Naturns wird sichtbarer gemacht.
Der Künstler Eduard Habicher und sein Modell
Der „Schaukler“ im geschätzten Alter von 1.350 Jahren

Nun schaukelt er wirklich

100 Jahre nach seiner Freilegung wurde dem Heiligen auf der Schaukel eine besondere Ehrung zuteil. 

Publiziert in 8 / 2023 - Erschienen am 24. April 2023

Naturns - Die Rede ist von jener Freskofigur in der Naturnser Kirche St. Prokulus, die etwas salopp „der Schaukler“ genannt wird. Wer sich wirklich dahinter verbirgt, ob der aus Damaskus fliehende Apostel Paulus oder St. Prokulus, der Stadtheilige von Verona, bleibt ein Geheimnis, genauso wie das Alter der Fresken in der kleinen Kirche östlich von Naturns. Geheimnis hin oder her, die Naturnser sehen in ihm den Bischof Prokulus, der vor der Christenverfolgung des Kaisers Diokletian im Jahre 303 aus Verona fliehen musste und dazu über die Stadtmauer abgeseilt wurde. Inzwischen ist die Darstellung weltberühmt. Deren Freilegung im Jahre 1923, also vor jubiläumswürdigen 100 Jahren, war ein Anstoß für Kulturbewusste in Naturns, Kirche und St. Prokulus wieder ins Gespräch zu bringen. Angestoßen fühlten sich nicht nur Kulturreferent Michael Ganthaler, die Leiterin des Prokulus-Museums Tanja Flarer, die Obfrau des Prokulus Kulturvereins Maria Theresia Kreidl und ihre Mitglieder, die Pfarre mit Dekan Christoph Wiesler, sondern auch die Tourismusgenossenschaft und viele Naturnser Bürger mit Bürgermeister Zeno Christanell an der Spitze. Referent Ganthaler erinnerte sich nicht mehr, wer auf ein Projekt des Künstlers Eduard Habicher aus dem Jahre 2003 hingewiesen hatte. Damals, 2003, wurde Naturns vom Durchzugsverkehr befreit und der Umfahrungstunnel eröffnet. Der aus St. Valentin auf der Haide stammende Künstler Eduard Habicher hatte die Identität stiftende Wirkung „des Schauklers“ vor Augen und wollte ihn überlebensgroß auf Naturns hinweisen lassen. Der Gedanke wurde 20 Jahre später wieder aufgegriffen und Habicher kontaktiert. Der war inzwischen ein Burggräfler mit Werkstatt in Riffian geworden und durch seine großformatigen Skulpturen in ganz Europa bekannt. Um sich abzusichern und jeden Anschein von Blasphemie zu vermeiden, haben die Naturnser eine Stellungnahme des Direktors des Landemuseums Dorf Tirol, Leo Andergassen, eingeholt. Der schrieb: „Meines Erachtens ist der Schaukler aus den Wandmalereien von St. Prokulus zu einem selbstredenden Motiv geworden, das als Verweis auf den hochrangigen Kult- und Kulturort wunderbar funktioniert. Ich hätte keine Bedenken hinsichtlich der Profanierung eines Heiligenbildes“. Anfangs April 2023 verschwanden zuerst die „grünen Biker“ aus dem Kreisverkehr und in der angrenzenden Wiese entstand ein Betonsockel. Am Dienstag, 12. April, fuhren ein Kranwagen und eine Hebebühne auf. In wenigen Stunden wuchs ein tonnenschweres Gerüst aus angerosteten Stahlrohren in die Höhe. Eduard Habicher und ein Helfer ließen sich den verpackten, mannshohen Schaukler aus Edelstahl anheben, „damit er in 7 m Höhe im famosen Vinschger Wind schaukeln und im Sonnenlicht in gleißende Energie sprühen kann“, wie Habicher nach getaner Arbeit meinte. „Die Skulptur hat verschiedene Bedeutungsebenen“, erklärte Eduard Habicher, „einerseits ist es ein Fingerzeig auf das kostbare, kulturgeschichtliche Erbe der Marktgemeinde Naturns, andrerseits bilden die angerosteten Stahl-Rohre einen Hinweis auf die Natur, auf den Sonnenberg.“ Die Bewegung im Wind leite von einem rein physischen Phänomen hin auf eine mentale Ebene, wo alles Bewegung ist, Veränderung und andauerndes Werden, ergänzte der Künstler. Die Segnung der Kunstinstallation mit Dekan Christoph Wiesler findet im Rahmen einer schlichten Feier am 1. Mai um 10.00 Uhr statt. Für Samstag, 6. Mai mit Start um 15.00 Uhr ist eine „siedlungsgeschichtliche Wanderung“ rund um Naturns vorgesehen mit dem Archäologen Hubert Steiner und dem Bauforscher und Kunsthistoriker Martin Laimer. Kontakt: prokulusmuseum@naturns.eu

Günther Schöpf
Günther Schöpf

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