Protagonistin des Buches: Die St.-Prokulus-Kirche.
Elisabeth Mair, Filialleiterin von Athesia Naturns, und Museumsmitarbeiterin Sigrid Rosa beim Büchertisch.
Dekan Rudolf Hilpold, Museumsleiterin Tanja Flarer, Kulturreferent Michael Ganthaler und Prokulus-Experte Heinrich Koch (von links).
Sie sorgten für die musikalische Umrahmung: Karin Knoll und Dominik Avogaro.

St. Prokulus 

Ein Kunstführer über das bekannte Naturnser Kirchlein. 

Publiziert in 36 / 2019 - Erschienen am 22. Oktober 2019

NATURNS - „Die St.-Prokulus-Kirche steht seit mittlerweile über tausend Jahren in unserem Dorf und hat in dieser Zeit sicherlich nicht immer dieselbe Aufmerksamkeit erfahren“. So beginnt das kürzlich im Athesia-Tappeiner-Verlag erschienene Buch „St. Prokulus in Naturns“. Nicht immer habe die Kirche die Aufmerksamkeit bekommen, die ihr zustünde, spätestens aber seit dem Jahre 1923, als die unter den gotischen Fresken verborgenen frühmittelalterlichen Malereien freigelegt wurden, habe die Auseinandersetzung mit der Kirche und ihren einzigartigen Fresken stark zugenommen. „In unserer Dorfgemeinschaft ist das Bewusstsein zur Wertigkeit des Kleinods St. Prokulus in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen“, heißt es im Vorwort, welches im Namen der Naturnser Bürger verfasst wurde. „St. Prokulus – Einer von uns“, bringen sie es auf den Punkt. Die Kirche aus dem 7. Jahrhundert gehört zu den ältesten frühchristlichen Kirchen des Landes. Die Wandmalereien aus dem 8. Jahrhundert, aber auch die Gotik-Fresken aus dem 14. Jahrhundert, die heute im Museum nebenan zu sehen sind, sind ein Aushängeschild für Naturns. 

Umfassender Kunstführer 

Das Buch, welches als umfassender Kunstführer gilt, wurde kürzlich im passenden Ambiente des Prokulusmuseums vorgestellt. Werke zur St.-Prokulus-Kirche erschienen bereits vor vielen Jahren, dieses Buch sei jedoch um einige Kapitel erweitert und auf den neuesten Stand gebracht, wie der Naturnser Kulturreferent Michael Ganthaler bei der Vorstellung betonte. Ein internationales Autorenteam präsentiert im Buch, welches von der Pfarrei St. Zeno Naturns herausgegeben worden ist, auf Basis der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse alles Wissenswerte rund um die Kirche St. Prokulus. Auf rund 160 Seiten sind unter anderem Beiträge von Hans Nothdurfter, der die Leitungen der Ausgrabungen bei Prokulus in den Jahren 1985 und 1986 inne hatte, zu finden. Weitere Beiträge stammen von den Mitautoren Thomas Kersting, Brigitte Gebauer, Matthias Exner, Waltraud Kofler Engel, Anette T. Keller und Christian Terzer. Im Buch wird ein umfassender Überblick über die Geschichte der Prokulus-Kirche und ihre Fresken gegeben. In mehreren Kapiteln erfahren die Leser die neuesten Erkenntnisse von den bauhistorischen Untersuchungen und der archäologischen Grabung, über die Entdeckung, Restaurierung, Datierung und inhaltliche Deutung der frühmittelalterlichen wie auch der gotischen Fresken sowie deren kunsthistorische Einordnung, bis hin zur Gründung des Prokulusmuseums im Jahr 2006.

Haus durch Brand zerstört 

Unter anderem erfahren die Leser, dass dort, wo heute das weitum bekannte Kirchlein steht, in der Spätantike ein „profanes Gebäude“, bei dem es sich um ein Wohnhaus gehandelt haben dürfte, seinen Platz hatte. Das Haus wurde um etwa 600 nach Christus durch einen Brand zerstört. „In der Brandschicht westlich der Kirche fanden wir auch ein Grab in ungewohnter Hockerlage. Es wäre sogar denkbar, dass diese Person beim Brand umgekommen ist“, heißt es im Buch, in einem der ersten Kapitel über die Siedlungsgeschichte. Im Kapitel über die frühmittelalterlichen Wandmalereien berichtet Matthias Exner über die Entdeckung und Freilegung dieser Malereien. „Ihren herausragenden Rang in der kunstgeschichtlichen Forschung wie ihre Popularität verdankt die Prokuluskirche einem weithin geschlossenen Bestand an frühmittelalterlichen Wandmalereien“, bringt es der Mitautor auf den Punkt. Erste Freilegungen datieren auf das Jahr 1912, weitere größere 1923. „Dass hier Malereien aus vorgotischer Zeit aufgedeckt worden sein mussten, war durch die mehrschichtige Fundsituation unmittelbar evident. Ihr Entdecker, Josef Garber, der zunächst eine Datierung in das 9. oder 10. Jahrhundert vorgeschlagen hatte, plädierte nach der vollständigen Freilegung für eine Einordnung in das 8. Jahrhundert“, schreibt Exner. Waltraud Kofler Engel berichtet über die gotischen Wandmalereien. „Das Schicksal der gotischen Wandmalereien von St. Prokulus stand seit ihrer Freilegung im Schatten der sensationellen Entdeckung der frühmittelalterlichen Gemälde“, erklärt sie. 

Nicht alle Geheimnisse preisgegeben 

„Es ist nicht der letzte Stand der Wissenschaft, sondern der heutige. Es ist schön, dass die Prokuluskirche ihre letzten Geheimnisse nicht offenlegt. Zumindest noch nicht“, betonte Heinrich Koch bei der Vorstellung des Buches. Auch wenn er nicht als Mitautor fungierte ist Koch jemand, der die Kirche kennt wie seine Westentasche – einer, der die Kirche symbolisiert. Seit Jahrzehnten führt er Gäste und Einheimische durch die Kirche. Das Lob aus seinem Mund wissen die Autoren zu schätzen. „Ich hatte das Glück, das Buch vorab zu lesen. Die Texte sind sehr tiefgründig. Ein Kompliment an die Autoren, sie haben intensiv recherchiert“, betonte Koch bei der Buchvorstellung. Man dürfe die Fresken interpretieren, aber man müsse vorsichtig sein mit der Interpretation. „Was hat der Mensch vor 1.300 Jahren gedacht, als er diese Bilder an die Wände gezeichnet hat?“, fragte Koch. Man wisse es nicht genau. Man könne es nicht genau wissen. „Aber wir dürfen darüber diskutieren“, sagte der Prokulus-Experte. Im Buch sei es den Autoren gelungen, diese Gratwanderung bestens zu meistern. „Man hält sich mit Interpretationen zurück. Das ist gut“, brachte es Koch auf den Punkt. Auch in Zukunft werden die Kirche mit ihren Fresken und ihrer Geschichte spannend und attraktiv bleiben.

Michael Andres
Michael Andres

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