Vielschichtig und von chromatischer Urkraft
Publiziert in 32 / 2012 - Erschienen am 12. September 2012
„Geologie“ wurde Jörg Hofers Ausstellung im Kunsthaus Meran benannt. Im Bergfriet des Stammschlosses Tirol tritt bis 30. September die Person „Jörg Hofer.Maler“ auf.
Laas/Dorf Tirol - So etwas hat es noch nie gegeben. Ein Vinschger Künstler, der gleichzeitig zwei Mal im Burggrafenamt auftritt, der zuerst die alte Landeshauptstadt Meran besetzt, so dass die Meraner vom „Höhepunkt des Meraner Kunstsommers“ sprachen, und der sich dann den Bergfriet auf Schloss Tirol genehmigte. Zur Vernissage bei „Kunst Meran“ zog er so viel Publikum an, dass der Lattenrost auf der Dachterrasse knisterte und krachte unter den schweren Tritten auffallend vieler Architekten, Planer und Baumeister. „Hofer ist ein Klassiker“, stellte Kurator Valerio Dehò fest. „Er ist ein Beispiel für unsterbliche Bildsprache, weil seine Bilder keine endgültige Aussage zulassen.“ Es ist beklemmender Zufall angesichts der Unwetter kurz vor Ausstellungseröffnung, dass Hofer seine großen Wandbilder in Meran „Erdrutsch“, „Permafrost“ und „Eis“ nannte. Der Meraner Zugang zu Hofers großem Werk, zum „Magnum Opus“, – wie sich der Museumsdirektor auf Tirol, Siegfried de Rachewiltz, im neuesten Katalog ausdrückte – wurde von Ressortleiterin Karin Dalla Torre eröffnet. Sie nannte den Laaser Jörg Hofer einen „Mann von chromatischer Urkraft“.
Der Vielschichtige
Es ist faszinierend für jeden patriotischen Vinschger, wie ein kreativer Landsmann im „Südtiroler Ausland“ analysiert wird. Schicht für Schicht – bei Hofer ist das schon im Kern seine Arbeitsweise –, Titel für Titel, Wortschöpfung für Wortschöpfung nähern sich Kunstkuratoren, Museumsdirektoren, Kunsthistoriker, auch selbsternannte, Kunstexperten, Historiker und Zeitungsschreiber dem Phänomen Jörg Hofer. Man nannte und nennt ihn den Geologen, den Alchimisten, den genialen Illuminator, der als Verwender des „Palimpsestes“ abschabt und übermalt, den Informellen in der Bedeutung von „ohne Form“, den Wiedergeber eines chaotischen Universums, oder Hofer ein Kind des Feuers. Alles trifft zu und doch sind es nur Teilaspekte. Eben Schichten, wie sie Hofer auf seine Weise in seinem Atelier aufträgt, aber sie enthalten alle einen Funken Wahrheit. Sie treffen alle zu auf den viel-schichtigen und mit vielen Schichten arbeitenden Hofer, der mit seinen Schöpfungen lieber Vibrationen nachgeht als Abbildungen.
Der Handgreifliche
Wer Hofer verstehen will, sagen wir zu verstehen versucht, der muss in seiner „Kathedrale“, in seinem riesigen Atelier, das ein Stadel war, beginnen. Nicht ohne Hintergedanken stellten seine angebrauchten Farbtöpfe samt Pinsel das Motiv für die Einladungskarte in Meran. Von oben fotografiert, von Hofers „Kanzel“ aus. Hofer braucht die Kanzel, um Distanz zu seinen Bildern zu gewinnen. Man muss Hofer auch aus der Distanz zu jenem Berges verstehen, der ihn seit seiner Geburt begleitet und nie mehr losgelassen hat. Der Berg, die Jennwand im Süden seines Hauses, die im Innern eine aus Hitze und Druck entstandene, glitzernde Masse birgt, die man Marmor nennt. Daher auch der Ausdruck „ein Kind des Feuers“. Auf ihm, auf Marmorstaub, Marmorkies und auf Marmorpflaster im Heimatdorf Laas stand und ging und lief der Jörg Hofer von klein auf. Ihm ist er treu geblieben. Durch ihn holt er das Licht in seine Werke, durch ihn kann er sich mit seinem Werk auseinandersetzen. Er kann hand-greiflich werden, er kann schaben, kratzen, spachteln und Tiefe schaffen. Er kann sich durch Marmor die Natur aneignen, auf sie einwirken und sie zur Malschicht reduzieren. Bevor Marmor zu Marmor wurde, hat er im Erdinneren gebrodelt. Hofer hat das Brodeln an die Oberfläche geholt.
Turmhoch leuchtend
Von wegen Oberfläche, er hat Höhe gewonnen. Hofer hat das Brodeln in den ranghöchsten Turm Tirols gebracht. Die Besucher müssen sich durch das Schicksalsjahrhundert der Tiroler Geschichte mühen. Sie müssen den Bergfriet von Schloss Tirol ersteigen. Sie lassen Werke von Karl Plattner und Max Weiler hinter sich und nähern sich Stufe um Stufe, den „Strahl-Steinen“ von Jörg Hofer, wie Siegfried de Rachewiltz die Schlüsselbilder des „genialen Illuminators“ nannte. „Für mich war der rostige Stahl der Turmarmierung eine Herausforderung“, bekannte Hofer. „Meine Bilder sind ja Raumbilder, daher ist jeder Raum auch Konkurrenz.“ Dafür fehlen sie in seinem Atelier“, ergänzte Dagmar, seine Frau. „Ohne die Bilder ist das Atelier wieder in den Urzustand zurück gefallen; es ist wieder zum Stadel geworden.“
Günther Schöpf
Günther Schöpf