Kein Krimi, aber Spannung pur
Publiziert in 37 / 2009 - Erschienen am 21. Oktober 2009
Spondinig – Im Hause Peer, dem Hotel Post Hirsch in Spondinig, luden Besitzer und der Südtiroler Künstlerbund am Freitag, 9. Oktober zur Eröffnung der One-Night-Kunstsession ein, in der 19 Künstlerinnen und Künstler 16 Hotelzimmer gestalteten.
Im Jahr 1827 von der Familie Peer erbaut und ohne Unterlass in ihrem Besitz, steht das Hotel mit der geheimnisvollen, permanenten Nebel-Herbst-November-Ausstrahlung seit 1985 unter Denkmalschutz. Als Filmemacher könnte man sich eine solche Ästhetik nur wünschen, Krimiautoren müssten vor Freude springen. Sogar für Vorbeifahrende strahlt der Ort seine beflügelnde Wirkung aus.
Dabei geschieht es in jedem Hotel: Frisch geputzt, vermitteln Zimmer das trügerische Gefühl von Anonymität, in wenigen Stunden Putzaktionen hergestellt. Doch nach kurzer Zeit ist der Gast daheim, er kommt von der Tour in der Stadt, vom dem Berg oder Museum „nach Hause.“ Ob Mord- oder Selbstmordgedanken gesponnen werden, ob psychologische Dramen, Bankrotterklärungen, Heiratsanträge und Schwangerschaftsverkündungen oder das Ende einer langen Fehde stattfinden, was die Vormieter erlebten, bleibt unbekannt. Der Gast reist ab, mit ihm seine Dramen?
Doch wo bleiben sie, die unzähligen Geschehnisse, von den Anfängen des Tourismus in Sulden und Trafoi Mitte des 19. Jahrhunderts, über den Besuch des Erzherzogs Ferdinand zur Eröffnung der Bahnlinie Meran-Mals oder als das Hotel bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges als Herberge des Etappenkommandos diente, bis hin zur späteren Verwendung als Frontspital und all jenen persönlichen Erlebnissen danach?
Dass Geschichte und Atmosphäre im Hotel Post spürbar an, oft sogar unter den Wänden klebt, bestätigten auch die teilnehmenden Künstler mit ihrem Arbeiten: nicht selten kam diese dramatische Komponente zur Geltung.
Werner Seidl, dessen Idee die One-Night-Kunstsession war, verdeutlicht das dramatische Ende einer alkoholgetränkten Liebesnacht mit Lippenstiftschrift auf dem Spiegel: „Ich kann dich nicht mehr aushalten. Du wirst mich nie wieder sehen!“ Thea Blaas greift auf spartanische Mittel zurück: Ihre rot-geflutete Dusche mit dem bekannten EXIT verschmilzt zu einem Ort ohne Ausweg.
Thomas Peer, der mit seiner Mutter das Hotel führt, kennt selbst Selbstmordversuche in seinem Haus: „Glücklicherweise ging es gut aus.“ Der junge Hotelier, eigentlich wenig mit Kunst in Kontakt, war begeistert von der Idee der Künstlerbundes: „Und als wir klar machten, was geht und was nicht, ist alles gut gegangen. Vielleicht habe ich von jetzt an ja mehr Bezug zu Kunst.“
Thomas Sterna lässt auf dem Monitor des Fernsehens die Fragmentierung des Menschen, des Gastes sprechen, seine eigenen Augen, sein Mund, seine Stirn klicken sich immer wieder an und aus, ein Ganzes will und kann das Gesicht nicht werden. Jakob Thomas Reichegger „kratzt den Staub aus den Augen“ und war anfänglich von der Ästhetik des Hotels „eher bedrückt“. Was mit seinen Klebestreifen an der Wand allerdings dazu führte, dass er die gleiche Ästhetik ein paar Jahrzehnte nach hinten verschob und treffsicher jene Ästhetik in die 80er Jahre umsiedelte. Bei den Monitoren von Josef Rainer ist Dekonstruktion ein Thema: in den verschiedenen Monitoren spielen die Themen, blendend in die Zimmerszene gesetzt, Vergnügen, Gewalt, Beziehung eine Rolle. Aber der Mensch erlebt nicht selbst, sondern lässt erleben – via Monitor.
Einen anderen Ansatz fanden Ariana Moroder und Karin Welponer. Während in Moroders Arbeit der Herbst seinen Weg ins Zimmer fand, wiederentdeckte Karin Welponer einen ausgestopften Papagei des Hotels, den sie schon als Kind im Fenster des Hotels vorbeifahrend bestaunte. Ganz frei von Schauern, die den Rücken hinunterlaufen, blieb die Installation des Papageienthrones allerdings nicht.
Die One-Night-Kunstsession zog nicht nur Kunstinteressierte an. Sondern auch diejenigen, die sich das Hotel Post Hirsch von innen ansehen wollten. Sie ermöglichte, die angebliche Peripherie mit der städtischen Kultur aufeinander treffen zu lassen, sie weitete den Blickwinkel und bot mittels dieser neu gewürfelten Mischung auf durchaus fröhliche Art Neues.
Katharina Hohenstein
Katharina Hohenstein