Laaser Gumpfoten in New York
Publiziert in 26 / 2006 - Erschienen am 8. November 2006
Smurfs heißen sie. Oder Gumpfoten, Helotrophen und Orophyten. Die Kunstobjekte aus Laaser Marmor hat das deutsche Künstlerduo Venske & Spänle auf allen Kontinenten verteilt. Ein Portrait über das in New York und München lebende Paar.
In den Laaser Marmorwerken kaufen sie ein. Bei Südtirols einzigem Kunstgießer, dem Marlinger Vinzenz Dirler, lassen sie ihre Werke gießen. Die frisch gegossenen Arbeiten bearbeiten Venkse & Spänle manches Mal in der Werkstatt der Malser Bildhauer Joos & Joos. Gründe genug, immer wieder nach Südtirol zu kommen.
Eigentlich studierte Julia Venske Ägyptologie. Die notwendige Begeisterung für das Fach wollte sich allerdings nicht einstellen. Als sie während eines Film-Praktikums einen Bildhauer aus Schlanders kennen lernte, der sie auf die Bildhauer- und Steinmetzschule in Laas aufmerksam machte, war der Weg nach Südtirol nicht mehr weit: „Mit Stein wollte ich schon immer arbeiten.“ Aus den geplanten drei Tagen, um sich die Schule anzusehen, sollten erst viel später Jahre werden: „Ich bin fast sofort wieder abgereist.“ Ein Tag reichte ihr erst einmal, an der Schule eingeschrieben hatte sie sich dennoch. Als sie genommen wird, entscheidet sich die damals 21-Jährige, die geplante Weltreise erst später anzutreten. Sie wusste noch nicht, dass ihr die Kunst rund um den Stein die Welt geographisch eröffnen würde.
Von der Schule war sie begeistert. „Damals war der Schwerpunkt Kunst noch groß, es war relativ offen. Wir machten alles (!) mit der Hand, durften keine Maschinen benutzen. Da die meisten der Schüler schon so alt waren, viele hatten Abitur, genossen wir einige künstlerische Freiheiten“. 1995 lernt sie dort Gregor Spänle kennen, seitdem hämmern und klopfen, meißeln und schleifen sie den Laaser Marmor. Der Südtiroler Stein sei eben der beste für ihre Skulpturen. Organische und atmosphärische Wesen: Beschreibungen, die den Smurfs, den Helitrophen, den Orophyten am nächsten kommen: Bei den weltweit platzierten Smurfs war es ersichtlich, die neueren Gumpfoten verstärken die Tendenz: Ihre Steinskulpturen scheinen zu wachsen. Selten gelingt es, Marmor so viel Leichtigkeit, Ironie und Leben ein-zuhauen, fein-zuschleifen oder glatt-zupolieren wie bei den Objekten der beiden Künstler. Definitionen, vor allem rund um den Begriff der Bildhauerei, sind hier schwierig anzubringen. Laut Julia Venske hat die Bildhauerei auch heute noch den Beigeschmack einer „Monumentalskulptur, die irgendwo rumsteht. Bei uns geht es nicht um den Stein, letztlich sieht unserer ja aus wie Plastik. Wir bearbeiten ihn so lange, bis er organisch wird“.
Eine Videoinstallation haben sie erstellt, worin der Protagonist eigentlich ein Stein - besser gesagt, ein Smurf - ist. Erdacht und erstellt am Computer. „Im Prinzip ist es derselbe Vorgang wie bei der Bildhauerei, ich baue etwas nach meinen Vorstellungen auf.“ Deshalb, so Venske, sei dies ebenfalls Bildhauerei. „Warum auch nicht?“ Sie habe sich aufgelöst, die strikte Definition. „Wenn es allerdings nur noch um das Konzept und die Idee geht, ohne, dass etwas Materielles produziert wird, ohne, dass es visuell greifbar ist, dann fehlt sicherlich etwas.“ Den Figuren von Venske & Spänle fehlt eher nichts. Das Außergewöhnliche ihrer Arbeiten in Stein ist der Widerspruch zwischen Material und Empfindung desselben, zwischen Erwartung und Erscheinung. Die Smurfs aus Marmor, die Gumpfoten und Helotrophen - Lebewesen aus Stein, die dem Betrachter durchaus die Möglichkeit bieten, sich mit dem weltweiten Bevölkerungswachstum der Gumpfoten aus einander zu setzten. Selbst wenn das vielleicht nicht ganz ernst gemeint ist. Dennoch - neben der strukturellen Ästhetik - bleiben die Figuren aus Stein auch durch Ironie als Kunst präsent: Sie berühren durch Humor und die Möglichkeit, uns den Kopf zu verdrehen: Jene fluidale Struktur, die das Wissen rund um den Stein aufzulösen scheint. Dem Betrachter bleibt ein Stück Inspiration, oft ein breites Grinsen.
Venske & Spänle sind nicht nur ein Künstlerduo, sondern auch ein Paar. Auch das Paarsein funktioniert, weil beide das Leben rund um die Kunst, die Ausstellungen weltweit - wie in Argentinien, Japan, Sydney, Südafrika oder Peru - erleben wollen. Ein Teil dieser Lebenserfahrung ist das Wohnen und Arbeiten auf zwei verschiedenen Kontinenten. Sie ergänzen sich, haben verschiedene Herangehensweisen.
Die Kunst ist verstrickt mit dem Leben, „es geht deswegen gut, weil wir das beide genauso wollen.“ Bei der Kunst selbst gibt es keine Kompromisse: Es wird erfunden, diskutiert, gearbeitet. Hinter den Werken stehen beide. Selbst wenn der Funke der Inspiration keineswegs immer gleichzeitig zündet: „Manches Mal erwärmt man sich erst im zweiten Moment für eine Idee des anderen.“ So bleibt die Spannung erhalten - sei es im Werk oder privat, ob in Brooklyn oder im Münchener Glockenbachviertel. Oder im Vinschgau.
Katharina Hohenstein