Markus und die „Laaser Schädel“

Publiziert in 12 / 2004 - Erschienen am 20. Juni 2004
In der anatomischen Abteilung der medizinischen Universität Zürich gibt es eine Sammlung mit menschlichen Schädeln aus Laas, die vor etwa 150 Jahren von der Marxkirche dorthin gelangte, möglicherweise durch Vermittlung des Laaser Wissenschaftlers und Arztes Dr. Franz Tappeiner (1816-1902). Er machte schon damals für anthropologische Studien 8000 Schädelmessungen an lebenden Personen. Es war dies eine frühe Methode, um die genetische Herkunft und die Zusammensetzung von Bevölkerungsgruppen zu bestimmen. Die Laaser Schädel haben noch eine andere Geschichte. Sie beginnt in der Krypta der „Marxkirche“. „Marx“ ist eine Kurzform für den Namen Markus; dieser Evangelist ist sonst in Südtirol nirgends als Kirchenpatron zu finden. Warum wird gerade in Laas diesem Heiligen eine so große Kirche geweiht? Welcher Grundherr hat sie gestiftet? Stammt er aus dem Welfenhaus, das den Löwen im Wappen führt? Durch dieses Patrozinium erscheint die Sage vom Holz des Vinschgauer Sonnenberges, auf dem Venedig angeblich erbaut wurde, im neuen Licht. Holzkäufe der zur Großmacht erstarkten Seerepublik Venedig aus weitum liegenden Gebieten, sogar vom Harzgebirge aus Deutschland, waren üblich. Warum nicht auch Holz aus dem Vinschgau über die Etsch? Das harzreiche Lärchen- und Föhrenholz fand vielfache Anwendung, vor allem auch für verschiedene Teile des Schiffsbaues. Im Vinschgau gab es übrigens früher auch Eichen, große und mächtige Bäume. Restbestände finden sich überall auf dem Sonnenberg, besonders am Ausgang des Münstertales. Die im Vinschgau zahlreichen Fresken weisen auf Einflüsse aus Venedig. Der „byzantinische“ Stil erreichte uns über über die Etschachse. Die „Schwabenstraße“ oder der „Obere Weg“ führte von Venedig nach Augsburg. Und so hat Markus, der Schutzpatron Venedigs, auch hier Halt gemacht. Um diese Zeit herum, also im 13. Jahrhundert, erstarkte Venedig zur Weltmacht. Um diese Entwicklung auch durch den Segen der Kirche zu legitimieren, wurden die Gebeine des heiligen Markus aus dem ägyptischen Alexandrien nach Venedig gebracht. Befanden sich hier in Laas einst Reliquien des heiligen Markus? Bei den jüngst erfolgten Restaurierungsarbeiten wurde die Krypta wiederum freigelegt. Frau Getrud Laimer-Tappeiner schreibt in ihrem Kirchenführer: „Das Untergeschoss von St. Marx barg die Krypta, darüber lag der Kirchenraum mit den Altären. Vielleicht diente die Gruft von St. Marx auch als Grablege für die Geistlichkeit.“ Und nun stellt sich neuerdings die Patronatsfrage: Venedig oder die Welfen? Venedig und das alte, mit den Welfen verbundene italienische Adelsgeschlecht der Este, waren Rivalen der Staufer. Gab es hier in Laas zwei Herrschaften, wobei die Stifter der Markuskirche allmählich ihren Einfluss verloren haben? Die Marxkirche wurde nach der Säkularisierung vielfach zweckentfremdet. Oder mit neuem Leben erfüllt - je nach Gesichtspunkt. Hier wurde Theater gespielt, unter anderem wurde im Jahre 1791 das siebenstündige „Hierländä“ aufgeführt. Die Kirche diente als Proberaum, als Konzertsaal, als Zeichenraum für die Laaser Steinmetzschule, später als Sennerei. Milch und Romanik... Die Laaser erinnern sich noch gut an die ganz besondere Stimmung: Unten, wenn auch verborgen und vergessen, die Gebeine der Toten... Die Markuskirche von Laas sorgt immer wieder für Überraschungen. War die Krypta als Beinhaus geplant oder sollte sie Reliquien, vielleicht auch Markusreliquien, aufnehmen? Die beiden Kirchen sind Zeugnisse mittelalterlicher Weltpolitik. Die Etsch, die südlich von Venedig mit ihrem Schlamm die Lagune aufschwemmt, ermöglicht die großen Zusammenhänge. Sie trug auf ihrem Rücken mächtige Baumstämme für die Befestigung des Bodens und harzreiche, duftende Hölzer für die Schiffswerften oder für den Bau der Gondeln. [F] Das Ohr [/F] Am Samstag, 12. Juni 2004 wurden in Laas im Gasthof „KRONE“ die Abschlussarbeiten des Berufslehrganges für Entwurf und Gestaltung gezeigt, darunter ein aus Kupfer getriebenes Ohr. Diese Arbeit des Schmiedemeisters Heinrich Zwick wurde als Titel für die Einladungskarte gewählt. Die Kurse werden im Herbst mit einer Reihe von vielseitigen Dozenten fortgesetzt. Anmeldung bei der Landesberufsschule in Schlanders, Protzenweg 8/A, Tel. 0473 737911. [F] Glurns [/F] Der Prieth Siegfried aus Glurns hat ein altes Beil gefunden, das er für eine Kriegswaffe hält. Er schreibt: „Eigentlich wollte ich eine Beregnungsleitung suchen mit der Wünschelrute, die bei mir gut anschlägt. Aber an Stelle der Leitung fand ich ein Beil, das aus der Calvenschlacht aus dem Jahr 1499 stammt. Das Beil wurde in der Nähe der Stadtmauer von Glurns gefunden und trägt zwei eingeschmiedete Wappen. Eines ist von der Schmiede, das andere von einer Burg im Münstertal. Das Loch in der Beilmitte diente zum Aufhängen in der Rüstkammer. Interessant ist, wie das Beil geschmiedet wurde: Aus einem flachen Eisen glühend zusammen gebogen und verschweißt, dann auf dem Amboss gerichtet und gestempelt.“ Ich habe mir erlaubt, sprachliche Glättungen im besagten Schreiben durchzuführen, ohne den Sinn zu verändern; dann habe ich das vorliegende Bild mit dem beil einem erfahrenen Schmied gezeigt, dem Walter Wieser aus Schlanders, und ihn nach seiner Einschätzung gefragt. Ohne zu zögern erklärte er: Die ausgestanzte, schlüssellochförmige Öffnung diente zum Herausziehen der Nägel; das Beil ist stark abgenützt und ist etwa 110 Jahre alt. Diese Art von Beilen kommt häufig aus dem österreichischen Mühlviertel, worauf sich auch die eingestanzten „Wappen“ beziehen.
Hans Wielander

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.