Südtirol auf Heldensuche
... und der Vinschgau schaut nicht einmal zu.
Tschöfs bei Sterzing/Naturns im Vinschgau - Ganz Tirol, das südliche, nördliche und östliche, schaffte es erst nach 500 Jahren, eine derart bedeutende Persönlichkeit wie Michael Gaismair richtig einzuschätzen. Der 1490 auf dem „Holzlehenhof“ in Tschöfs bei Sterzing geborene Michael Gaismair hatte Gelegenheit, sich in der Grafschaft Tirol mit seinen Landesteilen umzusehen. So vertrat er ab 1516 Landeshauptmann Leonhard von Völs, seinen Dienstherren, als Schreiber auf Burg Hochnaturns. Ein komplizierter Erb- und Besitzstreit brachte ihn in Kontakt mit fast allen Vinschger Adelsfamilien. Wie er – inzwischen zum Unterhauptmann aufgestiegen – den Streit hinter sich gebracht hat, warum er aus dem Dienst beim Landeshauptmann ausgeschieden und in die Schreibstube des Brixner Bischofs gewechselt ist, hat der Naturnser Historiker und Universitätsdozent Helmut Gritsch in einem Beitrag für „100 Jahre Raika Naturns Plaus“ nicht ganz geklärt. Wie auch immer, für Gaismair ist die „Hochnaturnser Zeit“ von 1516 bis 1524 in seiner Entwicklung zum „Sozialrevolutionär und Rebell“ prägend gewesen. Die Kontakte zu einflussreichen Vinschger Kreisen dürften auch beim erfolgreichen Ausbruch aus dem Kerker in Innsbruck und für seine Flucht in die Schweiz sehr wertvoll gewesen sein. Das 500-Jahr-Gedenken mit seinen Ausstellungen und Inszenierungen von Schloss Tirol bis zum Volkskundemuseum von Dietenheim hat der Brixner Historiker Hans Heiss eher skeptisch gesehen – keinesfalls als „großen Wurf im Museumjahr“. Eine Ausnahme dürfte die Freilichtaufführung auf dem Freiluftareal oberhalb der Gärten von Schloss Trauttmansdorff sein. Das Stück „Der große Aufbruch – Michael Gaismair – die Täufer – und wir“ im Rahmen der Meraner Festspiele (es gibt noch Aufführungen bis zum 22. Juli) wurde zu einem erfolgreichen Zusammenwirken zwischen Autor Luis Zagler und Regisseur Pepi Pittl. Es war ihnen gelungen, Gaismairs Entwicklung mit Elementen der Gegenwart zu verbinden und daraus zu erklären. Der einzige Vinschger Bezug zu Michael Gaismair in Naturns wurde versäumt. „Gaismairs Tiroler Landesordnung“ gehört als politisches Programm und zukunftsweisendes Gesellschaftsmodell in die Reihe der großen Staatsutopien des Abendlandes“, so hatte es der Historiker und Publizist Michael Forcher schon in den frühen 1980er-Jahren formuliert. Wenn man genau sein will, gibt es weitere Vinschger Teilnehmer am Gedenken: Der Maler Karl Plattner hat ein Gaismair-Portrait in der Europakapelle bei Innsbruck erfunden und geschaffen und Marco Diana (Schlanders) hat die Musik zum Freilichtspiel in Meran komponiert.