RUDOLF PEER - ZEICHNUNGEN - GRAFIK - PLASTIK.
Publiziert in 19 / 2004 - Erschienen am 7. Oktober 2004
Anlässlich der Kastelbeller Ausstellung ist ein zweisprachiger Katalog erschienen mit ausführlichen Text- beiträgen und mit reichem Bildteil; die italienische Übersetzung besorgte Cristina Baldi.
Dieser bei Athesia/Bozen gedruckte Katalog zeigt neben den in Kastelbell ausgestellten Werken einen wichtigen Teil der monumentalen Arbeiten, also seiner Bauplastik. Mit ihr konnte sich der Künstler vor allem im Rheinland verwirklichen; hier im Vinschgau werden sie aber nicht gezeigt, weil es keine geeigneten Ausstellungsräume gibt.
Über dieses Problem hat bereits geschrieben: „Auf der Suche nach einem geeigneten Ausstellungsraum für die großformatigen Werke von Rudolf Peer wurde der Bärenstadl in der Laaser Hauptstraße besichtigt. Der ehemalige Stall und Stadel....wurde saniert und nach einem Plan von Walter Dietl ausgebaut. Künstler (und auch normal Sterbliche) staunen über die Qualität dieses Riesenraumes, der heute als Parkplatz dient. Laas ist ein Kunstdorf, hier befindet sich die Steinmetzschule. Laas braucht einen großen, vielseitig verwendbaren Ausstellungsraum.“ („Der Vinschger“ Nr. 24/2004: LAAS BÄRENSTALL DER SCHÖNSTE SAAL IM VINSCHGAU).
Dieses Anliegen - gerichtet an die Gemeinde Laas - wird durch die Kastelbeller Ausstellung wieder ins Bewusstsein gerufen.
Rudolf Peer hat die nie ganz abgebrochenen Beziehungen zum Vinschgau wieder aufgenommen. Der Katalog ergänzt die Ausstellung und vermittelt eine gültige Übersicht; darin schreibt Herbert Raffeiner:
Rudolf Peers Kunstschaffen ist vom öffentlichen Raum und von der privaten Vertrautheit geprägt. Er hat sich die Gestaltung des großen Raumes (in der Mehrheit Kirchen), der durch Zweck orientierte Architektur definiert ist und deswegen ausgestaltet werden muss, zur Aufgabe gemacht. Dazu hat er mit berühmten Architekten und finanzkräftigen Auftraggebern zusammengearbeitet. In der Wahl seiner Materialien hat er sich den vorgefundenen Gegebenheiten angepasst, er arbeitet im Freien, in Steinbrüchen oder auf Baustellen. Seine handwerkliche Ausbildung in den fünfziger Jahren und die anfänglichen Verbindungen zum Architekturbüro Böhm haben ihn zur Architekturplastik geführt. „Mehr als die Vitrinenkunst hat mich von Anfang an die Bauplastik interessiert“.
Daneben gibt es den Atelierkünstler, der seinen feinen Gelüsten nachgeht. Er schafft Kleinplastiken und Auftragswerke, aber er ergeht sich auch in Porträts seiner Tante Kreszenz, er bearbeitet klassische oder religiöse Themen, betreibt Aktstudien und formt Menschen mit ungetümen Extremitäten. Nachdenklichkeit steht hinter diesen Werken und eine Sehnsucht nach den Formen der Natur, die der Mensch immer hemmungsloser überwältigt. Wie eine Vertreibung aus dem Paradies und einen Sündenfall empfindet er die zunehmende Umweltbelastung.
Peers Kunst ist von einer bestimmten Sachlichkeit und von großer Neugier gekennzeichnet. Die Menschen sollen damit etwas anfangen können, und sei es, dass sie Anlass zu Diskussion und zum konkreten Nachdenken gibt. Streng grenzt sich Peer vom Abstrakten ab, er schafft Figuratives. Unter Hinweis auf den kultischen Zweck seiner Werke sagt er: „Diese Dinge werden benutzt, sie müssen von den Leuten angenommen werden“.
Von Moden hat sich Peer streng fern gehalten, lieber definiert er sich als einen Konservativen. Ganz in der expressionistischen Tradition seines Lehrers Ludwig Gies ist er dem Landleben zugeneigt. Die Stadt hat ihm Arbeit und Wohlstand gegeben, aber die Kraft holte er sich vom Lande. Und die Wurzel seiner Kunst ist das Handwerk. In einem Manuskript, in dem er zum „Prinzip Handwerk“ Stellung bezieht, tritt er streng der These entgegen, dass der „Verlust des Manuellen als Grundlage zur Förderung neuer Ausdrucksweisen“ werden könne. Er verwehrt sich dagegen, dass die Überwindung des Handwerks Ziel der Maler und Bildhauer sei.
Das Grundprinzip der künstlerischen Arbeit ist für Rudolf Peer „einen Abglanz des Lebendigen zu geben, selbst im Ornament und in der Fabel, nicht wie es eine Fotografie vermag, sondern indem eine Form, ein Axiom gesucht und gefunden wurde, die eine unverwechselbare Assoziation zur Realität herstellt“.
Herbert Raffeiner
[F] DER TAUFSTEIN [/F]
Die deutschen Bischöfe schenkten Konrad Adenauer zu seinem 90. Geburtstag einen Taufstein; der Bronzedeckel mit der ausgesparten Schrift zur Würdigung des Altbundeskanzlers ist ein Werk von Rudolf Peer.
Der italienische Surrealist Giorgio de Chirico wurde in seinem letzten Interview befragt, was für ihn, den 90jährigen Künstler, wichtig für die Zukunft sei. Die Antwort: „Vedere in ogni bara una culla.“ In jedem Sarg eine Wiege sehen!
Was besagt die feierliche Schrift auf dem Brozedeckel des Taufsteins? Darin lesen wir von Adenauers politischer Bedeutung ebenso wie von seinem Einsatz für die Kirche, vor allem aber - das steht nicht direkt - wird ihm gedankt, dass er den Deutschen wieder Selbstvertrauen geschenkt hat. Und der Zukunft vertraut, der Erneuerung des Lebens aus dem Geiste der Taufe, dem Wasser.
Nicht anders als der Künstler de Chirico, der Erfinder der metaphysischen Malerei: Vedere in ogni bara una culla.
Hans Wielander
[F] Kurzbiographie [/F]
Rudolf Peer wurde 1932 in Eyrs im Vinschgau geboren, 1939 Abwanderung nach Thüringen, 1947 Umsiedlung nach Düren in Nordrhein-Westfalen, 1954 Meisterschüler von Prof. Ludwig Gies, 1956 künstlerischer Durchbruch mit den Kreuzwegstationen für die Kirche St. Kolumba in Köln, über 30 Jahre enge Zusammenarbeit mit der Architektur, Arbeiten in Bronze, Stein, Glas, Beton, Holz, Druckgraphik und Zeichnungen.
Er lebt abwechselnd in Köln und in Bagnone in der Toskana.
[F] RUDOLF PEER
ZEICHNUNGEN GRAFIK PLASTIK
AUSSTELLUNG IM SCHLOSS KASTELBELL [/F]
Öffnungszeiten:Vom 2. bis 31.Oktober 2004
werktags von 14-18, an Sonn-und Feiertagen von 11-18 Uhr