Gruppenbild im Anschluss an das Aufstellen der Larmstange; die Fahne (rechts) ist der Beweis: am Vormittag des heurigen Scheibenschlagsonntags war es ganz schön windig
Gespanntes Warten auf die glühenden Scheiben und die Ausrufe der Namen
Gespanntes Warten auf die glühenden Scheiben und die Ausrufe der Namen.
Gespanntes Warten auf die glühenden Scheiben und die Ausrufe der Namen.
Einige Eindrücke vom Scheibenschlagen in Vetzan
Einige Eindrücke vom Scheibenschlagen in Vetzan
Einige Eindrücke vom Scheibenschlagen in Vetzan
Einige Eindrücke vom Scheibenschlagen in Vetzan
Einige Eindrücke vom Scheibenschlagen in Vetzan
Einige Eindrücke vom Scheibenschlagen in Vetzan
Einige Eindrücke vom Scheibenschlagen in Vetzan
Einige Eindrücke vom Scheibenschlagen in Vetzan
Einige Eindrücke vom Scheibenschlagen in Vetzan

„Schaug, wia des …“

In Vetzan werden die Scheiben mit bloßen Händen ins Tal geschleudert.

Publiziert in 5 / 2023 - Erschienen am 14. März 2023

Vetzan - Die über 20 Meter hohe, mit Stroh umwundene Larmstange durfte zwar nicht angezündet werden, doch sonst war am 26. Februar in Vetzan alles so, wie es an einem Scheibenschlagsonntag immer ist: eine Art „Feiertag“, der so gut wie niemanden unberührt ließ. Das Scheibenschlagen ist im kleinen Dorf eine fest verwurzelte Tradition. Dem derzeitigen Scheibenschlager-Club gehören rund 70 aktive Mitglieder an. Mädchen und Buben sind ebenso dabei, wie Jugendliche, Erwachsene und erfahrene „ältere Hasen“, wie es etwa Nobert Ratschiller ist. Er war von Anfang an ein Mitstreiter von Konrad Raich, der die Vetzaner Scheibenschlager-Gruppe 55 Jahre lang geleitet hatte. „Konni, Du fahlsch!“ heißt es auf einer Gedenktafel in der Holzhütte in unmittelbarer Nähe des Scheibenschlagbichls. Konrad Raich ist am 23. Februar 2019 gestorben. Sein „Erbe“ lebt aber ungebrochen weiter und wird vom Scheibenschlager-Club hochgehalten, auch von seiner Frau Maria, die auch am heurigen Scheibenschlagsonntag zusammen mit vielen weiteren fleißigen Händen in der Küche mithalf. Die Grundzüge des Scheibenschlagens in Vetzan sind zwar dieselben, wie sie auch in vielen anderen Dörfern im Vinschgau zu beobachten sind, jedoch gibt es einigen Besonderheiten. Abgesehen davon, dass Vetzan talauf- bzw. westwärts das erste Dorf ist, wo dieser uralte Brauch gepflegt wird, werden die Scheiben in der Schlanderser Fraktion nicht mit Stöcken ins Tal geschlagen, sondern mit bloßen Händen. „In früheren Zeiten wurde auch hier mit Stöcken und Ruten geschlagen, aber es bestand die Gefahr, dass die glühenden Scheiben auf den Dächern der Häuser landeten“, erinnert sich Norbert Ratschiller. Werden die Scheiben hingegen mit den Händen zu Tal geschleudert, „ist die Reichweite viel kürzer und die Scheiben gelangen nicht bis zu ersten Häusern.“ Ganz einfach ist dieses Unterfangen allerdings nicht. Auch heuer kamen die eifrigen Scheibenschlager wohl nicht ohne Brandblasen an den Händen nach Hause. Praktisch läuft das Ganze so ab, dass die Scheiben aus Birkenholz in ein offenes Feuer geworfen werden. Sobald sie glühen, werden sie mit der Schaufel aus dem Feuer geholt und für die Scheibenschlager abgelegt. Um deren Arbeit zu erleichtern, stehen zwei Kübel voll Wasser bereit, in das die Scheibenschlager vor und nach dem Hinauswerfen der brennenden Scheiben ihre Hände eintauchen.

Rund 200 Mal „Reim, Reim …“

Das eigentliche Scheibenschlagen beginnt nach althergebrachter Tradition immer kurz nach dem abendlichen Ave-Maria-Läuten. Auch heuer war es wenige Minuten nach 19 Uhr, als die Bevölkerung im Dorf die ersten Scheiben vom Pichl fliegen sah und die ersten Namen hörte. Rund 200 Namen von Familien bzw. Personen standen heuer auf der Liste. „Die Liste umfasst sozusagen ganz Vetzan“, so Nobert Ratschiller. Die Namen waren schon Tage vorher im Rahmen einer „Sammel-Aktion“ im Dorf aufgeschrieben worden. Großen Wert legen die Vetzaner Scheibenschlager auf den genauen Ausspruch, der zu jeder Scheibe bzw. zu jedem Namen mit großen Sprechtrichtern aus Blech in die Nacht gerufen wird, um unten im Dorf gehört zu werden: „Reim, Reim, wem keart eppr dia Scheib, dia Scheib keart in (Name der Familie oder der Person) … zu a’nar Kniascheib, geats ihnan guat, geats ihnan schlecht, schaug wia des Scheibele außigeat, außigeat, außigeat.“ Das Schlagen und Rufen dauern in etwa eineinhalb Stunden. Den Abschluss bilden immer die Scheiben für die „Liebschaften“. Um die Stimmbänder der Ausrufer zu „schmieren“, greifen die Vetzaner auf ein bewährtes Mittel zurück: Ab und zu einen Löffel Honig und weiter geht’s. Neben dem „Einsammeln“ von Haus zu Haus ist das Scheibenschlagen noch mit vielen weiteren Arbeiten im Vorfeld verbunden. So wird etwa die Larmstange immer am Samstag vor dem Scheibenschlagsonntag mit Stroh von „Patsch“ am Vetzaner Sonnenberg gewunden. Aufgestellt wird sie am Sonntagvormittag während des Gottesdienstes. Läuft alles nach Plan, muss die Stange stehen, sobald die Leute aus der Kirche kommen. Heuer war es wegen des starken Windes alles andere als leicht, die Larmstange zeitgerecht aufzustellen und zu verankern. Am Ende hat es doch geklappt. „In Schlanders mussten drei Vetzaner mit anpacken, sonst hätten sie ihre Larmstange heuer überhaupt nicht ‚aufdrstellt’“, hieß es in Vetzan. Ein Abrennen der Larmstangen am Scheibenschlagsonntag war heuer in vielen Orten wegen anhaltender Trockenheit, starken Windes und erhöhter Waldbrandgefahr untersagt worden. Auch die „Larmstange“ in Vetzan blieb am 26. Februar „verschont“. Obwohl dieser abschließende Höhepunkt ausblieb, war der Scheibenschlagsonntag erneut ein „Feiertag“ auf dem Bichl und auch unten im Dorf. Die Pflege von Bräuchen wie diesen schweißt die Bevölkerung zusammen und trägt auch dazu bei, die neuen Mitbürgerinnen und Mitbürger in die Gemeinschaft miteinzubinden.

Josef Laner
Josef Laner

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