Lustig Liebe machen
Publiziert in 6 / 2007 - Erschienen am 21. Februar 2007
Das Buch ist eine Urgeschichte weiblicher Lust. Miriam Pobitzer’s „De bello phallico“ legt frühgeschichtliche Liebeslust frei und weckt Wünsche: nach einer erfüllten Sexualität. Die Vinschgauer Psychologin und Sexualmedizinerin über Hemmungen, gesellschaftliche Mythen und die Magie des Staunens.
„Der Vinschger“: De bello phallico. Warum dieser Titel?
Miriam Pobitzer: Ein Wortspiel, das eigentlich von meinem Mann kommt und mir gut gefallen hat. Zum einen ist da Krieg drin, zum anderen der schöne Penis...
„Der Vinschger“: Wenn Sie den Bogen in Ihrem Buch von der Frühgeschichte bis zur Gegenwart spannen, was sind Ihre Schlussfolgerungen?
Miriam Pobitzer: Es geht darum, aufzuzeigen, dass andere, frühere Kulturen ihre Sexualität freier gelebt haben als wir.
„Der Vinschger“: Was hindert die meisten Frauen daran, eine erfüllte Sexualität zu leben?
Miriam Pobitzer: Gesellschaftliche Mythen...
„Der Vinschger“:...zum Beispiel?
Miriam Pobitzer: Männer wollen immer zum Orgasmus kommen, wäre einer. Weitere Hindernisse sind Schuld, Scham, Selbstwahrnehmung, Hemmungen.
„Der Vinschger“: Was hindert die Männer?
Miriam Pobitzer: Hemmungen aller Art, Leistungsdruck. Aber auch Verkrampfungen körperlicher Natur.
„Der Vinschger“: Sie sagen, die meisten Menschen hätten Probleme mit ihrer Sexualität. Wie kann man sich helfen, ohne eine Psychologin wegen sexueller Probleme aufzusuchen?
Miriam Pobitzer: Indem man sich selbst gerne hat und Freude entwickelt. Und indem man die Vergangenheit auch Vergangenheit sein lässt.
„Der Vinschger“: Gehen wir noch einen Schritt weiter in die Vergangenheit. Ovid verfasst in der „ars amatoria“ (1-2 v.Chr.), dem Führer der Verführungskunst, der eine Anleitung zum Lieben, zur Lust ist, aber auch Anleitung zum Täuschen und Betrügen. Selbst wenn Ovid den Frauen die Lust einräumt – ansonsten scheint sich nicht viel geändert zu haben, wenn Seitensprünge an der Tagesordnung sind und Langeweile sich in den Betten breit macht. Oder?
Miriam Pobitzer: Eifersucht, Betrug, das sind Begriffe, die aus der Gesellschaft kommen. Und Betrug kann man nur fühlen, wenn man ein Monopol über den Menschen hat.
„Der Vinschger“: Aber die meisten Menschen nehmen dieses Monopol für sich in Anspruch, wenn sie in einer Partnerschaft leben - Seitensprünge passieren dennoch...
Miriam Pobitzer: Das liegt an der Qualität der Sexualität. Und diese setzt sich aus Körper, Psyche, Austausch, Reiz und Gesellschaft zusammen. In einer Partnerschaft kann vielleicht die eine oder die andere Seite zu kurz kommen. Bei einem Flirt steht der Reiz an erster Stelle. Im Grunde bringt ein Seitensprung gar nichts. Die Menschen verlieben sich deswegen in eine Affäre, weil Sexualität ohne Beziehung eigentlich eher schädigend ist.
„Der Vinschger“: Was sind die Merkmale einer erfüllten Sexualität?
Miriam Pobitzer: Wenn alle Aspekte, also Austausch und Psyche, Körper, Reiz und Gesellschaft angesprochen werden. Wenn eine sinnliche Körpersprache in den Alltag integriert ist. Wenn die emotionalen Grundbedürfnisse vorhanden sind: Also Vertrauen, Nähe, Geborgenheit, Sicherheit und Angenommensein. Der emotional gesunde Boden düngt auch den Boden für erfüllte Sexualität. Es ist die emotionale Seite des Geschlechtsverkehrs. Sinnliches im Alltag ist nicht nur Sex – sondern gehalten werden, sich auf den Partner verlassen können, Unterstützung vom Partner zu bekommen. Sexualität ist eben viel mehr – es ist das ganze Miteinander und manchmal wird es sinnlich und erotisch.
„Der Vinschger“: Die Menschen sind verschieden und oft sind sich Paare gar nicht einig. Wie viel Meinungsverschiedenheit tut gut?
Miriam Pobitzer: Mir gefällt der Vergleich mit dem Gummiband: Wenn es zu wenig gespannt ist, verliert es seine Wirkung. Wenn es zuviel gespannt ist, zerreißt es. Es braucht Freiheit und Harmonie. Und wenn ich dann dem Partner mit Neugierde und Staunen begegnen kann, bin ich auf dem besten Weg.
„Der Vinschger“: Erdrücken der Alltag, mit kleinen Streitereien und großen Sorgen, aber auch selbstauferlegten Freizeitprogrammen nicht das Verlangen – oder noch mehr: das Miteinander überhaupt? Bleibt sexuelle Erfüllung da nicht automatisch auf der Strecke?
Miriam Pobitzer: Wir leben in einer sehr nach außen orientierten Gesellschaft. Wenn man fragt, was den Menschen am meisten fehlen würde, dann sind es eben die Faktoren wie Geborgenheit und Sicherheit. Wenn man das weiß, kann man auch handeln und der Beziehung Aufmerksamkeit schenken. Wir definieren uns nicht über Emotionen in dieser Gesellschaft, sondern über wie gut wir Funktionieren. Daran krankt auch unsere Gesellschaft.
Interview: Katharina Hohenstein
Katharina Hohenstein