Schicksale, Hoffnungen, das Leben mit Krebs und den Umgang mit der Krankheit. 2011 wurde bei Feichter ein „Multiples Myelom“, Knochenmarkkrebs im dritten Stadium, diagnostiziert. Bei einer Radtour mit seinem damals 13-jährigen Sohn in Norwegen waren dem Pusterer nach einem Sturz unter großen Schmerzen einige Wirbel gebrochen. Bei den darauffolgenden Untersuchungen kam es zur Schock-Diagnose: „Unheilbar“.
Schock-Diagnose: „Unheilbar“
„Ich kam mir zu jung vor, um abzutreten. Als ich im Krankenbett lag, war es mir wichtig, meine Gedanken festzuhalten. Meine Gedanken über das Leben. Vor allem meine Kinder waren Motivation dafür, diese Gedanken niederzuschreiben“, blickt der heute 60-Jährige zurück. Feichter, der als Buchhändler selbst aus der Welt des Buches kommt, kam im Laufe der Zeit auf die Idee, seine Aufzeichnungen zu sammeln und als Buch zu veröffentlichen. „Dies war naheliegend, auch nur als einzelne Exemplare, für mich, für mein Umfeld“, erzählt er. Daraus wurde ein Buch, das sich an Menschen richtet, denen eine schwere Krankheit oder ein anderer Schicksalsschlag ins Leben gepfuscht hat. An Menschen wie Meinhard Feichter selbst. Umrahmt wird das Buch mit Gedichten und Tuschezeichnungen des Schriftstellers Ulrich Schaffer.
Die Krankheit annehmen
Im Gespräch mit der Athesia-Verlagsleiterin Ingrid Marmsoler in Schlanders erzählte und las Feichter aus einem Buch. Der Autor schilderte die Schritte „vom Überleben zum gut Weiterleben“ und berichtete vom Umgang mit dieser schrecklichen Krankheit. „Die durchschnittliche Lebenszeit beträgt vier Jahre. Bei mir wurde die Krankheit vor rund sieben Jahren diagnostiziert. Jeder Tag ist kostbar“, so Feichter. Es liege in der Entscheidung des Betroffenen, wie man weiterlebe. Zu Beginn komme die Auflehnung, dann die Phase des Annehmens. Es gelte, von einer anfänglichen Ohnmacht herauszukommen.
Auf Augenhöhe mit dem Krebs
„Ich weiß, die Krankheit ist nicht heilbar. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Der Krebs und ich sind mittlerweile auf Augenhöhe. Ich habe ihm ein Angebot gemacht und er scheint es, zumindest auf Zeit, angenommen zu haben“, betont Feichter. Das Leben sei eine Frage der Perspektive. Gesundes, zuversichtliches Denken solle dabei Selbstheilungskräfte aktivieren. Auch deshalb will Feichter nicht von einem Kampf gegen den Krebs, sondern von einem Leben mit Krebs sprechen. Wünsche, Hoffnungen und Schicksale gehören demnach zum Leben. „Man wünscht sich viel Alltag und Normalität. Dies ist wertvoll, wenn man von einer unheilbaren Krankheit betroffen ist. Vater sein, Ehepartner sein, den Beruf mit Freude und Erfolg ausüben. Oder auch ganz normal den Abwasch machen. Wie schön ist doch der Alltag“, so Feichter. Im Buch gehe es auch um Musik, um Gott und die Liebe. Der klassischen Musik kommt eine besondere Bedeutung zu, sie ist sozusagen Teil des Buchkonzeptes. Nach jedem Kapitel gibt Feichter eine Musikempfehlung. Anhand eines QR-Codes gelangt man mit dem Smartphone direkt zum jeweiligen youtube-Video und kann die Stimmung, die Gefühlslage, die der Autor in jenem Moment vorfand, miterleben. Gott habe er nie für sein Schicksal verantwortlich gemacht, so Feichter. Er selbst ist in einer gläubigen Familie aufgewachsen. „Die anfängliche Frage, wo Gott in großer Not bleibt und wer dieser Gott ist, der so unendlich großen Schmerz zulässt, war auch bei mir da,“ erinnert sich Feichter. Darauf gebe es jedoch keine Antwort. Der Wert des Glaubens erschließe sich in einen spirituellen Blick auf die Welt, auf das Leben. Nach wie vor erlebt er Gott in schönen, aber auch in schwierigen Phasen.
Das Lieblingskapitel
Sein Lieblingskapitel handle von der Liebe. „Beim Schreiben habe ich bereits gemerkt, dass dies mein Lieblingskapitel wird“, blickt Feichter zurück. Das Kapitel sei auch eine Liebeserklärung an seine Frau Bernadette. „Ich habe Glück eine derart starke und tolle Frau gefunden zu haben“, betont der Autor. Ob in den ersten Monaten der Krankheit, als es um das nackte Überleben ging, oder in den Jahren danach. Seine Frau und Familie standen ihm zur Seite. „Die Liebe, der Glaube und die Musik sind wichtige Kraftquellen, aus denen man in einer derartigen Situation schöpfen kann“, so Feichter.
Keine Angst mehr vor dem Tod
Nach zwei Nahtoderfahrungen habe er keine Angst mehr vor dem Tod. Das Sterben sei zwar traurig, aber nicht tragisch. „Ich denke, der Tod ist gnädig zum Kandidaten, den er sich holt, aber hart zu den Hinterbliebenen“, erzählt der Brunecker. Die Frage nach dem Warum haben sich laut Feichter schon viele gestellt. „Und sind daran gescheitert. Auch ich. Man kann daran nur scheitern. Deshalb wollte ich mir diese Frage nicht mehr stellen. Sondern viel mehr die Frage, wie gehe ich damit um. Denn gezählte Tage sind kostbare Tage“.