Christine Losso ist Autorin mehrerer Bücher: „Über den Schatten springen – Starke Frauen braucht das Land (2000) und „Verkaufte Liebe – Tagebuch einer Prostituierten (2002). Neben ihrer Tätigkeit als Redakteurin für die Neue Südtiroler Tageszeitung und verschiedene andere Medien engagiert sie sich in Südindien für den Bau eines Waisenhauses. Die zweifache Mutter und Großmutter lebt mit ihrer Familie in Plaus. „Dolores“ ist erschienen im Provinz Verlag, Brixen.

„Spring doch, du blöde Kuh“

Publiziert in 15 / 2006 - Erschienen am 26. Juli 2006
Die Lebens- und Sterbensgeschichte ihrer Schwester Dolores hat die Journalistin Christine Losso aufgearbeitet. In „Dolores - Ein Leben zwischen Liebe, Drogen und Tod“ zeigt sie ein weniger sichtbares Stück Südtiroler Realität. Wer „Dolores“ liest, taucht nicht nur in die Geschichte einer Multi-Drogenabhängigen, sondern begibt sich in die gute Stube einer Südtiroler Familie, die des Lebens weniger schöne Seiten kennt. Die von Erniedrigungen und Liebesentzug gezeichnete Kindheit des Vaters, die schwierige Beziehung der jungen Eltern, das Heranwachsen der beiden Schwestern in wechselnden Familien, der geliebte, aber von der Mutter alleine gelassene Sohn: ein schweres Päckchen scheint jedem Mitglied auf den Schultern zu drücken. „Dolores“ mischt die Geschichte der Schwester mit frei erfundenen Szenen. Was sich reell zugetragen hat, was erdichtete Geschichte ist, bleibt dem Leser zu beurteilen. Die oft sprunghafte, umgangssprachliche Erzählweise mag so manchen ärgern. Nicht immer sind die Erzählperspektiven klar. Das wesentliche Thema allerdings, Dolores – als Tochter, Mutter, Junkie - setzt Losso hautnah um. Und mutig schreibt Losso allemal. Selbst wenn Orte und Namen oft geändert sind, ist Dolores’ Geschichte mit der ihrigen so eng verknüpft, dass sie zumindest sich mit dem Buch nicht schützt. „Spring, du blöde Kuh, damit diese Tragödie mit dir endlich ein Ende findet“, schreit sie Dolores an, die sich von der Brücke stürzen will, „spring, spring, damit das alles ein Ende hat“. Wenig stolz wird sie über ihre Unzulänglichkeit gewesen sein, gerade deswegen ist ihre Ehrlichkeit umso entwaffnender. Das ist es, was das Buch ausmacht: Die Menschen darin sind echt. Die Probleme real. Und den erhobenen Zeigefinger gibt es nicht. Sie und Dolores seien beide ja nicht so geworden, was gesellschaftlich als „normal“ erachtet würde, sagt Losso. Den Untergang ihrer Schwester hat sie zum einen verdrängt, zum anderen „hat Dolores auch vieles verschwiegen“. Wie verschieden Leben sein können, wolle sie aufzeigen, für sie selbst habe der Tod vor fünf Jahren an Bedeutung verloren. „Wenn einer sagt, das Buch habe sein Bewusstsein erweitert, in welcher Gesellschaft wir leben, oder wenn ich damit eine Diskussion über Liebe, Tod, und Drogen in Gang setzen kann, dann habe ich noch etwas damit erreicht. Geschrieben ist aber vor allem für meine Familie, meine Mutter und für mich“. (kat)

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