Literarischer Wettbewerb der Oberschulen

Publiziert in 10 / 2005 - Erschienen am 26. Mai 2005
„Dann kamen mir plötzlich eines Tages, während ich über den Ponte Sisto ging und auf den trägen und schlammigen Tiber hinuntersah, einige Wörter in den Sinn. Es war das erste Mal, dass mir so etwas passierte. Sofort trat ich in einen Tabakladen, kaufte ein Heft und einen Stift, lehnte mich an eine Mauer und schrieb die Wörter auf.“ (aus „Mein alltägliches Bild“ von Anna Spechtenhauser) 45 Texte hatten Oberschüler der Handelsoberschule, des Realgymnasiums und der Gewerbeoberschule von Schlanders beim zweiten Literarischen Wettbewerb eingereicht. Daraus wurden von den Juroren Josef Feichtinger, Evelyn Tappeiner und Raimund Rechenmacher sechs Preisträger ermittelt. Anfang Mai wurden sie in der Bibliothek Schlandersburg prämiert. Motivert von ihren Fachlehrern hatten die Jugendlichen das Schreiben außerhalb der Schule, im Privaten sozusagen, versucht. So entstanden ironische, phantasievolle, lustige und traurige Texte, von denen die Juroren fünf Prosatexte und ein Gedicht auswählten. „Mit der Technik der Lyrik umzugehen ist sehr schwierig“, sagte der ehemalige Oberschullehrer Josef Feichtinger, selbst Autor und Literaturfachmann. Er sei überrascht gewesen, wie viele traurige Texte die jungen Menschen schreiben, die doch in einer Wohlstandsgesellschaft aufwachsen, in der es ihnen an nichts fehlen sollte. Oder doch? Trotzdem bewertete die Jury die eingereichten Arbeiten als positiv und das Publikum hörte gespannt zu, als die Preisträger aus ihren Werken vorlasen. Franz Josef Oberstaller, Direktor des Realgymnasiums von Schlanders, und Herbert Raffeiner überreichten den Siegern Bücherschecks als Preise. Musikalisch umrahmt wurde der Abend von den Schülerinnen und Schülern, welche die Musikwerkstatt des Realgymnasiums unter der Leitung von Hannes Ortler besuchen. Die prämierten Texte Abschied nehmen von Julia Tappeiner (Realgymnasium): Julia befasst sich mit einem heiklen Thema, dem Tod des Vaters. Ich bin Ötzi von Peter Wunderer (Gewerbeoberschule): ein ironischer Monolog, in dem sich der Eismann vorstellt. Hampelmann von Markus Platter (Realgymnasium): die aggressive Zerstörung des Hampelmanns dürfte den Übergang vom Kind zum Erwachsenen symbolisieren. Ärger im Paradies von Johanna Luggin (Realgymnasium): ein humorvoller Text, in dem der Tag beschrieben wird, an dem Eva beschloss, den berühmten Apfel zu pflücken. Mein alltägliches Bild von Anna Spechtenhauser (HOB): eine detailgetreu erzählte Lebensgeschichte einer alten Frau in Rom. Systemfehler von Stefanie Unterholzer (Realgymnasium): das einzige prämierte Gedicht hat das Kommunikationsproblem zum Inhalt; er verrät Belsenheit und ein gewisses Gespür für lyrische Gestaltungsmöglichkeiten, so die Jury.
Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Ingeborg Rainalter Rechenmacher

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