Mit Bravo-Rufen verwöhnt

Publiziert in 12 / 2008 - Erschienen am 2. April 2008
Sie ist Schauspielerin und Sängerin, Regisseurin und Theatergründerin: Die Leiterin des Theaters im Osten gastiert mit dem preisgekrönten Theaterstück „Der Name der Rose“ am 26. April im Kulturhaus ­Schlanders. Die Regisseurin Vera Oelschlegel über einen großartigen Roman, verratene Ideen und das größte Ver­gnügen des Menschens. „Der Vinschger“: Frau ­Oelschlegel, welche Aspekte der Originalvorlage des Romans von Umberto Eco waren Ihnen bei der Bühnenfassung besonders wichtig? Vera Oelschlegel: „Der Name der Rose“ ist einer der großen literarischen Erfolge der letz­ten Jahrzehnte. Er ist ein spannender Krimi und zugleich ein unterhaltsamer historischer Rückblick. Umberto Eco denkt in diesem Buch auf wunderbare und faszi­nierende Weise über das Dasein auf dieser Welt nach. Kaum einen Aspekt heutiger Diskussionen hat er nicht angesprochen. Das macht die Qualität des Buches und zugleich auch die besondere Herausforderung aus, dieses Werk auf die Bühne zu bringen. Eco selbst sagte: „Ich wollte einen offenen Text – rätselhaft, komplex, offen für verschiedene Interpretationen.“ Ist Ihre Bühnenfassung romangerechter als die gleichnamige Verfilmung von Jean-Jacques Annaud? Vera Oelschlegel: Nein! Die Fassung für Theater folgt nur anderen Gesetzen. Der Mikrokosmos des Benediktiner-Klosters, die Mischung von Personen – aus der Geschichte entlehnt - und Archetypen, eine gruselige Mordserie, eine Konferenz über Armut in der Kirche: Eine geballte Ladung Stoff für eine Bühnenfassung? Vera Oelschlegel: Der englische Franziskanermönch William von Baskerville und sein Adlatus Adson von Melk besuchen 1327 in geheimer Mission ein abgelegenes Kloster im Apennin. Unmittelbar nach ihrer Ankunft bittet sie der Abt um Mithilfe bei der Aufklärung eines Mordes. Bei ihrer Aufklärungsarbeit decken William und Adson dunkle Seiten des Klosterlebens auf: Heuchelei und Erpressung sind an der Tages­ordnung. Auf Menschenleben wird keine Rücksicht genom­men. Rivalisierenden Sekten und theologisch verbrämten Machtkämpfe, kultische Verehrung von Sprache und Literatur, Intrige und Mord. Und zugleich eine Geschichte über die Suche nach Wahrheit und Furcht vor ihr, über Vernunft und Fanatismus, über Glauben und Ketzerei und die Notwendigkeit des Zweifels. Wenn das nicht dramatisch ist – was dann? Wie sind die bisherigen Reaktionen des Publikums? Vera Oelschlegel: Wir haben die Vorstellung mehr als 150 Mal gespielt und sind mit Bravorufen verwöhnt worden. Wir haben zwei Preise dafür bekommen. Was hat Sie am Roman als Roman am meisten angesprochen? Vera Oelschlegel: Das ist ein Super-Roman: Glaubensroman, Historienroman, Detektivroman. Ich habe viel erfahren über verschiedene Kulturen, ihre Wurzeln, ihre Parameter . . .Schade, dass ein Theaterabend so kurz ist. Unser größtes Problem war: Was müssen wir weglassen. Sie gründen gerne Theater: 1966 Gründungsmitglied des „Ensemble 66“, Gründungsmitglied 1975 „Theater im Palast“, 1990 Gründungsmitglied des „Theater des Ostens“. Die Schwerpunkte des Theaters des Ostens? Vera Oelschlegel: Der Schwerpunkt ist, gutes Theater zu machen. Ein Theater, das unterhaltsam ist, klug und spannend. Ein Theater, in dem unsere reiche deutsche Sprache, sehr gut gesprochen, zu hören ist. Ein Theater mit sehr guten Schauspielern bis zur kleinsten Rolle, die im Ensemble spielen. In Leipzig geboren, ab 1984 als Professorin für Schauspiel tätig, erhielten Sie 1981 den Goethepreis der Stadt Berlin. Haben Sie die Deutsche Demokratische Republik ideologisch gut geheißen? Vera Oelschlegel: Ich habe mich mit der Idee, auf der die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik beruhte, identifiziert: Ein Deutschland, von dem nie wieder ein Krieg ausgehen darf. Ein Deutschland, das aus der Geschichte gelernt hat. Das Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit auf seine Fahne geschrieben hat, ebenso wie die Gleichberechtigung der Frau, das Recht auf Arbeit, auf Bildung . . . Um nur einiges aufzuzählen. Doch ­diese Ideen sind pervertiert und verraten worden. Als Sängerin und Schauspielerin sind Sie für Ihre Brecht-­Interpretationen bekannt. Worin liegt der Reiz bei Bertolt Brecht? Vera Oelschlegel: Brecht hat das Theater erneuert, verjüngt, hat eine alte Weisheit neu entdeckt, dass „das Denken zu den größten Vergnügungen der menschlichen Rasse gehört“, hat große Fabeln und Geschichten mit interessanten Mitteln, zu denen auch die spezielle Art von Songs gehört, auf das Theater gebracht. Brecht schreckt vor keiner Derbheit zurück und nicht vor letztem Realismus. Er ist ein wunderliches Gemisch von Zartheit und Rücksichtslosigkeit. Von Plumpheit und Eleganz, von Verbohrtheit und Logik, von wüstem Ge­schrei und empfindlicher Musikalität. Wer einmal seinen Ton begriffen hat, der kommt schwer los von ihm. Er ist ein großer Dich­ter. Sind Sie ein gläubiger Mensch? Wenn ja, in welcher Form, wenn nein, warum nicht? Vera Oelschlegel: Ich gehöre keiner Kirche an, aber ich bin ein gläubiger Mensch. Ihre 1991 herausgebrachte Autobiografie trägt den Titel „Wenn das meine Mutter wüßte“. Was hatte sie bis dahin vor allem nicht gewusst? Vera Oelschlegel: Der Titel ist ein Zitat aus einem Grimmschen Märchen „Die Gänsemagd“. Er lautet richtig: „O du Fallada, da du hangest O du Jungfer Königin, da du gangest, wenn das deine Mutter wüßte, ihr Herz tät ihr zerspringen.“ Meine Mutter hatte kein leichtes Leben. Mein Vater war im Krieg geblieben und sie musste durch schwere Zeiten drei Kinder ernähren und sie zu gebildeten Menschen erziehen. Ich wollte ihr nicht mit meinen Problemen noch zusätzlich das Leben schwer machen. Meine Probleme musste ich selbst lösen. Interview: Katharina Hohenstein „Der Name der Rose“ Aufgeführt von: Theater des Ostens, Berlin Organisiert vom: Kulturhaus Karl Schönherr Bühnenfassung: Claus J. Frankl Regie: Vera Oelschlegel Bühnenbild: Reinhart Zimmermann Kostüme: Elke Eckardt Ort der Aufführung: Kulturhaus Karl Schönherr Zeit der Aufführung: Samstag, 26.04.2008 um 20.00 Uhr Kartenvorverkauf: über Athesia Ticket in allen ­ Athesia-Geschäften; Abendkasse ab 19.00 Uhr
Katharina Hohenstein
Katharina Hohenstein

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