Mit Sichel und „Hangl“
Erstmals wieder Kornschnitt auf Unterfrinig. Neuer Eigentümer hat viel vor.
Tanas - Der Bergbauerhof Unterfrinig in Tanas hat seit Ende April einen neuen Besitzer. Es ist dies Andreas Grohmann (Schuhgroßhandel und Schuhentwicklung) aus Obertrum am See im Salzburger Land. „Es war schon immer mein Lebenstraum, einen Bergbauernhof zu erwerben“, sagte Grohmann am ersten Wochenende im September dem der Vinschger, als auf Unterfrinig erstmals wieder Korn geschnitten wurde, genauer gesagt Fisser Imperial Gerste. Mehrere Dutzend Freiwillige aus dem Vinschgau und darüber hinaus hatten sich am 2. und 3. September auf Einladung von Karl Perfler auf Unterfrinig eingefunden, um die Gerste auf einem rund einen Hektar großen Acker zu ernten und zu „Hocken“ zu binden. Mit dem Betreiber des Kultur- und Dorfgasthauses „Tschenglsburg“, der sich schon seit Jahren darum bemüht, den Getreideanbau im Vinschgau neu anzukurbeln, war Grohmann schon vor dem Kauf des Hofes in Kontakt getreten. „Wie schon Karl geht es auch mir darum, dem Hof eine wirtschaftliche Perspektive zu geben“, so der neue Eigentümer. Eine gute Möglichkeit dazu sieht er im Anbau von Getreide, denn damit wird an eine alte Tradition angeknüpft. Mit Perfler stimmt Grohamm auch darin überein, dass das Getreide bzw. die daraus hergestellten Produkte, in erster Linie das Brot, zu fairen und gerechten Preisen abgesetzt werden. „Damit der Produzent von seiner Arbeit leben kann, muss der Konsument bereit sein, einen gerechten und würdigen, Preis zu zahlen“, so Perfler. Die Gerste, die am 2. und 3. September geschnitten wurde, soll nur der Anfang dafür sein, den Kornanbau auf Unterfrinig neu zu beleben. Eine wichtige Rolle dafür spielt - wie schon in früheren Zeiten - die Verfügbarkeit von Wasser am trockenen Sonnenberg. „Heuer hatten wir Glück, denn es hat relativ viel geregnet und es war auch warm, sodass die Gerste gut reifen konnte“, blickte Perfler zurück. Zusätzlich zur Gerste waren Ende Mai auf weiteren Flächen noch Nackthafer und Sommerweizen gesät worden. Perfler: „Die Gerste-Hocken bleiben jetzt für rund zwei Wochen zum Trocknen stehen. Dann wird das Getreide hier oben gedroschen und anschließend zum ‚Putzen’ nach Prad gebracht.“ Die Fisser Imperial Gerste war lange Zeit verschollen und wurde erst vor wenigen Jahren wieder in der Genbank in St. Petersburg gefunden. Sie eignet sich laut Perfler hervorragend für die Gerstensuppe, den Gerstenreis und auch für das Pils-Bier.
6 einheimische Sorten
Zusätzlich zum Anbau herkömmlicher Getreidesorten wie Gerste, Roggen, Hafer und Buchweizen möchten Grohmann und Perfler in Zukunft auch Emmer, Dinkel und Weizen auf Unterfrinig säen. Das Ziel ist hehr: Auf einer Gesamtfläche von 10 bis 12 ha sollen bereits heuer im Oktober 6 einheimische Getreidesorten ausgesät werden. Perfler: „Auf einer Höhe von 1.700 Metern ist das sicher ein Risiko, aber wir werden es wagen, denn die Klimaveränderung spielt da auch mit.“ Flächen gibt es auf Unterfrinig übrigens genug. Der dritthöchst gelegene Hof in Tanas - Oberfrinig liegt auf 1.745 m und der Strimmhof auf 1.754 m - umfasst inklusive der Alm- und Waldflächen ca. 57 Hektar. Erstanden hat Grohmann den Hof für rund 1,5 Millionen Euro. Er hatte sich im Vorfeld schon über längere Zeit hinweg nach einem Hof in Südtirol umgeschaut. Die Vorzüge von Unterfrinig sieht er u.a. in der Abgeschiedenheit und der Ursprünglichkeit. Grohmann: „Ich bin seit vielen Jahren in Südtirol verliebt und schätze vor allem den Vinschgau, der im Gegensatz zu anderen Gegenden nicht so ‚überlaufen’ ist.“ Auch die Gastfreundschaft im Vinschgau habe es ihm angetan, die Gemütlichkeit und die Echtheit. „Hier finde ich, was ich brauche, und das ist vor allem Entschleunigung.“ Grohmann hält sich mindestens einmal im Monat auf Unterfrinig auf. Er hat sich bereits wohnlich eingerichtet. Seine große Leidenschaft, das Mountainbiken, kann der Berg- und Naturfreund im Vinschgau und auch auf Unterfrinig voll ausleben: „Nicht jeder kann von sich sagen, dass er bei sich zu Hause 600 Höhenmeter mit dem Mountainbike bewältigen kann.“
„Kapelle und Steinhäuser werden saniert“
Die zwei denkmalgeschützten alten Steinhäuser sowie die Hofkapelle, die sich ebenfalls in einem sehr desolaten Zustand befindet, will Grohmann eigenen Angaben zufolge sanieren und erhalten. Das Land hatte das Vorkaufsrecht für den Erwerb der alten Wohnhäuser und der Kapelle nicht ausgeübt. Beim Ensemble Unterfrinig handelt es sich um einen Doppelhof. Eines der Wohngebäude ist ein spätgotischer Bau mit bemalter Fassade. Unter dem Dachfirst findet sich die Jahreszahl 1576. Mit 1681 ist die kleine Glocke der Kapelle datiert, die kürzlich zum Vorschein gekommen ist. Erstmals urkundlich erwähnt wird die Hofstelle 1352. Als Besitzer wird 1552 ein Jakob Niederfriniger genannt.
Auch Ziegen vor Ort
Für zusätzliches Leben auf Unterfrinig sorgen seit dem 2. September mehrere Dutzend Ziegen, die der „Schaf- und Goasverein Tarsch“ nach Tanas gebracht hat. Weil es auf der Tarscher Am sowie auf der Kuppelwieser Alm auch während des heurigen Sommers zu etlichen Wolfsrissen gekommen ist, bei Ziegen ebenso wie bei Schafen, hatte sich der Verein entschlossen, die Tiere vorzeitig von den Almweiden zu holen und nach Tanas zu bringen. Dort können sie sich jetzt bis zum ersten Schneefall aufhalten.
„Begegnung unterm Baum“
Wie siehst Du Deine Region im Jahr 2030? So lautete die Frage, mit der sich am Nachmittag des 3. September im Rahmen des Kornfestes auf Unterfrinig Visionärinnen und Pioniere im Vinschgau auseinandersetzten. Zum mehrstündigen Treffen unter dem Motto „Begegnung unterm Baum“ hatte das Team der Mitmachregion Vinschgau (Brigitta Villaronga und Ghali Egger) eingeladen.