Beschäftigt mit einer aufregenden Sammlung: Norbert Schuster.

Lauter altes Glump

Publiziert in 45 / 2008 - Erschienen am 17. Dezember 2008
Laatsch – „Die Mutt, die Halbmutt, die Mezzn und das Maßl: Von Reschen bis Prad galten jene Maße, ab Laas galten wieder andere Maße“, erklärt Norbert Schuster, der sich in seinem Heimatmuseum in Laatsch mit den inzwischen fast unzählbaren Gegenständen aus Handwerk und Landwirtschaft bestens auskennt. Bis vor kurzem zumindest, denn jetzt archiviert ein junger Student aus Burgeis im Auftrag des Bildungsausschusses Mals, finanziert von der Provinz Bozen, die Sammlung, und zwar Stück für Stück. „Wo ist der Roggen denn nun hin?“ wundert sich Schuster, der sonst ganz genau weiß, wo was hängt, liegt, steht. Es ist aufgeräumt, es blitzt, jedes Stück hängt an seinem Platz, oder besser: hing an seinem Platz. Das Spannendste an der Sammlung ist jedoch, dass Norbert Schuster die ­Geschichte fast aller illustren Gegenstände kennt: Die Geschichte mit den Maßen beispielsweise: Die Müller schrieben sich die Familien auf, die ihr Getreide bei ihnen mahlen ließen: Alois Moser, eine halbe Mutt, hieß es dann auf der Tafel des Müllers. Gemahlen wurde es dann zum Bäcker gebracht, „wir Buben haben dann das Brot zu den Familien getragen.“ Eine Mutt ergab rund 126 kleine Paarl, des Müllers Lohn war nicht Geld, sondern ihm blieb ein wenig Getreide übrig. Angefangen hat der 1931 geborene Bäcker der dritten Generation vor 45 Jahren, „das alte Glump“, wie es sonstwo hieß, zu sammeln: Er sah, wie ziehende Sammler aus Bormio, Livigno und Samnaun alles kauften, was kaum noch ein Mensch wollte. „Das kon­nte ich nicht mitansehen“, sagt Schuster, „und ich brachte, was ich fand, in die alte Scheune. Vor 60 Jahren seien die meisten Werkzeuge und Gegenstände noch benutzt worden, erklärt der Archivar und zeigt auf eine alte Petroleumlampe: „1903 waren hier die ersten beiden Glühbirnen – eine davon auf Kloster Marienberg. Und bevor das Petroleum eingeführt wurde, nahm man Schweinefett und setzte den Docht hinein. Von den Schweinen wurde alles, aber auch alles verwendet: Hier, schauen Sie, Lampenschirme aus Schweineblasen.“ Das Vintschger Museum in Schluderns war im Gespräch, die Sammlung zu beherbergen – eine von vielen Ideen, die sich dann doch nicht durchsetzten. Als auf Ganglegg die archäologischen Funde zu Tage gefördert wurden, „wurde der Plan fallen gelassen“. Die Glurnser, so Schuster, seien interessiert gewesen, doch sie, so der ­Bäcker, hatten keinen Platz: „Ich hätt’s ihnen schon geschenkt“. Heute sei er froh, er habe seine Freuden und seine Sorgen mit der Sammlung. Er ist der Archivar des Vereins „Heimatmuseums Laatsch“, der 2000 gegründet wurde und mittlerweile rund 80 Mitglieder zählt. Die ­Stücke aus Holz, seien es Tische und Stühle, alte Truhen, Werkzeuge, sie alle müssten jetzt gereinigt werden, sonst frisst sich der Holzwurm durch. So wartet Schuster, dass der Restaurator endlich kommt – und sorgt sich jetzt schon, wie die Dinge alle wieder an ihren Platz zurückfinden werden. Der Laatscher liebt vor allem aber das, womit er jahrzehntelang sein Leben verbrachte: die Welt rund um das Korn. „Der Vinschgau war die Kornkammer Tirols“ erklärt er: In jedem Dorf gab es Berufsmüller und Berufsbäcker“. Schuster selbst steht in gutem Kontakt zur alten Mühle im schweizerischen Sta. Maria. „Vom Acker zum Brot“, darum wird es auch in seinem im Dezember erscheinenden Büchlein gehen. Unter den rund eintausend Sammelstücken befinden sich auch Webstühle, gesponnene Wolle und das Endprodukt Leinen aus Leinsamen, aber auch Flachs und Hanf, der im ­Oberen Vinschgau viel angebaut wurde. Wer wissen will, was es bedeutet, wenn man im August sagte: „Tausend Jungfreilein hobn olle blobe Hiatlan auf“ geht zu Norbert Schuster, der mit seiner Sammlung gegen ein allzu schnelles Vergessen arbeitet. Heimatmuseum Laatsch: Im Winter Besichtigungen nach telefonischer Vereinbarung (Tel. 0473 831340 oder 0473 831060,) Stempelstelle für den Vinschgauer Kulturpass, mit Rollstühlen zugänglich.
Katharina Hohenstein
Katharina Hohenstein

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